Auch in Deutschland wird nun Hochwasser erwartet. Im Ausland haben die steigenden Pegel bereits für Zerstörung und Todesopfer gesorgt. Dabei haben Wetterberichte bereits seit längerem darauf hingewiesen, dass es zu starken Regenfällen kommen würde.

Ein Interview

Nach wie vor stehen Teile Europas unter Wasser. In Passau und Dresden wird jetzt ebenfalls Hochwasser erwartet. In Polen gilt in den Hochwassergebieten der Katastrophenzustand. In Tschechien sind 207 Orte überschwemmt worden. In Österreich sind Stand Dienstag fünf Menschen durch das Hochwasser ums Leben gekommen.

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Unsere Redaktion hat mit dem Hochwasser-Experten Daniel Bachmann über die Situation gesprochen und gefragt, ob genug zum Schutz der Menschen getan wurde und wird.

Herr Bachmann, die Wetterberichte deuteten bereits länger auf starke Regenfälle hin. Wurde genug getan, um das Hochwasser zu verhindern?

Daniel Bachmann: Das Hochwasser verhindern, kann man dann nicht mehr – dazu ist die Zeit zu kurz. In Tschechien wurde aber beispielsweise der Auslass der Talsperren für die Elbe hochgefahren, damit man mehr Speicherkapazitäten hat. Das hilft natürlich nur denen, die unterhalb einer Talsperre irgendwo wohnen. Ansonsten kann man noch Sandsäcke vorbereiten und die Bevölkerung warnen – was zumindest in Deutschland auch ausreichend getan wurde. Aber das ist alles, was man seit Bekanntwerden der Wetterprognosen kurzfristig hat tun können.

Auch in Passau steigt nun der Pegel. Sind wir in Deutschland gut genug auf Hochwasser vorbereitet?

Wir werden in Deutschland glimpflich davonkommen. In Passau werden die Deiche das abkönnen. Das liegt aber nicht unbedingt an den Maßnahmen, sondern vielmehr daran, wo der Niederschlag schwerpunktmäßig herunterkommt. Die Schwerpunkte liegen sowohl in Polen, Tschechien und Österreich. Vor allen Dingen die Donau in Niederösterreich wird ansteigen.

Sind wir denn generell gut auf solche Hochwasser vorbereitet in Deutschland?

Ich würde erst mal sagen: Ja und Nein. Man kann noch vieles besser machen. Das fängt schon bei der Wasserwirtschaft an und geht weiter bei der Raumplanung – ein ganz wichtiges Instrument. Das bedeutet, dass man nicht mehr auf potenziellen Überschwemmungsflächen baut. Da kann man sicherlich besser werden.

Müssen wir uns denn in Zukunft auf mehr Extremwetter einstellen?

Wenn die Prognosen der Klimatologen stimmen, und davon gehe ich aus, dann wird das definitiv der Fall sein. Da wird man sich zu einem bestimmten Grad anpassen müssen und auch das geht nur bedingt. Konkret heißt das: Wir werden diese Hochwasser öfter erleben und sie werden Schäden verursachen. Das muss man klar sagen.

Welche Verantwortung tragen Menschen, die in ein Hochwassergebiet ziehen?

Die Frage ist: Wird das immer so genau kommuniziert? Es gibt dazu in Österreich aber auch Deutschland die sogenannten Hochwassergefahrenkarten.

Diese Karten muss jedes EU-Land erstellen. In Österreich, aber auch in vielen Bundesländern in Deutschland, sind sie online frei zugänglich. Das kann ja nun jeder nachschauen …

Die Frage ist, ob man, wenn man ein Haus kauft, unbedingt mit der Nase darauf gestoßen wird. Ich fände es besser, wenn man das offener kommunizieren würde. Aber in der Immobilienbranche steckt eben auch viel Geld drin. Würden Sie als Makler potenziellen Kunden sagen, dass ihr Haus in ein paar Jahren durch Hochwasser betroffen sein könnte?

Ich würde mich als Interessent wundern, wenn das Haus besonders günstig ist …

Das sind aber nicht unbedingt günstige Objekte. Im Gegenteil: Die Häuser mit wunderbarer Aussicht auf den Fluss sind oft besonders teuer.

"Wichtig ist, wie schon erwähnt, betroffene Gebiete nicht mehr zu besiedeln."

Daniel Bachmann

Laut einer Studie sind in Deutschland 400.000 Menschen von Hochwasser bedroht. Halten Sie das für realistisch?

Nein.

Wieso?

Ich halte das für deutlich zu wenig. Ich weiß nicht genau, welche Szenarien dort veranschlagt wurden, aber nehme an, dass eine Sturmflut nicht mit einberechnet wurde. Wenn Sie überlegen, dass alleine Hamburg potenziell durch eine Sturmflut bedroht ist, dann sind das rund 1,8 Millionen Menschen, die dort leben. Dazu kommen zahlreiche weitere Regionen an unseren Flüssen, die durch Flusshochwasser bedroht sein können. Und schließlich kann von einem kurzen, intensiven Starkregen fast jeder betroffenen sein, unabhängig von Küste oder Fluss. Das sind deutlich mehr Menschen als 400.000, die das betrifft.

Welche Möglichkeiten gibt es, diese Menschen zu schützen?

Wichtig ist, wie schon erwähnt, betroffene Gebiete nicht mehr zu besiedeln. Wir können Bewohner von bedrohten Gegenden nicht umsiedeln. Das ist einfach nicht möglich, weil hunderttausende Menschen betroffen wären. Aber zumindest für Neubaugebiete sollte man darauf verzichten, in der Nähe von gefährdeten Flüssen oder Überlaufgebieten zu bauen. Ansonsten sind Talsperren sinnvoll und natürlich auch Deiche und Mauern. Aber wir können uns am Ende nicht einmauern. Die Speicherung von Wasser im Einzugsgebiet (Schwammregion) und in unseren Flüssen sind ebenfalls wichtige Elemente des Hochwasserschutzes.

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Sie kennen den Hochwasserschutz aus den Niederlanden, sind dort auch tätig. Was machen unsere Nachbarn besser?

Besser sind sie nicht unbedingt, aber sie haben eine andere Herangehensweise, die ich gut finde. Dort wird alles risikobasiert entschieden, das gesamte Gefahrenspektrum wird erfasst und auf dessen Basis geplant. Die Niederlande sind nach Jahren des Deichbaus dazu übergegangen, wieder Land dem Wasser zurückzugeben – weil sie merken, dass Deichbau eben nicht alles ist. Und sie sind vor allem proaktiv beim Hochwasserschutz. Das heißt, sie reagieren nicht nur auf Notfälle, wie wir es hier in Deutschland oft machen, sondern planen vorsorglich. Hierzulande muss eben so eine Tragödie wie im Ahrtal passieren, damit ein Umdenken geschieht und man sich dem Hochwasserschutz widmet.

Über den Gesprächspartner

  • Daniel Bachmann ist Hydrologe und Professor für Hydromechanik und hydrodynamische Modellierung an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Verwendete Quellen

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