- Die Zeitumstellung sollte eigentlich abgeschafft sein, doch in der Nacht auf Sonntag drehen wir wieder an der Uhr.
- Wo es hakt und wie sich Sommer- und Winterzeit auswirken: die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nicht erst seit der Coronakrise geht bei diesem Thema nichts weiter, es hätte schnell durch sein können: Die EU-Kommission hatte schon 2018 ihre Pläne vorgestellt, die Zeitumstellung ein für allemal abzuschaffen. Das EU-Parlament stimmte im März 2019 dafür, sie 2021 abzuschaffen. Nun ist es immer noch nicht so weit.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird der Uhrzeiger von zwei auf drei Uhr verrückt - dann gilt wieder Sommerzeit.
Zeitumstellung abschaffen: Warum ist überhaupt die Rede davon?
Das Thema Zeitumstellung ist schon lange umstritten. Der Grund für die Zeitumstellungen war ursprünglich, Energie beziehungsweise Kohle für die Energieerzeugung zu sparen und eine zeitliche Übereinstimmung mit den jeweiligen Nachbarländern herzustellen.
Im Jahre 2018 befragte die EU-Kommission die Bürgerinnen und Bürger zu dem Thema. Diese öffentliche Befragung war im Jahr 2018 auf eine bis dato nie dagewesene Resonanz gestoßen. Rund 4,6 Millionen Bürger aus der gesamten EU waren beteiligt, das Ergebnis erstaunlich klar: Das Ergebnis der Online-Umfrage:
- 84 Prozent waren für ein Ende des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit.
Der damalige Kommissionschef
Große Ablehnung der Zeitumstellung vor allem in Deutschland
Es war die mit Abstand erfolgreichste Befragung, die die Behörde bis dato durchgeführt hatte. Allerdings muss man auch sagen: Die 4,6 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen weniger als ein Prozent der EU-Bevölkerung dar. Und alleine drei Millionen von ihnen kamen aus Deutschland.
In Deutschland gilt die Zustimmung als besonders groß. Als Gründe nannten die Teilnehmer etwa, dass die Umstellung ihrer Gesundheit schade. Auch in Österreich war die Teilnahme überdurchschnittlich hoch. Für eine Beibehaltung der Zeitumstellung hatten sich nur Griechenland und Zypern ausgesprochen.
Ist ein Ende der Zeitumstellung in Sicht?
Viel Aufsehen also, getan hat sich allerdings seitdem nicht viel. Der Ball liege bei den 27 Mitgliedstaaten, heißt es von der Europäischen Kommission. Diese müssen sich einigen und klären, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit wollen.
Eine gemeinsame Position zu finden, ist den Regierungen im Rat der EU bisher nicht gelungen. Das ärgert Abgeordnete des EU-Parlaments: Dessen Vizepräsidentin
Derzeit hat Portugal die Ratspräsidentschaft inne. Eine Anfrage der dpa, ob das Land das Thema auf die Agenda gesetzt habe, blieb unbeantwortet. Es steht also in den Sternen, ob das halbjährliche Drehen am Uhrzeiger bald aufhört.
Wo hakt es bei der Abschaffung?
Um zu verstehen, warum die Umsetzung schon so lange auf sich warten lässt, hilft es, die drei institutionellen Akteure auf EU-Ebene zu unterscheiden. Vereinfacht gesprochen gibt es:
- die Kommission als europäische Exekutive, die Gesetze vorschlägt
- das Parlament als eine Art europäischer Bundestag
- den Rat, eine Art europäischen Bundesrat.
Der springende Punkt ist: Kein Vorschlag der EU-Kommission kann zum Gesetz werden, ohne dass das direkt gewählte Europäische Parlament und der Rat, also die gewählten Regierungen der Mitgliedstaaten, jeweils mehrheitlich zustimmen. Die Kommission hatte im September 2018 zwar vorgeschlagen, die halbjährliche Zeitumstellung zu beenden. Die Entscheidung über diesen Kommissionsvorschlag liegen noch beim Europäischen Parlament und dem Rat. Diese beiden Institutionen müssen zu einer Einigung kommen, bevor der Vorschlag rechtlich wirksam werden kann.
Das Europäische Parlament stimmte dafür, die Zeitumstellung nach 2021 zu beenden. "Die Mitgliedstaaten im Rat diskutieren aber noch über den Kommissionsvorschlag und überlegen auch, welche Standardzeit sie im Falle einer Abschaffung der Zeitumstellung übernehmen würden", hieß es im Herbst auf Anfrage unserer Redaktion aus der Pressestelle der Europäischen Kommission in Deutschland.
Deutschland trieb das Thema bei der Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr nicht voran. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums erklärte gegenüber der dpa, die Kommission habe noch keine Folgenabschätzung vorgelegt - die sei aber nötig, um das Thema im Rat "zielführend" zu behandeln. Die Kommission wiederum teilt mit, dass eine Folgenabschätzung nicht notwendig sei.
Ex-EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte bereits im November 2019 - also noch bevor die Coronakrise anfing, das Geschehen zu dominieren - wenig Verständnis dafür geäußert, dass die Mitgliedsstaaten nichts weiterbringen: "Ich komme aus dem Staunen nicht heraus", sagte er damals dem ARD-Europastudio Brüssel. "Wenn die Kommission nicht alles regelt, können es die Mitgliedstaaten unter sich nicht regeln", stellte er fest.
Wie ist die Lage in anderen Ländern?
In rund 60 Ländern der Welt herrscht dauerhaft Sommerzeit. Diese Länder befinden sich vor allem in Nordamerika und Ozeanien. Immer mehr EU-Nachbarn oder Handelspartner beschlossen jedoch, die Sommerzeit entweder nicht anzuwenden oder sie abzuschaffen. Hierzu gehören:
- Island (1991)
- China (1991)
- Russland (2011)
- Weißrussland (2011)
In Mitteleuropa gibt es derzeit eine große Zeitzone von Polen bis Spanien. Zu ihr gehören Deutschland und 16 weitere EU-Länder. Einige Staaten - etwa Griechenland - sind eine Stunde voraus, andere - zum Beispiel Portugal - eine Stunde zurück. Am letzten Sonntag im März und am letzten Sonntag im Oktober wird die Uhr jeweils eine Stunde umgestellt.
Wie steht Österreichs Bevölkerung dazu?
Fast drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher sind mit der Entscheidung der EU zufrieden, die Zeitumstellung abzuschaffen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Akonsult. Jedoch ist auch eine Mehrheit skeptisch, dass sich die EU-Staaten bald auf eine Lösung einigen werden.
Was spricht für eine Abschaffung der Zeitumstellung?
Die Mitgliedsstaaten sollen keine nationalen Regelungen für jahreszeitlich bedingte Zeitumstellungen mehr anwenden können. Das sind die Argumente der EU-Kommission:
- Mit der Abschaffung "soll das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet und Störungen durch unkoordinierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten vermieden werden." Als Beispiele für solche Störungen nennt die Kommission die Zeitplanung von Verkehrsdiensten und höhere Kosten für grenzüberschreitenden Handel
- "Die Bürgerinnen und Bürger werden sich nicht mehr um die Umstellung ihrer Uhren kümmern müssen. Die Zeitumstellungen haben stets für Verwirrung gesorgt, da es nicht selbsterklärend war, wann und in welche Richtung die Uhren umgestellt werden mussten."
- Befragte führten als Gründe für die Abschaffung der Zeitumstellung "gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Zunahme von Verkehrsunfällen sowie lediglich geringe Energieeinsparungen an. Mit der Abschaffung der Zeitumstellung muss sich der menschliche Körper nicht mehr an ständige zeitliche Änderungen anpassen."
- Auch Unternehmen würden profitieren: "Die neuen Regelungen werden die Planung im Energie- und im Verkehrssektor erleichtern (zum Beispiel für Nachtzüge) und zeitabhängige Anwendungen vereinfachen."
- Mehr Tageslicht ausnutzen und damit Energie einsparen: Das war der Hauptgrund für die Einführung der Zeitumstellung. Doch "sind die Gesamtenergieeinsparungen durch die Zeitumstellung Untersuchungen zufolge nur marginal".
Was spricht für eine dauerhafte Sommerzeit?
Bei der Sommerzeit ist es am Abend länger hell. Viele wissen das bei der Freizeitgestaltung zu nutzen und genießen die lauen Feierabende im Freien. Für Frühaufsteher und damit auch Schulkinder bedeutet es aber: Es ist morgens länger dunkel, was sich vor allem im Winter auswirkt.
Was sind die Argumente für die sogenannte Winterzeit?
Die sogenannte "Winterzeit" ist die Normalzeit und sichert mehr Helligkeit in den Morgenstunden. Bei dauerhafter Sommerzeit geht die Sonne deutlich später auf, was viele Menschen als unangenehm empfinden.
Verwendete Quellen:
- Europäische Kommission
- Europäischer Rat zur Zeitumstellung
- Umfrage Zeitumstellung
- Umfrage der Technischen Hochschule OWL
- dpa
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