US-Senator Roger Wicker und US-Präsident Obama bekommen Briefe. Diese Aussage ist höchst unspektakulär, doch nicht so in dieser Woche. Denn beide erhielten Schreiben mit tödlichem Inhalt: Ricin. Doch was bewirkt dieses Gift?
Ricin, auch Rizin genannt, ist eine extrem giftige Substanz, die aus der Natur stammt. Das Eiweiß kommt in den Samen des Rizinusstrauchs (Ricinus communis), auch Wunderbaum genannt, vor. Es soll die Samen davor bewahren, von Tieren gefressen zu werden. Konkret verhindert es die Eiweißsynthese in Zellen. Ohne Eiweiße kann eine Zelle aber nicht überleben
Aus den Samen wird durch Pressen Rizinusöl hergestellt, das Anwendung als Abführmittel oder zur Wehenförderung findet. Niemand braucht Sorge haben, dass er sich damit vergiften kann. Denn Ricin ist wasserlöslich und bleibt beim Pressen in den Rückständen.
Ricin wird zur Waffe
Problematisch ist jedoch, dass sich aus diesen Rückständen das Gift recht einfach gewinnen lässt. Großflächiger Einsatz als Biowaffe ist zwar unwahrscheinlich, weil Ricin ziemlich instabil ist. Beispielsweise machen Wärme und UV-Strahlung das Eiweiß sehr schnell unschädlich. Doch für gezielte Attentate auf einzelne Personen wie jetzt auf Wicker und Obama ist Ricin tatsächlich eine Gefahr. Es kommt nicht von ungefähr, dass es von den amerikanischen "Centers for Desease Control and Prevention" (CDC) in die zweitgefährlichste Kategorie der biologischen Kampfgifte eingestuft wird und auf der Liste der verbotenen Stoffe des Chemiewaffenübereinkommens (CWC) steht.
Lassen Sie uns die aktuelle Geschichte in Gedanken nachzeichnen, um zu verstehen, was passieren hätte können:
Ein oder mehrere bisher Unbekannte sind irgendwie an das Gift gelangt. Um es in die Briefumschläge zu verpacken, mussten sie sich erst einmal selbst schützen - auf alle Fälle mit Handschuhen und Mundschutz.
So gerät das Gift in den Körper
Prinzipiell gibt es drei Arten, auf die Ricin in den Körper gelangen kann: Durch Einatmen, Verschlucken oder Injektion. Zu Berührung mit der Haut gibt es widersprüchliche wissenschaftliche Meinungen. Meist heißt es, die unverletzte Haut mit ihrem Fett sei eine effektive Barriere, die das fettlösliche Ricin nicht überwinden kann.
Es ist wahrscheinlich, dass Wicker, Obama oder einer ihrer Angestellten Ricin eingeatmet und berührt hätten, wenn sie die Briefe nichtsahnend geöffnet hätten. Mit fatalen Folgen: Denn 400 Mikrogramm reichen laut dem amerikanischen "Congressional Research Service" (vergleichbar mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages) aus, um einen Erwachsenen zu töten. Diese Menge ist vergleichbar mit einem Salzkorn.
Die Symptome unterscheiden sich je nach dem, wie das Gift in den Körper gelangt. Beim Einatmen hätten sich wahrscheinlich innerhalb von ungefähr acht Stunden Symptome gezeigt. Vergiftete Personen müssen husten, ihnen wird übel, die Gelenke schmerzen und sie bekommen Fieber. Ödeme entstehen in den Lungen. Es kommt zu Atemnot, später kann daraus Atem- und Kreislaufversagen werden und der Vergiftete kann sterben.
Recht unwahrscheinlich, aber hätte Obama das Gift verschluckt, wären vor allem Magen und Darm betroffen gewesen. Dann wäre es zu einer blutigen Magen-Darm-Entzündung gekommen. Der Wasserverlust durch Durchfall und Erbrechen hätte zum Kollaps des Herz-Kreislaufsystems und zum Versagen mehrerer Organe führen können. Wäre die Dosis hoch genug gewesen, wäre er nach drei bis fünf Tagen gestorben. Tödlich ist das Gift nach Verschlucken erst in größerer Menge als beim Einatmen oder bei Injektion, weil es durch die Magensäure teilweise unschädlich gemacht wird.
Gibt es Rettung?
Was kann man tun, wenn jemand mit Ricin vergiftet wurde? Das Schlimme: Es gibt kein Gegengift. Bei Verschlucken des Giftes können die Ärzte versuchen, es mit Magenspülung oder Gabe von Aktivkohle teilweise zu entfernen. Doch wenn die Dosis tödlich war, können auch Ärzte schlussendlich nicht helfen - der Tod ist dann unausweichlich.
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