Wer mehr braunes Fettgewebe hat, ist schlanker – was im ersten Moment widersinnig klingt, stimmt tatsächlich. Wie viele dieser braunen Fettzellen ein Mensch hat, hängt offenbar mit der Umgebungstemperatur zusammen – und zwar schon im Moment der Zeugung.
Im Gegensatz zu weißen Fettzellen, die für "Pölsterchen" an Bauch und Hüfte verantwortlich sind, verwandeln braune die in Zucker gespeicherte Energie in Wärme. Sie sind sozusagen eine körpereigene Heizung und verbrennen Kalorien, anstatt sie in Hüftgold zu verwandeln.
Braune Fettzellen sind im Oberkörper lokalisiert, etwa entlang der Wirbelsäule, im Bereich der Schlüsselbeine sowie unter der Zunge. In den ersten Lebensjahren reguliert das Gewebe die Körpertemperatur, mit steigendem Alter nimmt es jedoch ab.
Mehr braunes Fettgewebe durch Kälte
Wie viel braunes Fettgewebe ein Mensch hat, ist individuell verschieden - hängt aber offenbar mit der Umgebungstemperatur zusammen.
Schon vor längerer Zeit hatten Wissenschaftler festgestellt, dass Menschen in kälteren Regionen der Erde im Durchschnitt mehr braunes Fettgewebe besitzen als Bewohner südlicher Gefilde.
Die Temperatur hat aber offenbar nicht erst zu Lebzeiten einen Einfluss, sondern bereits beim Zeitpunkt der Zeugung, wie ein Forschungsteam der ETH Zürich nun herausgefunden hat.
Kälte verursacht epigenetische Veränderungen des Spermas
Bei der Auswertung von computertomografischen Bildern von 8.400 Patienten des Zürcher Universitätsklinikums stießen die Wissenschaftler um Professor Christian Wolfrum zufällig auf eine Korrelation zwischen Empfängniszeitpunkt und Anteil des braunen Fettgewebes.
Menschen, die in den kalten Wintermonaten gezeugt wurden – nach Definition der Wissenschaftler zwischen Oktober und Februar – hatten demnach mehr braunes Fettgewebe als diejenigen, deren Zeugung im Sommer stattfand.
Die Forscher starteten daraufhin eine Versuchsreihe mit Mäusen. Fast alle Säugetierarten besitzen braunes Fettgewebe. Eine Gruppe Labortiere hielten sie mehrere Tage bei gemäßigten 23 Grad Celsius, eine andere bei kühlen 8 Grad. Nach einigen Tagen ließen sie sich fortpflanzen.
Bei dem Experiment zeigte sich, dass der Nachwuchs der männlichen Mäuse, die sich in den Tagen vor der Zeugung unter kühlen Bedingungen aufgehalten hatten, mehr braune Fettzellen aufwies als die Nachkommen der Vergleichsgruppe. Sie wurden auch bei einer energiereichen Ernährung weniger dick.
Bei den Müttern machte es hingegen keinen Unterschied, welcher Umgebungstemperatur sie ausgesetzt waren. "Das heißt also, es ist ganz klar über die Spermien übertragen", sagte Professor Wolfrum im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk".
Bei weiteren Untersuchungen der Spermien konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Information zur Aufenthaltstemperatur des Vaters tatsächlich über eine epigenetische Prägung – also eine Veränderung der DNA – an den Nachwuchs weitergegeben wird.
Wolfrum hält es für möglich, dass Säugetiere, die über mehr braunes Fettgewebe verfügen, besser gegen Kälte gewappnet sind. Für den Nachwuchs in kälteren Regionen wäre das von Vorteil, was wiederum erklären könnte, "warum sich dieser epigenetische Mechanismus in der Evolutionsgeschichte durchsetzte."
Braunes Fettgewebe lässt sich aktivieren
Ist es für Paare mit Kinderwunsch also ratsam zu frieren, bevor es zur Empfängnis kommt?
"Bevor wir solche Ratschläge geben können, müssen wir den Zusammenhang bei Menschen besser untersuchen", sagte Wolfrum in der Mitteilung der ETH Zürich.
Allerdings weist der Professor auf eine weitere Beobachtung hin: Frühere Studien legten einen Zusammenhang zwischen Wohntemperatur und Übergewicht dar.
Die durchschnittliche Temperatur in Innenräumen habe einer Untersuchung in den USA zufolge in vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Mit dem Körpergewicht verhält es sich bekanntermaßen ähnlich.
Unter Normalbedingungen sind braune Fettzellen bei Erwachsenen nicht aktiv, wie Wolfrum erklärt. Offenbar lässt sich diese Körperheizung aber durch Kältereize "einschalten", wie unter anderem eine Studie der Universität Maastricht im Jahr 2013 zeigte.
Schon nach einigen Stunden in kühler Umgebung kann demnach eine erhöhte Aktivität des Gewebes nachgewiesen werden.
Im Winter die Heizung etwas herunterzudrehen schützt also nicht nur Umwelt und Geldbeutel, sondern womöglich auch vor überflüssigen Pfunden. (jwo)
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