In Deutschland trinken Jugendliche immer weniger. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Ihr Alkoholkonsum liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Was kann ein Verbot von Trinken unter Aufsicht der Eltern bewirken? Und warum ist es aus gesundheitlicher Sicht so wichtig, den Alkoholkonsum bei Jugendlichen zu beschränken?

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant einen besseren Schutz von Jugendlichen vor Alkohol und anderen (Sucht-)Mitteln. Er hat dabei drei Substanzen im Blick:

  • K.-o.-Tropfen
  • Lachgas
  • Alkohol

K.-o.-Tropfen sollen komplett verboten werden, bei Lachgas soll der Verkauf an Jugendliche nicht mehr erlaubt sein und bei Alkohol soll der Zugang für Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren erschwert werden.

Konkret heißt das: Jugendliche, die noch nicht 16 sind, sollen in der Öffentlichkeit auch dann nicht mehr Alkohol trinken dürfen, wenn eine sorgeberechtigte Person anwesend ist und zustimmt.

Das aktuelle Jugendschutzgesetz erlaubt, dass Jugendliche ab 14 in der Öffentlichkeit Bier oder Wein trinken, wenn ein Elternteil dabei ist, zum Beispiel in einem Restaurant oder auf Festen. Die Regelung ist bekannt unter dem Begriff "Betreutes Trinken".

Teenager dürfen Alkohol aber nicht selbst kaufen. Bier, Sekt oder Wein können Jugendliche ab 16 Jahren kaufen. Bei hochprozentigem Alkohol (ab 15 Prozent), wie Schnaps, ist das erst ab 18 Jahren legal.

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Lauterbach hält die Gefahr des betreuten Trinkens für Jugendliche unter 16 aber für zu groß. Er sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND): "Aus gesundheitspolitischer Sicht kann es zu diesem Thema keine zwei Meinungen geben. Das sogenannte 'begleitete Trinken’ sollte untersagt werden."

Nur, weil Erwachsene anwesend wären, ändere das nichts daran, dass Alkohol für Kinder schädlich sei, betont der Minister. Damit liegt er auf einer Linie mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die von Alkohol unter 16 Jahren grundsätzlich abrät.

Der Bundeselternrat begrüßt diesen Vorschlag, zufrieden ist er aber nicht. Der Vorsitzende, Dirk Heyartz, sagte der "Rheinischen Post": "Allerdings sollte man nicht naiv sein. Das Verbot wird in der Praxis kaum etwas bringen, weil Kinder und Jugendliche immer einen Weg drumherum finden werden."

Viele Eltern werden sich jetzt fragen: Ist ein Glas Wein oder Bier schon ein Problem? Und: Lässt sich der Alkoholkonsum von Jugendlichen wirklich besser kontrollieren, wenn er ohne ihre Aufsicht stattfindet?

Was ist das Besondere am jugendlichen Gehirn?

Heranwachsende entwickeln sich noch. Das betrifft den Körper und die Psyche, denn der Mensch ist eine Einheit aus beidem. Für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist ein Organ besonders wichtig: das Gehirn. Es baut sich im Laufe der Pubertät stark um. Wie genau, hängt vor allem davon ab, welche Erfahrungen Jugendliche in dieser Phase machen.

Denn das Ziel des Umbaus ist radikal: Alles, was für die Person unwichtig ist, muss gehen. Ungefähr drei Prozent der grauen Substanz des Gehirns geht beim Umbau in der Pubertät verloren. Damit erreicht der Körper, dass sich das Gehirn auf das konzentrieren kann, was wirklich wichtig ist – für diesen Menschen.

Das Gehirn nutzt in der Pubertät Erfahrungen dafür, die Menge an möglichen Schaltkreisen im Gehirn zu reduzieren. Es spezialisiert sich. Dieser Prozess ist für die weitere Entwicklung der Person entscheidend: Lernfähigkeit, Erinnerungsvermögen, logisches Denken, Aufmerksamkeit, aber auch die psychische Stabilität werden dadurch beeinflusst.

Während überflüssige Nervenzellen (Neuronen) abgebaut werden, entstehen um andere Neuronen sogenannte Myelinscheiden. Die Myelinisierung verleiht dem Gewebe die weiße Farbe. Häufig ist daher auch von weißer Substanz die Rede. Diese Struktur ist wichtig für die elektrische Leitfähigkeit der Nervenfasern.

Die Myelinisierung von Nervenbahnen setzt bereits vor der Pubertät ein. Evolutionsbiologisch ältere Teile des Gehirns werden früher myelinisiert, jüngere später. Zu den jüngeren gehört der Frontallappen, hier beginnt die Reifung erst in der Pubertät und ist erst im frühen Erwachsenenalter abgeschlossen.

Im Frontallappen sind neben vielen motorischen Funktionen auch kognitive beheimatet. Der präfrontale Kortex steuert unter anderem, wie Handlungen ablaufen sollen, damit sie zur Situation passen. Die Liste der Störungen, die auftreten können, wenn der Frontallappen geschädigt ist, liest sich ein wenig wie die Beschreibung eines Teenagers – zumindest, wenn er dem Klischee entspricht:

  • Die Konsequenz von Handlungen wird nicht bedacht.
  • Es fällt schwer, Handlungen zu planen.
  • Detailwissen und vor Kurzem Gelerntes bleibt nicht hängen.
  • Handlungen können schlecht auf neue Erfordernisse angepasst werden.
  • Die Selbstkontrolle und der Antrieb sind herabgesetzt.
  • Regeln zählen nicht.
  • Aufmerksam sein und etwas durchhalten ist anstrengend.

Bei all diesen Erscheinungen ist die Intelligenz nicht gestört, aber das schlussfolgernde Denken fällt Jugendlichen oft schwer. Diese Phänomene sind normal und nehmen mit zunehmender Hirnreifung wieder ab.

Wie schädlich ist Alkohol für Jugendliche?

Alkohol ist ein Zellgift und kann sich im Prinzip auf jedes Organ schädlich auswirken, aber besonders auf Leber und Gehirn. Wie schädlich es ist, hängt von der Dosis und der Frequenz ab, mit der Alkohol getrunken wird – aber auch vom körperlichen Zustand desjenigen, der Alkohol trinkt.

Wie genau er den Umbauprozess im Frontallappen stört, ist nicht leicht nachzuweisen. In Studien bleibt häufig offen, ob beobachtbare Veränderungen durch den Alkoholkonsum entstehen oder ob sie schon vorher da waren und für ein größeres Bedürfnis nach Alkohol gesorgt haben.

In Tierstudien zeigte sich, dass Rauschtrinken die Neubildung von Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen reduzieren kann. Auch der einmalige Alkoholkonsum kann bereits einen Effekt auf die Neubildung von Hirnnerven haben.

Allerdings bleibt unklar, wie schädlich diese Effekte genau sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass Alkohol sowohl das Wachstum neuer Zellverbindungen hemmen kann als auch bestehende Zellverbindungen zerstört. Dabei spielen Entzündungsprozesse eine Rolle.

Alkohol wirkt aber auch auf das Belohnungszentrum des Gehirns, das limbische System. Es reift früher als der präfrontale Kortex. In diesem System entsteht die Emotion Freude. Das Belohnungszentrum verstärkt somit Verhaltensweisen, indem es Freude auslöst.

Dazu kann Alkoholtrinken gehören, aber auch Schokolade essen, Sport machen oder Freunde treffen. Das jugendliche Gehirn ist sensibler für Belohnung und reagiert auch intensiver, während die Kontrollinstanz, der präfrontale Kortex, noch mitten im Umbauprozess steckt.

Alkohol erzeugt Euphorie und hat einen gewissen Entspannungseffekt. Daher versuchen manche Jugendliche, bereits bestehende psychische Probleme mit Alkohol zu bekämpfen. Depressionen, soziale Ängste, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen können sich aber durch Alkoholkonsum weiter verstärken. Besonders, wenn es zu Rauschtrinken gekommen ist.

Beim Rauschtrinken steigt die Gefahr einer Alkoholvergiftung. Im Hypnosestadium ist das Bewusstsein stark eingeschränkt, im Narkosestadium setzt Bewusstlosigkeit ein. Das kann lebensgefährlich sein, weil dabei ein Schockzustand eintreten kann, bei dem der Blutdruck stark sinkt und der Würgreflex aussetzt. Es kann zu Atemstillstand kommen oder zu Tod durch Erbrechen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Nach dem Absturz kommen nicht nur ein Kater, sondern auch Erinnerungslücken. Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert im Rausch nicht mehr und auch das Langzeitgedächtnis kann Schaden nehmen. Situationen, an die man sich nicht erinnert, sind nicht immer harmlos. Oft ist die Unsicherheit darüber, was man selbst im Rausch gemacht hat, sehr belastend. Wenn Jugendliche im Rausch zu Opfern wurden, ist der Schaden für die Psyche noch größer.

Alkohol: Je jünger der Mensch, desto schädlicher

Jugendliche unterschätzen die Gefahren des Alkoholkonsums und Erwachsene vergessen leicht, dass bei Jugendlichen die Wirkung von Alkohol schneller einsetzt. Schon eine kleine Menge Wein kann ein jugendliches Gehirn stark stören. Deshalb gibt es für Kinder und Jugendliche auch keine Grenze, die risikoarmen Konsum von risikoreichem unterscheidet.

Die Vorliebe für Alkohol (oder andere Drogen) kann aus Sicht des Gehirns in der Pubertät schneller geweckt werden als in anderen Lebensphasen. Bei der Entstehung von Süchten spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt das soziale Umfeld. Es lässt sich schwer vorhersagen, ob eine Person eine Alkoholsucht entwickeln wird, wenn sie schon vor dem 17. Lebensjahr regelmäßig Alkohol getrunken hat.

Fest steht aber, dass es einen Zusammenhang zwischen frühem Alkoholkonsum und späterer Abhängigkeit gibt: Je früher jemand Alkohol trinkt und damit lernt, dass Alkohol in vielen Lebenslagen dazugehört, desto höher ist das Risiko eines späteren Alkoholmissbrauchs.

Dabei spielen auch Menge und Häufigkeit eine Rolle, sie lassen sich allerdings nicht allgemein beziffern. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass jeder Tropfen Alkohol schadet – auch Erwachsenen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen verfolgt in ihren aktuellen Empfehlungen den Ansatz: "Alkoholkonsum sollte von jeder Person reduziert werden, unabhängig davon, wie viel sie trinkt. Am besten ist es, keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Alkoholische Getränke bergen Risiken, wenn es um die physische Gesundheit der Menschen geht."

Wie trinken Jugendliche in Deutschland?

Ein Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2020 zeigt, dass im Jahr 2019 neun Prozent der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol getrunken haben – mindestens einmal in der Woche. Etwa 14 Prozent der Jugendlichen aus dieser Altersgruppe hatten sich in den letzten 30 Tagen vor der Befragung mindestens einmal einen Rausch angetrunken. In der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren steigen diese Zahlen auf 32 Prozent für regelmäßigen Alkoholkonsum und auf 41 Prozent für Rauschtrinken.

Etwa zwei Drittel der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren haben mindestens einmal Alkohol getrunken und bei 3,5 Prozent dieser Jugendlichen überschreitet der Alkoholkonsum der letzten 12 Monate den für Erwachsenen über den Zeitraum von einem Jahr empfohlenen Grenzwert. Das heißt, sie trinken so viel, dass es auch für Erwachsene mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden wäre.

Die gute Nachricht: Insgesamt trinken Jugendliche heute weniger als vor zehn Jahren. Das ist ein Trend, der sich in ganz Europa zeigt. In Deutschland sieht man, dass männliche Jugendliche öfter regelmäßig trinken (11,5 Prozent) als weibliche (6,2 Peozent). Dafür stagniert bei jungen Frauen der Alkoholkonsum seit circa 20 Jahren, vor allem in der Altersgruppe ab 18, während er bei jungen Männern abgenommen hat.

Das könnte man als Erfolg für das Präventionskonzept der Bundesregierung betrachten. Es setzt auf Aufklärung über den gesundheitsschädlichen Konsum, zum Beispiel durch Kampagnen wie Kenn dein Limit.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat aber offensichtlich ehrgeizigere Ziele. Denn Deutschland belegt in der jüngsten Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO für den europäischen Raum den dritten Platz. Für diese weltweit größte Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit wurden 2021 und 2022 insgesamt 280.000 junge Menschen aus 44 Ländern und Regionen befragt.

In Deutschland sagten 56 Prozent der Mädchen und 54 Prozent der Jungen im Alter von 15 Jahren "Ja", als sie gefragt wurden, ob sie in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken hatten. Nur in Dänemark und Italien bejahten diese Frage noch mehr Jugendliche. Der europäische Durchschnitt liegt bei dieser Frage für Mädchen bei 38 und für Jungen bei 36 Prozent.

Bei anderen Substanzen wie Tabak und Cannabis liegen die Jugendlichen in Deutschland dagegen ungefähr im europäischen Durchschnitt.

Der Minister hat also gute Gründe dafür, den Zugang zu Alkohol in jüngeren Jahren zu erschweren. Dabei spielt die medizinische und psychologische Sicht eine wichtige Rolle, es ist aber auch elementar, die kulturelle Akzeptanz anzugehen.

Wenn Jugendliche im Beisein der Eltern das Trinken ausprobieren, hat das sicher Vorteile. Denn Erwachsene können ihre Teenager darauf aufmerksam machen, welche Wirkung Alkohol ganz konkret hat. Die Frage ist, welchen Vorteil es haben sollte, das bereits mit 14 am eigenen Leib zu erleben. In diesem Alter spielt Lernen durch Vorbilder eine entscheidende Rolle. Das lässt sich nutzen – mit deutlich geringeren Gesundheitsgefahren: indem sich Erwachsene mit Alkohol zurückhalten.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) weist darauf hin, dass es in kaum einem anderen Land so leicht ist, an Alkohol zu kommen wie in Deutschland. Das schlägt sich in der Menge des Konsums nieder: circa 10 Liter reinen Alkohol trinken die Menschen hierzulande pro Jahr.

Die DHS fordert deshalb, den Verkauf insgesamt stärker zu begrenzen, Alkohol teurer zu machen und die Werbung einzuschränken. Das Verbot von betreutem Trinken kann nur ein Baustein in einem Präventionskonzept sein, das neben Aufklärungskampagnen auch den Zugang zu Alkohol weiter erschwert – vor allem für Jugendliche.

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Verwendete Quellen

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