Gerade einmal 30 Stunden braucht Tylos, um seinen Stern zu umrunden. Außerordentlich stürmisch ist es auf dem Planeten, wie Forschende herausfanden. Und ein Wind aus Wasserstoff weht hinaus ins Weltall.
In der Atmosphäre eines 900 Lichtjahre entfernten Planeten herrschen ungewöhnliche Wetterbedingungen. Beobachtungen eines Forschungsteams mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte Eso in Chile zeigen drei unterschiedliche Schichten in der Gashülle des Planeten WASP-121b, in denen Winde mit Geschwindigkeiten von bis zu 72.000 Kilometern pro Stunde wehen. Die gigantischen Luftströmungen seien eine große Herausforderung für meteorologische Modelle der Planetenatmosphäre, erläutern die Wissenschaftler im Fachblatt "Nature".
Exoplanet mit extremen Temperaturunterschieden wirft Fragen auf
WASP-121b - von den Himmelsforschern auch Tylos genannt - ist ein "heißer Jupiter", ein großer Gasplanet also, der seinen Stern auf einer sehr engen Umlaufbahn umkreist. Gerade einmal 30 Stunden braucht Tylos, um den Stern in einem Vierzigstel der Entfernung Erde-Sonne zu umrunden. Ebenso lange benötigt der Planet, um sich einmal um sich selbst zu drehen.
Dadurch zeigt die eine Seite des Planeten stets auf den Stern, die andere von ihm weg. Die beleuchtete Tagseite von Tylos heizt sich auf eine Temperatur von 2.300 Grad auf, während die Nachtseite vermutlich deutlich kühler ist.
"Der extreme Temperaturunterschied zwischen Tag- und Nachtseite wirft eine grundsätzliche Frage auf", erläutern Julia Seidel von der Eso und ihre Kollegen: "Wie verteilt sich die Energie in der Atmosphäre?" Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, hat das Team Tylos mit allen vier jeweils acht Meter großen Fernrohren des Very Large Telescope gemeinsam beobachtet. Die Kombination des von den Fernrohren empfangenen Lichts ermöglicht den Astronomen einen sehr viel detaillierteren Blick auf den Planeten als mit einem Fernrohr allein.
Gashülle von Tylos weist drei unterschiedliche Schichten auf
Doch selbst mit der kombinierten Kraft der vier Teleskope lassen sich auf einem Planeten in 900 Lichtjahren Entfernung keine Einzelheiten ausmachen. Doch Tylos kommt den Forschern zu Hilfe: Bei jedem Umlauf zieht er von der Erde aus gesehen einmal vor seinem Stern vorüber. Diese sogenannten Transits haben überhaupt erst vor zehn Jahren seine Entdeckung ermöglicht. Denn bei den Vorübergängen schwächt der Planet die Strahlung des Sterns ab und verrät sich.
Ein Teil des Sternenlichts geht aber auch durch die Atmosphäre des Planeten hindurch, und diesen Anteil haben Seidel und ihre Kollegen untersucht. Die Forscher stellten dabei fest, dass die Elemente Wasserstoff, Natrium und Eisen einen Teil des Sternenlichts absorbieren, aber in unterschiedlicher Tiefe der Atmosphäre. Die Gashülle von Tylos weist also offenbar drei unterschiedliche Schichten auf. Mehr noch: Das Gas in diesen Schichten bewegt sich auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise.
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In der tiefsten, eisenhaltigen Schicht bläst ein ständiger Wind mit einer Geschwindigkeit von etwa 36.000 Kilometern pro Stunde von jenem Punkt aus, der direkt dem Stern zugewandt ist und transportiert so die Wärme von dort zur Nachtseite des Planeten. Darüber liegt die natriumhaltige Schicht, die über dem Äquator des Planeten einen schnellen Jetstream zeigt, eine starke Luftströmung mit einer Geschwindigkeit von 72.000 Kilometern pro Stunde, die um den gesamten Planeten herumführt. Und ganz oben schließlich gibt es einen Wind aus Wasserstoff, der vom Planeten aus nach außen ins Weltall weht.
Dieser erste dreidimensionale Blick in die Atmosphäre eines Planeten bei einem anderen Stern fühle sich wie Science Fiction an, begeistert sich Seidel. Der Traum der Astronomen ist es, auch die Atmosphären erdähnlicher Planeten detailliert zu untersuchen. Doch dazu sind noch größere Teleskope nötig, wie das derzeit in Chile gebaute Extremely Large Telescope (ELT): Zusammengesetzt aus 798 sechseckigen Spiegelelementen hat es einen Durchmesser von 39 Metern. Es soll in zwei Jahren in Betrieb gehen. (Rainer Kayser, dpa/bearbeitet von sbi)
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