Ob es auf dem Mars einst einen Ozean gab - darüber hatten Forscher immer wieder diskutiert. Neueste Forschungen bestätigen diese Hypothese nun. Und nicht nur das: Auf dem jungen Mars gab es wohl auch Küsten, die den unseren ähneln.
Vor etwa vier Milliarden Jahren sah der Mars noch völlig anders aus: Es gab dort einen großen Ozean mit sandigen Stränden. Das zeigen Radar-Messungen des chinesischen Rovers Zhurong, über die ein internationales Forschungsteam im Fachblatt "Proceedings" der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften berichtet.
Bislang galt die Hypothese eines Ozeans, der einst nahezu die ganze Nordhalbkugel des Roten Planeten bedeckte, als umstritten.
Region auf dem Mars war wohl einst lebensfreundlich
"Das ist auch ein starkes Argument dafür, dass diese Region auf dem Mars einst lebensfreundlich war", erläutert Hai Lu von der Universität Guangzhou in China. Der leitende Wissenschaftler ist Teil des Teams der chinesischen Mars-Sonde Tianwen-1, die sich im Juli 2020 auf den Weg zum äußeren Nachbarplaneten der Erde gemacht hat. Mit an Bord war auch das Robotfahrzeug Zhurong, das von Mai 2021 bis Mai 2022 die Umgebung der Landestelle am südlichen Rand der Tiefebene Utopia Planitia untersucht hat.
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Heute präsentiert sich der Mars als lebensfeindlicher, staubtrockener Wüstenplanet. Doch zahlreiche Anzeichen deuten darauf hin, dass er nicht immer so trocken war. Die Aufnahmen von Raumsonden, die den Planeten bereits besucht haben, zeigen mäandernde Flussläufe mit ausgedehnten Mündungsdeltas, sowie Strukturen, die den Küstenlinien eines ausgetrockneten Meeres ähneln. In seiner Frühzeit vor vier Milliarden Jahren besaß der Mars also vermutlich eine dichtere Atmosphäre, ein wärmeres Klima und damit auch offenes Wasser auf seiner Oberfläche.
Die Existenz eines großen Ozeans blieb allerdings umstritten, da die vermeintliche Küstenlinie eine Reihe von Problemen aufwirft. So schwankt die Höhe der Küstenlinie beispielsweise um mehrere Kilometer. Um Klarheit zu bekommen, hat das Team der Mission Tianwen-1 den Rover über eine Strecke von 1,9 Kilometer quer über die vermutete Küstenlinie fahren lassen. Dabei hat das Fahrzeug mit einem Bodenradar den Untergrund bis in eine Tiefe von 80 Metern untersucht.
Sandige Ablagerungen deuten auf Strände hin
Das Forschungsteam stieß auf sandige Ablagerungen, die sich unter einem Winkel von 15 Grad absenken – nahezu identisch den Ablagerungen an irdischen Küsten. Sie haben eine Dicke von 10 bis 35 Metern. Auf der Erde dauere es mehrere Millionen Jahre, um so viel Sand an der Meeresküste abzulagern, erklären die Wissenschaftler. Es müsse auf dem Mars also lange Zeit flüssiges Wasser gegeben haben: Flüsse, die den Sand ins Meer transportiert und Wellen, die den Sand an die Küste gespült haben.

"Diese Ablagerungen zeigen, dass zumindest ein großer Teil des Planeten über einen langen Zeitraum hydrologisch aktiv gewesen sein muss", sagt Team-Mitglied Benjamin Cardenas von der Pennsylvania State University in den USA. Nur ein Wasserkreislauf – ähnlich wie wir ihn auf der Erde kennen – könne die Küste des Ozeans mit Sedimenten versorgt haben.
"Möglicherweise entwickelten sich die ersten Lebensformen auch auf der Erde in Gebieten wie diesen."
Vielleicht seien so auch Nährstoffe angespült worden, spekuliert Cardenas: "Solche Küsten sind eine der besten Regionen, um nach Beweisen für früheres Leben zu suchen. Möglicherweise entwickelten sich die ersten Lebensformen auch auf der Erde in Gebieten wie diesen."
Form des Mars hat sich durch Rotationsachse geändert
Bleibt die Frage, warum die Küstenlinie des Ozeans nicht in gleichmäßiger Höhe verläuft. Daran könnte, so argumentiert Michael Manga von der University of California, der Vulkanismus auf dem Roten Planeten schuld sein.
Vor 3,7 Milliarden Jahren entstand auf dem Mars die Tharsis-Region mit den größten bekannten Vulkanen im Sonnensystem. Diese Vulkane seien so gewaltig, dass sie die Rotation des ganzen Planeten und auch seine Form verändert haben. "Weil sich die Rotationsachse des Mars geändert hat, hat sich auch seine Form verändert", so Manga. "Und dadurch sind Regionen, die zuvor flach waren, nun nicht mehr flach." (Rainer Kayser, dpa/bearbeitet von sbi)