Wenn das Haustier stirbt, fallen viele Menschen in tiefe Trauer. In ihrem Umfeld stoßen sie damit jedoch oft auf Unverständnis – schließlich geht es ja "nur" um ein Tier. Dabei kann uns der Tod eines Vierbeiners genauso tief berühren wie der Tod eines Menschen.
Haustiere sind für viele Menschen mehr als nur ein lebendiger Pelz, der Futter beansprucht: Sie sind echte Freunde, treue Begleiter, Seelentröster und Anker der Stabilität.
Doch wie jedes Leben endet auch das von Hund, Katze und anderen Vierbeinern – und oft viel früher, als uns lieb ist. Stirbt der geliebte Gefährte, stellt uns das vor eine emotionale Herausforderung und hinterlässt eine große Leere – nicht unähnlich dem Verlust eines Menschen, wie Studien zeigen.
Die Trauer um ein Tier ist oft so groß wie beim Verlust eines Menschen
Das bestätigt auch Jannis Exslager, Inhaber der Tierbestattung Sternenspuren: "Ich habe Menschen erlebt, die sagen, dass sie beim Tod der eigenen Eltern keinen so großen Schmerz empfunden haben wie beim Tod des Hundes." Neben Haustier-Beisetzungen in der Region Rhein-Ruhr bietet er auch Trauerbegleitung für Tierbesitzerinnen und -besitzer an und erfährt so aus erster Hand, wie Menschen den Verlust ihres Vierbeiners erleben.
Doch so sonderbar das für manche anmuten mag: Überraschend ist es eigentlich nicht. Das Haustier ist schließlich immer dabei – im Alltag, im Urlaub und manchmal sogar bei der Arbeit. "Die wenigsten haben so viel Kontakt zu ihren Eltern, nachdem sie von zu Hause ausgezogen sind", sagt Exslager. Und auch in schwierigen Zeiten wenden sich unsere Haustiere nicht von uns ab.
Dass der Tod eines geliebten Vierbeiners keine Bagatelle ist, zeigen auch die Ergebnisse weiterer Forschung. Laut einer Studie der University of Alberta kann der Verlust des Haustieres den Gesundheitszustand von Seniorinnen und Senioren massiv beeinträchtigen. Auch bei Kindern kann der Tod eines Haustieres einer anderen Studie des Massachusetts General Hospital in Boston zufolge eine langanhaltende Trauer auslösen, die später zu Trauerstörungen und Depressionen führen kann.
"Wir lassen ein Tier oft viel dichter an uns heran", sagt Jutta Hurtig. Sie ist systemischer Coach und Trauerbegleiterin in Bonn und auch sie stand schon vielen Menschen nach dem Tod ihres Haustieres bei. "Deshalb trifft es diejenigen besonders hart, die sich anderen Menschen gegenüber schwer tun."
Oft gesellen sich Schuldgefühle zur Trauer
Auch wie sich das Ende gestaltet, hat Einfluss auf die Trauer. Nicht immer schläft das Haustier in gesegnetem Alter friedlich ein. Wenn das Tier schon alt oder lange krank war, gibt das Tierbesitzerinnen und -besitzern Zeit, sich mit dem bevorstehenden Abschied auseinanderzusetzen. "Es bleibt natürlich unendlich traurig, aber für viele ist es dann in Ordnung. Es gehört eben dazu", sagt Exslager.
Doch oft kommt der Tod ganz plötzlich, manchmal während der Nacht oder wenn man gerade nicht zu Hause ist. Katzen kommen nicht immer von ihrem Freigang zurück und stürzen ihre Besitzerinnen und Besitzer in Ungewissheit. Und manchmal muss man die schwere Entscheidung treffen, den Vierbeiner einschläfern zu lassen. Musste das Tier leiden? Hätte ich noch etwas tun können? War es der richtige Zeitpunkt oder hätte es doch noch Hoffnung gegeben?
"Vor dem Tod des Tieres klingt es vernünftig, wenn der Tierarzt zum Einschläfern rät – aber danach drehen sich diese Fragen in Schleifen", sagt Hurtig. Dann hat man nicht nur mit der Trauer zu kämpfen, sondern auch mit Schuldgefühlen. "Das macht es besonders kompliziert", bestätigt Exslager.
Unverständnis im Umfeld: "Es ist doch nur ein Hund"
Eine weitere Herausforderung, mit der viele konfrontiert sind, die Hund oder Katze verloren haben, ist das Unverständnis in ihrem Umfeld. Trauernde müssen sich häufig Floskeln anhören wie "Hol dir doch eine neue Katze", "Es ist doch nur ein Tier" oder "Jetzt stell dich mal nicht so an".
"Das ist eine Form der sogenannten aberkannten Trauer", sagt Hurtig. Das bedeute: Wie du dich fühlst, ist nicht richtig. Die Trauernden "dürfen" ihren Schmerz nicht wirklich zeigen oder werden in ihrem Schmerz nicht ernst genommen.
"Als mein Hund gestorben war, sagte eine Freundin zu mir: 'Mein Gott, es ist doch nur ein Hund'", erzählt Hurtig. "In dem Moment habe ich mich wirklich gefragt: Warum ist sie eigentlich meine Freundin?" Erst Jahre später, nachdem der Kater der Freundin gestorben war, habe sich die Freundin bei ihr entschuldigt. "Sie konnte meine Trauer erst nachempfinden, als ihre alte Katze gestorben war."
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Oft seien die Ratschläge, sich einfach ein neues Tier anzuschaffen, gar nicht böse gemeint, glaubt Exslager. Aber der geliebte Vierbeiner lässt sich eben nicht so einfach durch ein neues Tier ersetzen. "Ich empfehle immer zu warten und die Situation erst einmal richtig zu akzeptieren", sagt Exslager. Irgendwann merke man von allein, ob man wieder bereit für ein neues Tier sei.
Menschen, die kein Verständnis für den Schmerz beim Tod eines Tieres aufbringen können, sollte man in der ersten Zeit der Trauer lieber meiden, raten beide Experten. Stattdessen sollte man sich mit Menschen umgeben, die dafür ein offenes Ohr haben und einem in dieser Situation Halt geben.
Hat die Freundin oder der Kollege mit dem Verlust eines Vierbeiners zu kämpfen, rät Hurtig, einfach zuzuhören und zu versuchen, den Schmerz zu verstehen. "Signalisieren Sie: Ich sehe, wie schlecht es dir geht, und das tut mir so leid. Was kann ich für dich tun?" Auf keinen Fall sollten Angehörige zu vermeintlich tröstenden Sprüchen greifen wie "Das wird schon wieder" oder eigene Geschichten von verstorbenen Haustieren erzählen. "Bleiben Sie bei der Trauer des anderen", rät Hurtig. "Nehmen Sie seine Trauer ernst."
Wie geht man mit der Trauer um das Haustier um?
Ist der Tod absehbar oder rät die Tierärztin oder der Tierarzt zum Einschläfern, empfiehlt Exslager, keine Verbote mehr auszusprechen. "Vielen hilft es beim Abschiednehmen, noch einen letzten schönen Tag mit ihrem Tier zu verbringen", sagt der Tierbestatter. Wenn der Hund immer streng auf Diät war und niemals aufs Sofa durfte, dann darf es heute auch mal das Leberwurstbrot vom Tisch sein und danach vielleicht ein Nickerchen auf der Couch.
Ist das Unausweichliche eingetreten, sei es wichtig, die Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern der Trauer Raum und Zeit zu geben, betonen beide Experten. Vielen helfe es, Erinnerungen zu schaffen – sei es in Form einer Grabstelle, eines Gedenkplatzes, Bildern in der Wohnung oder eines mit Asche gefüllten Amuletts, das man stets bei sich trägt.
Exslager rät außerdem, den gewohnten Alltag nach dem Tod des Tieres zunächst beizubehalten. "Viele wissen mit der freigewordenen Zeit nichts anzufangen." Wer zum Beispiel dreimal am Tag mit dem Hund eine Runde gelaufen ist, kann diesen Rhythmus vorerst weiterhin pflegen – ohne Hund. Weiter zu festen Zeiten spazieren zu gehen, kann die entstandene Leere erst einmal füllen. "Das hilft vielen, aber eben auch nicht allen", sagt Exslager.
Denn manchmal braucht es auch Abstand. Wenn man sich in der leeren Wohnung ständig Pfotentapser auf dem Parkett einbildet oder die Katze eingekringelt auf dem Sofa erwartet, lässt einen das nicht zur Ruhe kommen. Alles in den eigenen vier Wänden erinnert an das geliebte Tier. "Viele glauben dann, sie werden verrückt. Aber nein, sie werden nicht verrückt – das gehört alles zur Trauer", sagt Hurtig.
Je größer die Liebe, desto größer der Schmerz
Es sei in Ordnung, wenn man aus der Situation flüchten oder sich von der Trauer ablenken möchte. "Geben Sie sich in der Trauer auch Pausen zum Verschnaufen. Dann zieht man vielleicht drei, vier Tage zur Freundin, bis man wieder einigermaßen bei Verstand ist", sagt Hurtig. Aber ein Patentrezept für die Trauer gebe es einfach nicht, das betont auch Exslager. "Was in dem Moment tatsächlich hilft, muss jeder für sich herausfinden."
Kürzlich habe ihn eine aufgelöste Tierbesitzerin kontaktiert, erzählt Exslager. Am nächsten Morgen um 8:30 Uhr sollte ihr Tier eingeschläfert werden. "Sie fragte mich am Telefon: 'Wann hört dieser Schmerz auf?'" Eine Frage, die dem Tierbestatter und der Trauerbegleiterin häufig gestellt wird – und auf die sie doch keine konkrete Antwort geben können. Trauer empfindet und gestaltet sich bei jedem Menschen anders und auch die Beziehung zum Tier spielt bei der Trauer eine entscheidende Rolle.
In einer Studie aus den USA zeigten über 85 Prozent der befragten Tierbesitzerinnen und -besitzer unmittelbar nach dem Tod ihres Haustieres mindestens eines von mehreren Trauersymptomen. Nach einem halben Jahr waren die Symptome noch bei rund 35 Prozent vorhanden, nach zwölf Monaten bei noch etwas mehr als 22 Prozent.
Wie groß die Trauer ist und wie lange sie anhält, hängt demnach davon ab, wie eng die emotionale Bindung an das verstorbene Haustier empfunden wurde. "Je größer die Liebe, desto größer der Schmerz", fasst Hurtig die Ergebnisse zusammen.
Doch egal, wie viel Zeit es braucht: Irgendwann lässt der Schmerz nach. "Es klingt abgedroschen, aber Zeit heilt tatsächlich Wunden", sagt Exslager. Es könne auch nach Monaten und Jahren immer wieder Tage geben, an denen der Verlust wieder sehr präsent ist – aber die Abstände würden länger. "Irgendwann lässt die Trauer nach", sagt Hurtig, "aber die Liebe bleibt."
Über die Gesprächspartner
- Jannis Exslager ist Inhaber der Tierbestattung Sternenspuren und bietet neben der Bestattung von Haustieren auch Trauerbegleitung an. Bevor er zur Tierbestattung wechselte, war er im Bestattungswesen für Menschen tätig.
- Jutta Hurtig ist systemische Coachin und unterstützt Menschen in schwierigen Lebensphasen und bei persönlichen Herausforderungen. Dazu zählt auch ihre Tätigkeit als Trauerbegleiterin – sowohl beim Verlust eines Menschen als auch dem eines geliebten Tieres.
Verwendete Quellen
- Telefoninterview mit Tierbestatter Jannis Exlager
- Telefoninterview mit Trauerbegleiterin Jutta Hurtig
- tieraerzteverband.de: Wenn es heißt, Abschied zu nehmen: Über den sanften Tod und seine emotionale Bewältigung
- journals.sagepub.com: Grieving Pet Death: Normative, Gender, and Attachment Issues
- BMC Geriatrics: Older women’s expe-riences of companion animal death: impacts on well-being and aging-in-place
- link.springer.com: The mental health effects of pet death during childhood: is it better to have loved and lost than never to have loved at all?
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