Großer Auftritt auf kleinstem Raum: Eine winzige Schmetterlingsraupe verteidigt ihr Revier auf einem Birkenblatt mit Trommeln, Vibrieren und Scharren – und zeigt damit, dass Territorialverhalten nicht nur großen Tieren vorbehalten ist.

Mehr zum Thema Tiere

Kaum zu sehen, aber voller Besitzansprüche: Eine winzige Schmetterlingsraupe verteidigt ihr Revier nicht weniger engagiert als große Raubtiere das tun, wie ein Forschungsteam berichtet. Sie schlägt lautstark gegen Blattwerk, kratzt und vibriert entrüstet. Das große Engagement gilt einem äußerst kleinen Revier: Es umfasst nur die Spitze eines Birkenblattes, wie das Team im "Journal of Experimental Biology" erklärt.

Der nordamerikanische Nachtfalter Falcaria bilineata legt seine Eier auf Zweigen und Blättern von Birken ab. Schlüpfen die nur einen halben bis zwei Millimeter langen Raupen, krabbeln sie auf die Spitzen nahegelegener Blätter. In der Vergangenheit war beobachtet worden, dass die Minis dort regelmäßig vibrieren - vermutet wurde, dass damit Rivalen verschreckt werden sollen. Sehen können die Minis nämlich nicht sonderlich gut, wie erläutert wird.

Insektenwinzling mit Besitzanspruch

Forschende um Jayne Yack von der Carleton University testeten nun im Labor, ob es sich dabei tatsächlich um Territorialverhalten handelt. Sie setzten 18 Mal jeweils eine weitere Raupe der Art in ein Revier und beobachteten, was passiert. Und das war eine ganze Menge: Der ursprüngliche Bewohner der Blattspitze machte Krach, indem er gegen das Blatt trommelte, zappelte, scharrte und mit einer Frequenz von 25 Bewegungen pro Minute vibrierte. Zu Beißereien oder Schubsereien kam es in all der Aufruhr nicht.

Mini-Raupe verteidigt Mini-Revier
Die Grafik oben links im Bild zeigt die regelmäßigen Klopf- und Scharrtönen der Raupe. © dpa / -/Leo Turchen/dpa

Meist mache das Getöse ausreichend Eindruck, berichten die Forschenden: Die tobenden Raupen behielten in rund 70 Prozent der Testläufe mit klarem Sieger - das waren 10 von 14 - ihr Revier. In vier Fällen war am Ende der berücksichtigten Zeit keine der beiden Raupen mehr auf der Blattspitze.

Und was, wenn der Neuzugang den Diskurs um die wunderschöne Blattspitze doch gewann? Sobald es zu körperlichem Kontakt kam, habe sich der ursprüngliche Bewohner oft auf eine waghalsige Flucht begeben und sei an einem Seidenfaden vom Blatt gesprungen, erläutern die Biologen. Niemals teilten zwei Raupen am Ende ein Territorium.

Weitere Beispiele? Wahrscheinlich schlichtweg übersehen

Die winzige Nachtfalter-Raupe gehört demnach zu den kleinsten Tieren, bei denen jemals Revierverteidigung beobachtet wurde. Große Tiere können Reviere von hunderten Quadratkilometern Größe haben - die mit allerlei Markierungen oder Gebrüll, aber auch ausufernder körperlicher Gewalt gegen Rivalen verteidigt werden.

Ähnliche Fallberichte zur Territorialverteidigung kleiner Insekten gibt es den Biologen um Yack zufolge vermutlich aus einem ganz bestimmten Grund bisher nicht: Das Geschehen wurde schlichtweg übersehen. Ob die Nachtfalter- Raupen mit ihrem Verhalten womöglich das Gangmuster typischer Fressfeinde wie Spinnen nachahmen, sollen weitere Analysen zeigen. (dpa/bearbeitet von skr)