Schleiereulen sind weltweit verbreitet. Auch wenn es sie in verschiedenen Farbvarianten gibt, haben sie eines gemeinsam: Ihre Beute sieht lediglich einen weißen Fleck auf sich zukommen. Doch ist das in der Nacht nicht sogar kontraproduktiv? Ein Ornithologe erklärt, was dahintersteckt.

Mehr zum Thema Tiere

Hellbraun, gelblich bis graues Gefieder und ein herzförmiges, weißes Gesicht sind typisch für die Schleiereule. Was sie auch zu etwas Besonderem macht: Fliegt sie, sieht man von unten fast ausschließlich Weiß.

Wie passt das zusammen, da sie nachts jagt und andere Tiere es doch perfektioniert haben, sich gut getarnt an ihre Beute anzupirschen?

Lesen Sie auch

  • Der König der Lüfte verbreitet Panik – bringt aber nicht jedes Mal den Tod
  • Der Kleiber: Kletterkünstler und Baumeister des Waldes

Schleiereule agiert wie ein Gespenst

Alexandre Rulin
Alexandre Rulin mit einem Schleiereulen-Küken. © Eric Déroze

Alexandre Roulin erforscht Schleiereulen seit mehr als 30 Jahren. Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet er, dass die Schleiereule das einzige nachtaktive Raubtier sei, das weiß ist.

"Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, in der Dunkelheit weiß zu sein, da man leicht entdeckt werden könnte", sagt er. Doch genau das macht sich die Eule zunutze. "Das weiße Gefieder nutzt das Mondlicht, das auf den Federn reflektiert wird, um die Beute – meist Wühlmäuse – zu erschrecken."

Die Schleiereule wirke wie ein Gespenst. "Sobald die Beute ein sich näherndes, weißes Objekt wahrnimmt, gerät sie in Panik und erstarrt", erklärt Roulin. So gewinne die Eule wertvolle Zeit, um zuzuschlagen. "Diese überraschende Strategie erscheint zwar kontraintuitiv, denn man würde erwarten, dass die Tiere sich tarnen, doch genau das Gegenteil ist der Fall – sie setzen auf Sichtbarkeit, um ihre Beute zu fangen."

Genau dieser Fakt könnte laut dem Forscher auch erklären, weshalb die Schleiereule weltweit so verbreitet ist. Denn: "Wenn alle Raubtiere weiß wären, würden die Beutetiere irgendwie davon erfahren. Aber da dies selten ist, jagen Schleiereulen weiterhin erfolgreich."

Was jagt die Schleiereule?

  • Zur Beute der Schleiereule zählen hauptsächlich Kleinsäuger wie Wühl- oder Spitzmäuse. Ab und an stürzen sie sich auch auf kleinere Vögel. Gefressen wird dann am Brutplatz, wo die Beute auch mal gelagert wird.

Nicht nur Jagdstrategie, auch Verhalten der Küken ist einzigartig

Roulin erforscht auch das Sozialverhalten der Vögel – und hat dabei eine interessante Entdeckung gemacht. Die Küken streiten sich nicht um die Mahlzeiten, die ihnen ihre Eltern bringen. "Normalerweise kämpfen Tiere darum. Aber die Küken verhandeln darüber, wer die Beute bekommt." Im Vergleich zu den meisten anderen Vögeln, die bislang erforscht wurden, sei das "ziemlich ungewöhnlich".

Über den Gesprächspartner

  • Alexandre Roulin ist Biologieprofessor an der Université de Lausanne. Der Schweizer forscht seit über 30 Jahren auf dem Gebiet der Schleiereulenökologie, bevorzugt zu Themen wie Farbvariationen und Zusammenarbeit unter Geschwistern. Seit 2009 ist er an dem Projekt "Owls for Peace" beteiligt, das den Einsatz von Schleiereulen zur natürlichen Schädlingsbekämpfung fördert und die Zusammenarbeit zwischen verfeindeten Gemeinschaften im Nahen Osten fördert.

Redaktioneller Hinweis

  • Das Interview wurde im Rahmen der DLD Munich 2025 auf Englisch geführt und anschließend übersetzt.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.