Sie missionieren meistens an der Haustür oder in Fußgängerzonen, werden oft belächelt oder missachtet: Die Zeugen Jehovas. Wie tickt die relativ junge Glaubensgemeinschaft und was treibt ihre Jünger an?

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Missionieren, missionieren, missionieren – es scheint so, als würden die Zeugen Jehovas den ganzen Tag nichts anderes machen, als von Haustür zu Haustür zu ziehen und die Menschen von Ihrem Glauben zu überzeugen. Auch wenn deutschlandweit lediglich 165.000 Mitglieder dieser Kirche angehören, kam bestimmt schon jeder des Öfteren mit ihnen in Kontakt.

Doch woran glauben die weltweit acht Millionen Zeugen Jehovas, die erst seit 1931 auf diesen Namen hören? Die Anhänger sind überzeugt von der Auferstehung. Ihre Erlösungslehre besagt, dass ein erlesener Kreis von 144.000 Angehörigen nach dem Tod neben Jesus Christus im Himmel eine königliche Regierung führen darf. Die übrigen Glaubensbrüder erlangen immerhin ewiges Leben unter paradiesischen Zuständen auf der Erde.

Glauben ist alles

Die Auferstehung ist einer der Punkte, die sie mit den übrigen Christen teilen. Aber Weihnachten und andere christliche Festtage begehen sie nicht. Sie feiern aus Prinzip keine Geburtstage und lehnen Bluttransfusionen ab. Letzteres Verhalten ist auf Bibelstellen in der "Neue Welt"-Übersetzung der Heiligen Schrift zurückzuführen, in denen es heißt: Die, die das Blut anderer genießen, sollen ausgetilgt werden. Denn allein der Schöpfer dürfe demnach über Blut bestimmen, nicht der Mensch.

Wer selbst ein Zeuge Jehovas sein möchte, muss sich an gewisse Regeln der Religionsgemeinschaft halten. Hier gilt: Nachdruck durch Wiederholung. Wie sich ein Zeuge gewissenhaft verhält und nach den Richtlinien des Schöpfers lebt, wird in jeder Veranstaltung, in den jährlichen Kongressen und jedem Gottesdienst aufs Neue betont. Du sollst nicht flirten, du sollst keine Pornografie konsumieren, du sollst keine dich negativ beeinflussende Musik hören, du sollst eine klar formulierte Sprache verwenden.

Im Idealfall knüpfen Zeugen nur untereinander Beziehungen, heiraten, bekommen Kinder. Neben Job und Familienleben heißt es dann, sich 18 bis 20 Stunden pro Woche den Interessen des Königreichs zu widmen, wie die Aussteigerin Barbara Kohout in der WDR-Sendung "Planet Wissen" verriet. Andere Quellen sprechen von bis zu 20 Stunden pro Monat.

Die Haustür als Werbe-Kanzel

Von Tür zu Tür gehen oder auf der Straße Menschen ansprechen und sie für die Zeugen Jehovas begeistern, damit sie nicht zu den sieben Milliarden Menschen gehören, die von der Erde ausgelöscht werden – das ist der große Auftrag der Mitglieder. Der "Wachturm" und "Erwachet!" sind die beiden bekannten Zeitschriften, mit denen man den Schöpfer besser verstehen lernen soll. Diese bibel-erklärenden Schriften werden gemeinsam mit jeder Menge digitaler Inhalte in insgesamt 750 Sprachen veröffentlicht und unters Volk gebracht.

Dass ihnen die meisten Haustüren auf ihrem Weg verschlossen bleiben, stört die Glaubensanhänger nicht. Sie versuchen es einfach immer und immer wieder, denn auch wenn sich von den Angesprochenen nur einer auf ein Gespräch einlässt, ist dies bereits als Erfolg zu verbuchen.

Diese sind für die Zeugen Jehovas wichtig: Alle Tätigkeiten für die Gemeinschaft werden in einem monatlichen Berichtszettel festgehalten, der zweimal im Jahr vom Kreisaufseher begutachtet wird. Er ist es, der dann beurteilt, ob ein Verkünder gute oder schlechte Arbeit im Dienste der Zeugen geleistet hat.

Doch was ist es, was die Glaubensgemeinschaft so umstritten macht? Der wichtigste Kritikpunkt ist der Ausstieg. Der läuft selten problemlos ab und führt meist zur Isolation der Aussteiger. Ihnen wird der Kontakt zu anderen Mitgliedern untersagt – es sei denn, sie leben mit ihnen im selben Haushalt, so dürfen sie weiterhin geduldet werden. Ansonsten ist die Glaubensgemeinschaft rigoros: Wer den Kontakt zu einem Ausgestoßenen weiter pflegt, gefährdet der Lehre zufolge sein eigenes Seelenheil.

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