Fragwürdige Wortkreationen und bewusst in Kauf genommene Fehler dienen Werbern dazu, Aufmerksamkeit zu generieren. Leidet unsere Sprache darunter? Ein Werbeprofi und ein Sprachwissenschaftler sagen: nein.
Werbung will verkaufen. Sie muss daher auffallen. Das kann über spektakuläre Bilder oder über Wortkreationen gelingen, die Zuschauern und Lesern oft ein Schmunzeln entlocken. Nicht selten aber schießen die Kreativen in den Werbeagenturen übers Ziel hinaus und versuchen mit krampfhaft kreierten Wortneuschöpfungen in die Köpfe der potenziellen Kunden vorzudringen. Grammatik- und Rechtschreibfehler werden da teils zum Markenzeichen. Was gefällt und was nicht, bleibt dem subjektiven Empfinden überlassen.
Ob Werbeslogans, die die Sprache verfälschen, Auswirkungen auf die ohnehin vorhandene Leseschwäche der österreichischen Schülerinnen und Schüler haben, beantwortet Bildungsexperte Günter Haider knapp: "Dazu gibt es keine Studien." Haider gilt als "Mr. Pisa": Er war als in seiner Zeit als Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung (Bifie) in Österreich zuständig für den Bildungstest.
Flügel bekommen ein V
Beispiele, was die Werbesprache so hervorzaubert, gibt es zahlreiche. Flügel schreibt man schon seit einiger Zeit mit V, sofern man dem Slogan eines Bankinstituts glaubt. Ein Lebensmittelhändler empfiehlt, als Lehrling eine "Billabuchkarriere" zu starten. Ein Elektromarkt wirbt zu Ostern mit "scharfen Prei-Ei-Eisen". Ein Fahrradgeschäft spricht sich "gegen Radlosigkeit" aus, und ein Baumarkt wirbt mit "Früh-ja zum Frühjahr".
Als grammatikalisch zumindest etwas eigensinnig gelten manche Werbespots aus Deutschland. Von "Da werden Sie geholfen", über "Das König der Biere" bis hin zu "Deutschlands meiste Kreditkarte" reichen die mehr oder weniger geistreichen Schöpfungen.
Spielerischer Umgang mit Sprache
Florian Menz, Leiter des Instituts für Sprachwissenschaft an der Universität Wien, hält den spielerischen Umgang mit Sprache in der Werbung für unproblematisch. "Die Grammatik- oder Rechtschreibfehler können ja nur dann als solche erkannt werden, wenn man auch die Norm kennt. Für die meisten ist durchschaubar, was da gespielt wird, das hat nichts mit Sprachverhunzung oder Sprachentwertung zu tun", sagt er.
Wenn bei Schülern Verwirrung herrscht, sollten die Lehrer die Fälle thematisieren: "Man muss das Buchstaben- oder Sprachspiel mit den Kindern auflösen. Aber es gibt keinen linguistischen Grund, eine solche Werbung nicht zu machen", urteilt Menz. "Denn dann müsste man diverse Speisekarten in Restaurants, Aufschriften auf Märkten oder Zeitungstexte ebenfalls verbieten, die ja vor Rechtschreib- oder Flüchtigkeitsfehlern strotzen."
Rechtschreibkrise ist nicht in Sicht
"Ein guter Slogan muss hängen bleiben, das ist das Hauptziel", sagt Alistair Thompson, Creative Director der österreichischen Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann (DM&B). Die Agentur hat unter anderem den Slogan "Mit V wie Flügel" erfunden. Auf die Frage, ob dieser für Schüler oder Migranten nicht verwirrend sei, meint Thompson: "Diesbezüglich vertraue ich doch auf die Qualität unseres Bildungssystems, das diese Problematik eigentlich entschärfen müsste. Ich denke nicht, dass wir mit diversen starken Sagern eine Macht entwickeln, die ein ganzes Land in eine Rechtschreibkrise stürzt."
Zwar sorge der genannte Slogan im ersten Moment für Verwirrung, "aber im zweiten Moment steckt viel dahinter. Auch die Marketingbotschaft, dass das Unternehmen ihre Kunden beflügelt", erklärt Thompson. Es führt seiner Meinung nach zu keinen Problemen, wenn Wortspiele erfunden oder bewusst Fehler inszeniert werden, "um einen Kunden glänzen und strahlen zu lassen und um ihm Aufmerksamkeit zu bringen".
Thompson zufolge ist in der Werbung zwischen Kalauern, also Wortspielen, und bewusst in Kauf genommenen Fehlern zu unterscheiden. Was den Bankenspot betrifft, gab es überwiegend positives Feedback. "Aber überall wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Rechtschreib-Hardliner haben sich natürlich über den Spot aufgeregt", sagt Alistair Thompson. Dass man sich aufgrund der Werbung Sorgen um das österreichische Sprachgut machen muss, ist seiner Meinung nach nicht vonnöten. Oder von Nöten?
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