Weihnachten steht für die Liebe und das Mitgefühl - und Ostern? Pfarrer Tim Lahr spricht im Interview darüber, was die Auferstehung Jesu Christi mit unserem alltäglichen Leben zu tun hat.

Ein Interview

An Ostern geht es um die Auferstehung Jesu Christi. Doch welche Botschaft steckt dahinter, was bedeutet das für den eigenen Alltag? Diese Frage hat sich auch Tim Lahr als Teenager in der Kirche gestellt.

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Die Sprache der Kirche habe er damals nicht zu 100 Prozent verstanden, sagt er. Heute ist Lahr selbst Pfarrer – und nicht nur in seinen Gottesdiensten, sondern auch in seinen TikTok-Videos versucht er, den Menschen Gott modern und in verständlicher Weise näherzubringen.

Im Interview spricht er über das, was viele Menschen seiner Ansicht nach an Ostern vergessen, die kleinen Tode im Alltag und warum Gott besonders den Außenseitern nahesteht.

Wenn Weihnachten für die Liebe steht, wofür steht dann Ostern?

Pfarrer Tim Lahr.

Tim Lahr: Die Kernbotschaft ist, dass das Leben stärker ist als der Tod und es immer wieder Hoffnung gibt. Gott macht lebendig, er kann Menschen wieder von den Toten wecken – Jesus ist ja am dritten Tag von den Toten auferstanden. Und Auferstehung ist auch im täglichen Leben möglich. Manchmal fühlt es sich auch hier nicht lebendig an, manchmal stirbt man auch kleine Tode im Alltag.

Wie meinen Sie das?

Ich bin Pfarrer in der queeren Kirche in Köln. Im Ostergottesdienst wird es darum gehen, dass oft ein Teil der Identität, die man gelebt hat, stirbt und dafür ein neuer Weg beginnt. Bei Transpersonen könnte das die Transition sein. Ich denke, das kennen aber auch alle anderen: Wenn man etwa eine Krankheit überstanden hat oder man nicht weiß, wie es weitergeht und sich dann eine neue Tür auftut. Man wird ein neuer Mensch und beginnt ein neues Leben.

"Jesus geht zu den Menschen am Rande der Gesellschaft und wird dafür von der Masse gekreuzigt. Er steht für die Botschaft der Liebe ein und stirbt für sie."

Pfarrer Tim Lahr

Hat Ostern vielleicht auch eine Bedeutung, an die man nicht sofort denkt?

Für mich persönlich hat Ostern auch eine politische Botschaft. Jesus stirbt ja nicht, weil er lebenssatt und alt ist. Er geht zu den Menschen am Rande der Gesellschaft und wird dafür von der Masse gekreuzigt. Jesus steht für die Botschaft der Liebe ein und stirbt für sie. Und das belohnt Gott, indem er ihn von den Toten auferweckt.

Eine schöne Sichtweise, die vielleicht nicht alle in der Kirche teilen ...

Gerade in evangelikalen konservativen Kreisen wird die Auferstehung eher als Dogma gesehen: Entweder du glaubst an die wahrhaftige Auferstehung oder nicht – entweder du bist wirklich gläubig oder nicht. Aber diese Frage dient im Grunde genommen nur dazu, Leute aus dem Kreis des Christentums auszuschließen.

Ich sage diesen typischen Satz auch in der Kirche: Er ist wahrhaftig auferstanden. Dieser Satz wird in evangelikalen Kreisen aber oft missbraucht, um Menschen aufzuzeigen, du bist kein wahrer Christ.

Also würden Sie sagen, ich kann auch christlich sein, wenn ich nicht an eine tatsächliche Auferstehung glaube?

Das ist gar nicht die entscheidende Frage. Niemand war dabei, als Jesus auferstanden ist, wir wissen es also nicht. Es ist also eh eine Frage des Glaubens, nicht des Wissens, ob Jesus auferstanden ist. Und für mich ist der tiefergehende Glaube der, der dahintersteckt – dass das Leben stärker ist als der Tod. Das ist der entscheidende Satz, den vielleicht auch viel mehr Leute unterschreiben könnten, als dass Jesus wahrhaftig auferstanden ist.

"In meinem tiefsten Herzen glaube ich daran, dass Gott gut ist. Aber es gibt Erfahrungen in meinem Leben, die das schon auch manchmal infrage stellen lassen, weil Menschen so viel Leid erleben."

Pfarrer Tim Lahr

Glauben Sie als Pfarrer an ein ewiges Leben oder sehen Sie das auch als Bildnis?

Ja, ich glaube daran, dass es etwas gibt nach dem Tod. Wie das aussehen wird und was da passiert, das kann ich nicht sagen. Ich bin ein Fragender, ein gläubiger Mensch mit Fehlern, Macken und Zweifeln. Ich glaube auch nicht jeden Tag zu 100 Prozent daran, natürlich gibt es auch Momente, die mich daran zweifeln lassen. Es ist wie der Satz "Gott ist gut": In meinem tiefsten Herzen glaube ich daran, dass Gott gut ist und dass Gott Gutes für die Menschen will. Aber es gibt Erfahrungen in meinem Leben, die das schon auch manchmal infrage stellen lassen, weil Menschen so viel Leid erleben.

Wie gehen Sie damit um?

Auch in der Bibel erleben die Menschen Leid, auch Jesus landet am Kreuz. Wenn die Geschichte hier enden würde und es Ostern nicht gäbe, dann würde man vielleicht auch fragen, ist Gott überhaupt gut? Dann hätte die Geschichte kein Happy End.

Auch die Bibel erzählt von Menschen, die nicht immer gläubig sind, sondern vor Gott wegrennen, an ihm zweifeln oder sagen: "Gott, das, was du mir hier gerade sagst, ist der größte Mist." Zweifel gehören dazu. Wenn man diesen Gefühlen keinen Raum gibt, ist das nur ein halber Glaube.

Über den Gesprächspartner

  • Tim Lahr ist Pfarrer der evangelischen St. Johannes-Kirche in Köln-Deutz. Außerdem spricht er auf Social Media über Gott und die Welt.