Die Bezeichnung Hypochonder wird im Alltag meist abfällig oder scherzhaft verwendet. Doch jemand, der eine irrationale Angst vor Krankheiten hat, wird diese selten ohne professionelle Hilfe wieder los. Angehörige sollten Betroffene ernst nehmen und sie zu einer Therapie motivieren. Denn Krankheitsangst ist gut behandelbar.

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Wer immer wieder davon erzählt, dass er eine ernste Erkrankung habe, während Ärzte nichts feststellen können, wird oft irgendwann von seinem Umfeld nicht mehr ernst genommen. Dabei brauchen Menschen, die unter Hypochondrie oder Krankheitsangst leiden, tatsächlich Hilfe.

Weil die Bezeichnungen Hypochonder oder Hypochondrie inzwischen stigmatisierend gebraucht werden, sprechen Mediziner heute stattdessen von Krankheitsangst. Definiert wird diese als die Überzeugung, an einer schweren Krankheit zu leiden, ohne dass medizinische Befunde dafür sprechen.

Doch erst wenn diese Sorge so ausgeprägt ist, dass sie den Alltag der Betroffenen beeinträchtigt, wird sie als psychische Störung eingeordnet.

Wie entsteht Krankheitsangst?

Ausgelöst werde Krankheitsangst häufig durch einschneidende Erlebnisse mit schweren Erkrankungen, sagt Psychologin Dr. Anna Pohl von der Universität Köln. "Wer beispielsweise erlebt, dass Angehörige an ALS oder Multipler Sklerose erkranken oder plötzlich sterben, kann das gedankliche Konzept entwickeln: Wenn ich etwas habe, kann das existenziell bedrohlich sein."

Eine Rolle spielt es auch, wie im nahen Umfeld mit dem Thema Krankheit umgegangen wird. Wenn sich beispielsweise die eigenen Eltern bei Erkrankungen immer große Sorgen machen und jedem Symptom große Bedeutung beimessen, übernimmt man das häufig.

"Man findet immer Zusammenhänge in der Biografie", sagt Pohl. Es könnten auch ganz andere Motive zu Krankheitsangst führen. "Jemand kann auch die Erfahrung gemacht haben, dass ein Elternteil die Familie verlassen hat.

Wenn diese Person dadurch die starke Einstellung entwickelt, sich anders zu verhalten und unbedingt für ihre eigenen Kinder da sein zu wollen, kann sie Angst vor Erkrankungen entwickeln, weil Erkrankungen bedeuten könnten, diesen Anspruch nicht erfüllen zu können."

Betroffene ernst nehmen

Menschen, die an Krankheitsangst leiden, sind nicht übertrieben wehleidig und auch keine Wichtigtuer, die nur Aufmerksamkeit erzeugen wollen. Oft stehen tatsächliche Körperempfindungen hinter ihren Befürchtungen und Sorgen. Manchmal sind es harmlose Symptome, die durch die belastete Biografie falsch interpretiert werden.

In anderen Fällen erzeugt der Angstzustand Verspannungen, einen erhöhten Blutdruck oder die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, die wiederum als Bestätigung der befürchteten Erkrankung gesehen werden.

"Das bedeutet nicht, dass sich jemand absichtlich in etwas reinsteigert", betont Pohl. Es sei vielmehr ein Teufelskreis, aus dem sich Menschen schwer allein befreien könnten. Dabei ist Krankheitsangst gut behandelbar.

In der Praxis werden nach einer ausführlichen Diagnostik die psychologischen Muster aufgespürt, die bei den Betroffenen aktiv sind. Danach kann ihnen geholfen werden, anders zu denken und auf eine andere Art und Weise Aufmerksamkeit auf ihren Körper zu lenken.

"Man übt beispielsweise, bestimmte Dinge nicht mehr zu machen, die kurzfristig Erleichterung versprechen, aber langfristig die Angst verstärken", erklärt Pohl. Dazu zählen der Psychologin zufolge die vielen Arztbesuche. Bei Krankheitsangst würde ein negativer Befund nur kurzfristig helfen, denn schnell würde sich die Befürchtung einstellen, dass die Ärzte vielleicht etwas übersehen haben.

Wie sollten sich Angehörige verhalten?

Einem Menschen, der unter Krankheitsangst leidet, zu sagen, dass er sich seine Beschwerden nur einbilde, ist nicht hilfreich. Sie erleben selbst, dass sie Symptome haben und fühlen sich noch hilfloser, wenn ihnen kein Glauben geschenkt wird. Eine solche Konfrontation motiviert auch nicht dazu, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Pohl rät dazu, eher davon zu reden, wie die Krankheitsangst den gemeinsamen Alltag beeinflusst, ohne dem Betroffenen abzusprechen, dass er tatsächliche Beschwerden hat. Wie viel Zeit verbringt man damit, sich über Krankheiten zu informieren, inwieweit belasten die Befürchtungen des Betroffenen auch die Beziehung oder die Familie?

Wenn man solche Fragen wohlwollend ansprechen könne, würde das eher dazu führen, dass die Betroffenen motiviert würden, etwas gegen die Angst zu unternehmen und psychologische Hilfe wahrzunehmen.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Anna Pohl, Dipl.-Psych., von der Fakultät für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Köln
  • Techniker Krankenkasse: "Was ist Hypochondrie?"
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