Was passiert, wenn Schüler selbstständig entscheiden können, wann sie zum Unterricht kommen? Dieser Frage sind Forscher aus München nachgegangen - mit einem überraschenden Ergebnis: Die Jugendlichen schliefen nur unwesentlich länger und kamen häufiger um acht Uhr zum Unterricht, als die Wissenschaftler angenommen hatten.
Tag für Tag müssen Jugendlichen um acht Uhr in der Schule sein. Dadurch bekommen sie permanent zu wenig Schlaf, worunter ihre Konzentrationsfähigkeit leidet. Studien zufolge erhöhen sich durch den chronischen Schlafmangel unter anderem die Risiken für Depressionen, Adipositas und Diabetes.
Doch was würde passieren, wenn die Schule später anfangen würde? Oder die Schüler sogar selbst entscheiden könnten, ob sie zur ersten oder zweiten Stunde erscheinen? Dieser Frage sind die Münchner Chronobiologen um Eva Winnebeck und Till Roenneberg der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) nachgegangen. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin "Sleep" vorgestellt.
Flexibles Modell nach US-amerikanischer Idee
Am Gymnasium Alsdorf in der Nähe von Aachen wurde ein flexibles Modell eingeführt. Die Schüler der Oberstufe können entscheiden, ob sie zur ersten oder zur zweiten Schulstunde erscheinen. Das ist möglich, weil die Schule nach dem US-amerikanischen "Dalton-Plan" arbeitet.
Die Schüler müssen sich dabei in längeren Projektphasen Teile des Stoffs selbst erarbeiten. Jede Woche sind dafür zehn Stunden vorgesehen, die Hälfte davon fällt auf die erste Schulstunde. Erscheinen die Schüler nicht, müssen sie den Stoff in ihren Freistunden oder nach dem Unterricht nachholen.
Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Studien auf drei Oberstufen-Jahrgänge. Sie begleiteten die Schüler drei Wochen vor und sechs Wochen nach der Einführung des Modells. Die Jugendlichen sollten jeden Tag Schlafprotokolle führen und einige von ihnen wurden mit Aktivitäts-Trackern ausgestattet. Am Ende der Studie sollten sie über ihr Schlafverhalten, ihr Wohlbefinden und ihre Konzentrationsfähigkeit im Unterricht und beim Lernen sprechen.
Schüler sind mit flexiblem Modell zufrieden
Es stellte sich heraus, dass die Schüler die Möglichkeit, später zum Unterricht zu erscheinen, nicht so exzessiv ausnutzten, wie die Wissenschaftler zunächst gedacht hatten. Sie seien davon verblüfft gewesen, berichtet Winnebeck. Durchschnittlich kamen sie zwei Mal in der Woche zur zweiten Schulstunde.
An diesen Tagen schliefen sie fast eine Stunde länger. Im Vergleich zum starren Modell verlängerte sich die Schlafzeit insgesamt allerdings nur unwesentlich. Zufrieden waren die Schüler dennoch. Sie gaben an, besser zu schlafen und sich in der Schule auch besser konzentrieren zu können.
"Vielleicht reicht schon die Möglichkeit, frei entscheiden zu können und nicht dem Diktat des Weckers ausgeliefert zu sein, um viele Knoten zu lösen", sagt Winnebeck. "Flexible Systeme stellen eine tragfähige Alternative dar, wenn man den Schlaf von Jugendlichen verbessern will." (ff)
Verwendete Quellen:
- Sleep: "Later school start times in a flexible system improve teenage sleep"
- Idw: "Unterrichtsbeginn - Wir kommen dann mal später"
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