Werden die einen früh alt? Oder lernen es die anderen einfach nie? Eine Psychologin erklärt, wieso man sich in einer gewissen Zeit des Lebens mal unglaublich alt und dann wieder sehr jung fühlen kann - und ob das zum Problem werden kann.
Die Jahre zwischen 20 und 40 sind ein bisschen wie ein magnetisches Kraftfeld. Sie sind mit jeder Menge Spannung geladen. Und: Sie scheinen zwei Pole zu haben, die in diesem Feld unterschiedlich stark anzuziehen scheinen: "steinalter Teenie" vs. "junger Boomer".
Während die einen das perfekte Vorstadtleben inklusive Hochzeit, Kind, Hund und Mähroboter führen, geistern die anderen gegen 9 Uhr morgens mit Glitzer im Gesicht und schmerzender Hüfte vom letzten Rave nach Hause. Doch wieso ist das eigentlich so?
Maria Pavlova setzt sich in ihrer Forschung mit gesellschaftlichen Erwartungen an das Altern auseinander und kennt sich als Entwicklungspsychologin mit verschiedenen Lebensphasen aus. "Zwischen 20 und 40 befinden sich viele Menschen in einer Übergangsphase, in der man sich zum Erwachsenen entwickelt", sagt sie. "In der englischsprachigen Psychologie nennt man das Emerging Adulthood."
Bei manchen läuft's linear – bei anderen nicht
Bei einigen geht dieser Prozess schneller als bei anderen, so Pavlova. Manche wüssten direkt nach der Schule, was sie studieren wollen, fänden schon während des Studiums einen Partner, arbeiteten und bekämen vielleicht schon Kinder. Andere bräuchten länger, um herauszufinden, was und wer zu ihnen passe – oder eben nicht. "Manche sind schon früh an diesem Punkt, andere müssen noch hineinreifen", sagt Pavlova. In Ordnung sei beides – und übrigens vollkommen normal.
Ihr zufolge handelt es sich auch nicht um ein Zeitgeist-Phänomen der Millennials, die einfach nicht erwachsen werden wollen. Früheren Generationen sei es genauso gegangen: "Schon vor 30 Jahren war dieser Prozess der Emerging Adulthood in der Psychologie bekannt." Diese Entwicklung hinge mit der Individualisierung der westlichen Gesellschaft zusammen: Heute ist es in Deutschland gesellschaftlich noch akzeptierter, später in den Beruf einzusteigen, oder sich, zumindest vorübergehend, gegen Ehe und Kinder zu entscheiden.
Wann man erwachsen ist
Doch gerade diese Schritte sind zumindest in der Psychologie und Soziologie Marker, um das Erwachsenensein zu definieren: Es handelt sich um sogenannte Erwachsenenrollen, so Pavlova. Vereinfacht gesagt: Je mehr Erwachsenenrollen jemand einnimmt, desto erwachsener fühlt er oder sie sich. Es geht dabei darum, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Etwa, wenn man in den Beruf einsteigt und finanziell unabhängig wird. Wenn man eine verbindliche Partnerschaft führt. Wenn man ein Kind bekommt.
Wie erwachsen man sich fühlt, hängt neben psychologischen aber auch mit soziokulturellen und individuellen Faktoren zusammen. "Manche Menschen sind vom Charakter her ernst und zuverlässig, sie fühlen sich früher erwachsen", sagt Pavlova. Auch Menschen, die in jungen Jahren Traumatisches erlebt haben, fühlten sich oft deutlich älter als andere in ihrem Alter und das schon in sehr jungen Jahren.
Übrigens haben Studien gezeigt, dass man sich im einen Moment sehr erwachsen fühlen kann und im nächsten dann wieder deutlich jünger. Auch das ist nicht ungewöhnlich. Und: Zwischen 20 und 40 fühlen sich auch viele Menschen genau so alt, wie sie sind, so Pavlova.
Doch ist es eigentlich ein Problem, wenn man sich nicht seines Alters entsprechend fühlt (oder überhaupt weiß, wie man sich in seinem Alter fühlen müsste)? Die klare Antwort: Nein. "Solange jemand nicht das Gefühl hat, dass es ein Problem ist, ist es auch keins. Außer man selbst oder jemand anderes kommt dabei zu Schaden. Die Psychologie ist da sehr tolerant."
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Vielleicht bedeutet das letztlich auch, dass wir gerade zwischen 20 und 40 etwas entspannter sein dürften. Die alten Schulfreunde ziehen gerade in ein Einfamilienhaus auf dem Land und sind in einem ganz anderen Lebensabschnitt als man selbst? Vollkommen in Ordnung.
Und vermutlich gibt es ohnehin bei den meisten sogenannten Erwachsenen nicht nur die Tage, an denen man einen wichtigen Vortrag auf der Arbeit hält, die Socken farblich zusammenpassen und man den gelben Sack rechtzeitig vor die Haustür stellt. Sondern auch die Tage, an denen es kalte Pizza zum Frühstück gibt, man ohne Schirm vom angekündigten Regen überrascht wird und aus einem einfach zu viele Feierabendbiere werden.
Über die Gesprächspartnerin
- Maria Pavlova leitet als Professorin das Fachgebiet Psychologische Gerontologie an der Uni Vechta. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte sind wahrgenommene gesellschaftliche Erwartungen ans Altern.
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