Zwei tote Pottwale werden an der Insel Wangerooge angetrieben. Experten sollen nun die Todesursache ermitteln. Vermutlich sind die Tiere versehentlich in die flache Nordsee geraten.
Die dunklen Kolosse liegen auf einer Sandbank am Ostzipfel der Nordseeinsel Wangerooge: Dort wurden die rund 12 und 13 Meter langen Pottwale am Freitag angeschwemmt.
Am Tag danach strömen bei strahlendem Sonnenschein und milden Temperaturen Touristen, aber auch Inselbewohner zur Fundstelle, die außerhalb der Deiche liegt und zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehört. "Viele sind seit 20 Jahren nicht mehr an der Ostspitze gewesen", sagt ein Sprecher der Naturschutzgemeinschaft Mellumrat.
Auch Niedersachsens Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz hat am Nachmittag die toten Wale in Augenschein genommen, gemeinsam mit Inselbürgermeister Dirk Lindner. "Das war ein sehr beeindruckendes Bild", sagt sie anschließend. "Das rumorte richtig im Inneren der Wale, und Flüssigkeiten liefen aus."
Wale hatten sich wohl "verschwommen"
Kottwitz ist besorgt: Diebe könnten versuchen, die Elfenbeinzähne der Tiere zu stehlen. Deshalb habe man beschlossen, so schnell wie möglich die Unterkiefer fachgerecht abzutrennen und zu sichern, sagt sie.
Am Samstagvormittag wurden den Tieren im Auftrag des Veterinäramtes Proben entnommen. Sie sollen helfen, die Todesursache zu ermitteln, sagt Bürgermeister Lindner, der die Pottwale schon am Freitag aus nächster Nähe begutachtet hatte. "Wie es sich darstellt, sind die Tiere schon tot dort angetrieben worden", betont er. "Sie haben sich wohl verschwommen. Sobald sie in die Nordsee abbiegen, haben sie keine Chance."
Dies bestätigt Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland. Seit 20 Jahren beschäftige er sich mit Walen, fast alle Arten habe er schon in der Natur erlebt, sagt er. Vor allem in den Wintermonaten gelangen demnach immer wieder Pottwale über die 700 Meter tiefe Norwegische Rinne in die sehr viel flachere Nordsee.
"In der nur bis 100 Meter tiefen Nordsee funktioniert das Echolot der Tiere nicht mehr richtig", erläutert Knake. "Sie kriegen kein ordentliches Ping mehr und verirren sich hilflos." Pottwale seien Tiefseetaucher und lebten normalerweise in Ozeanen mit mehreren tausend Metern Tiefe.
Phänomen seit Jahrhunderten bekannt
Knake glaubt nicht, dass Unterwasserlärm etwa durch Windkraftanlagen zum Tod der Tiere beigetragen hat. "Das Phänomen der Pottwal-Strandungen ist seit Jahrhunderten bekannt." Es seien immer nur wenige Tiere, die sich verirrten, und stets Männchen. Manchmal könnten auch ganze Walschulen bei den Färöer- oder Shetlandinseln zu früh abbiegen und in Richtung Nordsee schwimmen.
Auf Wangerooge war zuletzt in den 1950er Jahren ein Orka-Wal gestrandet. Nach Angaben der Nationalparkverwaltung wurde 1994 auf Baltrum ein Pottwal angeschwemmt. Sein Skelett ist in Wilhelmshaven ausgestellt. 1996 hatte Norderney einen toten Pottwal. 2012 wurde auf Juist ein toter Zwerg- oder Minkwal entdeckt.
Was mit den beiden 12,80 und 11,70 Meter langen Wangerooger Pottwalen passiert, ist noch offen. Die Insel wolle gerne ein Skelett behalten und ausstellen, sagt Kottwitz. Die Kostenfrage der Entsorgung scheint indes geklärt: "Die Tiere liegen so, dass das Land zuständig ist." Der Mellumrat will bis zu einer Entscheidung über das weitere Vorgehen die Tiere beaufsichtigen.
Der Fundort kann nicht abgesperrt werden: Die Wale liegen auf einer Halbinsel, die bei Hochwasser überspült wird. © dpa
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