- Popkultur trifft Wissenschaft: Im Computerspiel und der Serie "The Last of Us" springt ein Parasit auf Menschen über und löst eine Pandemie aus.
- Das Beunruhigende: Den Parasiten gibt es tatsächlich und seine Wirte werden wirklich zu Zombies.
- Warum wir Pilzinfektionen ernst nehmen müssen.
Kennen Sie die neue Serie "The Last of Us"? Oder das zugehörige Computerspiel? Nein? Ich auch nicht. Aber ich empfehle die Story trotzdem, weil ich weiß, wer der Star der Show ist. Der Pilzparasit Cordyceps springt hier im Zuge der Klimakrise auf Menschen über, wuchert aus deren Köpfen – und löst eine Art Zombie-Pandemie aus. Der beunruhigende Clou an Cordyceps: Den Parasiten gibt es tatsächlich und seine Wirte werden wirklich zu Zombies. Müssen wir jetzt auch noch Angst vor einer Pilz-Apokalypse haben?
Die gute Nachricht vorab: Noch muss sich vor Cordyceps nur fürchten, wer sechs Beine hat – also Insekten. Ganz konkret geht es dabei um mehrere hundert Arten und Unterarten parasitischer Pilze, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden. Es gibt allerdings noch vieles, das wir nicht über sie wissen.
So ist beispielsweise unklar, ob jeder Schmarotzer nur eine oder mehrere Spezies erfolgreich befallen kann. Der Erfolg misst sich an der meisterhaften Manipulation des Wirts durch den Parasiten. Dafür muss der Schmarotzer aber perfekt an sein Opfer angepasst sein, was wahrscheinlich jeweils nur bei einer Wirtsspezies möglich ist.
In den Medien – "HORROR-PARASIT! ZOMBIE-PILZ!" – sind vor allem jene Cordyceps-Vertreter populär, die Ameisen befallen und deren Verhalten komplett kontrollieren. Für den Schmarotzer wiederum sind die sozialen Insekten so attraktiv, weil jedes der Tiere Zugang zu einem wahren Wirtsbuffet liefern kann: der Kolonie.
Es ist jedoch kein leicht zu bedienender Schlüssel, weil Ameisen-Gemeinschaften mit gutem Grund extrem auf Sicherheit bedacht sind. Sie haben dafür ein "soziales Immunsystem" entwickelt, das Funktionen ähnlich der schlagkräftigen Körperabwehr eines mehrzelligen Organismus erfüllt.
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Ameisen als Tarnkleidung
Dazu gehört, dass sich die Ameisen unablässig putzen, um Pilzsporen und andere Erreger loszuwerden. Außerdem werden tote Tiere als potenzieller Infektionsherd weitab von der Kolonie entsorgt. Und wer kränkelt, darf das soziale Miteinander getrost vergessen. Ameisen, die sich auffällig verhalten oder verdächtig riechen, werden aus der Kolonie geschmissen oder sogar getötet, wenn sie nicht aus eigenem Antrieb gehen.
Möglicherweise ist dies die größte Hürde für den Parasiten: Ameisen opfern sich bereitwillig für die Kolonie, wenn sie befürchten, ihr gefährlich werden zu können. Selbst wenn sich der Schmarotzer bereits im Wirt eingenistet hat, braucht er also eine Tarnkappe. Und diese Tarnkappe ist ein Ameisenkörper, der nach außen hin normal agiert, im Inneren aber komplett die Kontrolle verloren hat.
Beim ersten Schritt der feindlichen Übernahme ist Eile gefragt. Die Pilzsporen heften sich außen an Ameisen an und verschaffen sich über mechanischen Druck und Enzyme gewaltsam Zugang ins Körperinnere. Dort breitet sich der Pilz aus, lässt zarte Fäden wachsen und wuchern, ein Geflecht, das die Ameise durchdringt, Muskeln infiltriert und das Gehirn ummantelt. Wie auch immer die Kommunikation zwischen Parasit und Wirt über molekulare Botenstoffe genau abläuft: Wenn der Parasit die Oberhand gewinnt, sitzt er am Steuer – und die Ameise ist das leere Vehikel.
Dead Ant Walking
Die Masse einer befallenen Ameise kann bis zur Hälfte aus Pilz bestehen, was sich von außen aber nicht ablesen lässt. Auf noch ungeklärte Weise lässt der Parasit seine Marionette unauffällig agieren. Erst wenn er weit genug entwickelt ist, zwingt er ihr ein ganz und gar un-ameisenhaftes Verhalten auf. Mit staksigen Schritten verlässt sie das Nest, um es zu vernichten.
Befallene Ameisen klettern dann auf Geheiß ihres Strippenziehers an Grashalmen oder Zweigen hoch. Infizierte Ameisen, die eigentlich in Baumkronen leben, steigen dagegen nach unten. Sie alle aber enden am gleichen Platz. Das ist ein Standort, der den Präferenzen des Parasiten in puncto Höhe, Luftfeuchtigkeit und Temperatur entspricht – nahe einer Ameisenstraße.
Die Ameisen müssen sich unten an Blättern, Zweigen oder anderen Strukturen mit aller Macht festbeißen. Danach verkümmern ihre von Pilzfäden durchzogenen Kiefermuskeln sofort, sodass sie nie wieder loslassen können. Der lebende Wirt hat aber ohnehin seine Schuldigkeit getan und stirbt, während der Parasit erst richtig und jetzt auch sichtbar zum Leben erwacht. Er sprießt aus dem Ameisenkörper, um diesen an Ort und Stelle festzukleben, und produziert antimikrobielle Stoffe, die andere Erreger auf Abstand halten.
Tage später wächst dann aus dem Kopf der Ameise ein langstieliger Fruchtkörper, von dessen Spitze Sporen auf den Boden regnen – und auf vorbeimarschierende neue Wirte warten. Das klappt nicht immer, weil sich auch Pilze anstecken können. Ein noch nicht genau identifizierter Hyperparasit verhindert in vielen Fällen die Ausreifung von Cordyceps , der aber trotzdem ganze Ameisenkolonien auslöschen kann.
Auch der Mensch stellt einer Pilzvariante nach: Der coole Cordyceps ist hierzulande dann unter dem absurden Namen "Puppenkernkeule" zu finden. Es geht dabei um Cordyceps militaris, der aus Schmetterlingslarven sprießt, die im Boden verborgen sind. Der leuchtend orange gefärbte Pilz soll unter anderem als Aphrodisiakum wirken und ist nicht nur in der chinesischen Medizin beliebt. Tatsächlich soll der Stoff Cordycepin antimikrobiell wirken.
"Zombie"-Parasit übernimmt Kontrolle über Insekten
Der Tod auf sechs Beinen
"Zombie-Pilze" sind nicht nur für Ameisen ein Problem. Andere Parasiten befallen etwa Käfer, Kakerlaken oder Zikaden. Und auch hier übernehmen sie die Kontrolle. Das bedeutet meistens, dass ihre Wirte weiterhin laufen, fliegen und Kontakte pflegen, um die Sporen des Schmarotzers zu verbreiten.
Der Pilz Massospora beispielsweise lauert Zikaden auf – und macht sie unfassbar sexy. Männliche Wirte zirpen dann begeistert, wedeln aber gleichzeitig auf unwiderstehlich weibliche Weise mit den Flügeln. Folgen gesunde Männchen dieser Einladung, bekommen sie eine ordentliche Dosis Massospora ab.
Es muss ein Wahnsinnstrip für die Zikaden sein, nicht zuletzt, weil der Pilz Stoffe freisetzt, die auch in halluzinogenen Pilzen vorkommen. Mit etwas Glück bekommen die Wirte also gar nicht mit, dass irgendwann ihr Hinterleib abfällt, der zu dem Zeitpunkt bereits mit Massospora-Sporenmasse gefüllt ist.
Solche Gruselstorys lassen sich eigentlich kaum toppen, aber man kann es zumindest versuchen. Der Pilz Entomophthora muscae befällt Hausfliegen. Und er bringt die Männchen dazu, sich mit infizierten Weibchen zu paaren, nachdem diese bereits gestorben sind. Nicht jede Femme fatale ist gleich attraktiv: Die Männchen bevorzugen ältere und damit wohl noch infektiösere Kadaver .
Keine Parasiten sind auch keine Lösung
Kein Wunder, dass Entomophthora, Cordyceps, Massospora und all die andere "Zombie-Pilze" in Horrorfilmen so beliebt sein. Mehr Grusel geht kaum, allerdings sind Parasiten auch ökologisch ungeheuer wichtig. Sie machen Nahrungsnetze viel komplexer und damit robuster. Und sie regulieren die Populationen ihrer Wirte, also oft von Schadinsekten, die ohne den Druck durch Schmarotzer überhandnehmen könnten.
Auf den Menschen überspringen sollten solche Parasiten trotzdem nicht, selbst wenn sie weniger rabiat auftreten. Der Bandwurm Anomotaenia brevis beispielsweise befällt Ameisen und lässt die infizierten Arbeiterinnen etwa dreimal so lange leben wie normal. Sie können dann so alt werden wie sonst nur Königinnen. Das klingt doch gar nicht schlecht, oder?
Leider gibt es auch beim schmarotzenden Jungbrunnen einen Haken, an dem Alfred Hitchcock sicher seine Freude gehabt hätte. Der Bandwurm ist in den Ameisen nur zwischengeparkt auf dem Weg zum Endwirt, in dem er sich vermehren kann. Die lange Lebenszeit soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass infizierte Ameisen mitsamt Parasit im richtigen Magen landen – von einem Specht oder anderen Vögeln.
Warum die WHO vor echter Pilzgefahr warnt
Zum Glück ist es extrem unwahrscheinlich, dass Insektenparasiten selbst bei ansteigenden Temperaturen auf den Menschen überspringen. Zu fremd wären wir als Wirte, die der Schmarotzer schließlich mit absoluter Präzision manipulieren muss.
Das bedeutet aber leider nicht, dass wir keine Angst vor Pilzkrankheiten haben sollten. Ganz im Gegenteil: Im Oktober veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO den ersten umfassenden Bericht mit einer Liste von neunzehn Pilzpathogenen, die die öffentliche Gesundheit am meisten bedrohen. Diese Erreger sind schon jetzt ein großes Problem, vor allem für immunschwache Patienten mit bereits bestehenden Erkrankungen wie Krebs oder HIV/AIDS.
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Erschwerend kommt hinzu, dass sie zunehmend resistent gegenüber Antipilzwirkstoffen werden, von denen es ohnehin nur eine Handvoll gibt. Diese gefährlichen Erreger breiten sich weltweit aus – auch im Zuge der Klimakrise. Ein Beispiel ist der Hefepilz Candida auris, der Menschen befällt, nicht oder kaum behandelt werden kann und gleichzeitig auf drei Kontinenten aufgetaucht ist. Wenn es um Horror-Parasiten geht, dann sind solche neuen und klimabedingten Pilzinfektionen tatsächlich beunruhigend nah dran am Pandemie-Plot von "The Last of Us".
Verwendete Quellen:
- Live Science: The 10 most diabolical and disgusting parasites
- NABU: Puppenkernkeule: Ein Parasit mit vielseitigen Heilkräften
- National Library of Medicine: Behavioral betrayal: How select fungal parasites enlist living insects to do their bidding
- National Library of Medicine: On the Emergence of Candida auris: Climate Change, Azoles, Swamps, and Birds
- WVU Today: ‘Flying salt shakers of death’: The lives of fungal-infected zombie cicadas, explained by WVU researchers
- Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Parasites as fountains of youth: Study finds infected ants live much longer
- World Health Organization: WHO releases first-ever list of health-threatening fungi
- The Conversation: Fungal infections worldwide are becoming resistant to drugs and more deadly
- The Conversation: 58% of human infectious diseases can be worsened by climate change – we scoured 77,000 studies to map the pathways
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