(jwo/rh/ah) – Spätestens seit den gnadenlos realistischen Dokumentarfilmen von Heinz Sielmann dürfte klar sein, dass es in der Natur mitunter ruppig zugeht. Doch wer die Jagd von Raubtieren schon grausam findet, will nicht die Bekanntschaft mit Xenos vesparum machen – einem Parasiten, der Wespen zu widerstandslosen Zombies macht.
Xenos vesparum (X. vesparum) hat es auf die in Europa vorkommende Gallische Feldwespe, Polistes dominulus, abgesehen. Wird die Wespe von X. vesparum befallen, gibt sie ihre genetisch vorherbestimmte Rolle auf und folgt von nun an den "Anweisungen" des Parasiten. "Es gibt viele Beispiele von Parasiten, die bei ihren Wirten neue Verhaltensweisen hervorrufen", erklärt Entomologe Fabio Manfredini der Pensilvania State University gegenüber "wired.com". Das beeinflusste, neue Verhalten widerspricht dem natürlichen Benehmen der Tiere völlig. Manfredini und sein Team haben ihre neuen Erkenntnisse in der Fachzeitschrift "Animal Behaviour" veröffentlicht.
Die lange und makabere Reise beginnt im Frühling. Trifft eine Wespe auf eine Xenos-vesparum-Larve, so wird sie von dieser besprungen. Die Larve bohrt sich in den Leib des auserwählten Wirts und ernährt sich fortan von dessen Blut. Während die Larve zu wachsen beginnt, entwickelt sich das befallene Insekt langsamer und ist daher kleiner als seine Artgenossen. Zudem verändert sich sein Verhalten: Während andere Wespen nach Futter suchen, sich um die Brut kümmern oder das Nest verteidigen, zieht sich das befallene Insekt immer mehr zurück und beteiligt sich nicht mehr an den Aufgaben innerhalb des Insekten-Staates.
In der Sommerzeit verlassen die infizierten Wespen schließlich das Nest und fliegen – wie fremdgesteuert - zu einem unbekannten, aber vorherbestimmten Ort, den der Parasit vorzugeben scheint. Warum die Tiere gerade zu diesen Orten gesteuert werden, ist noch unklar. Auch andere infizierte Tiere treffen dort zur Paarung ein: Die ausgewachsenen männlichen Parasiten winden sich aus dem Magen ihres Wirts, reißen damit ein Loch in dessen Torso und besiegeln so den Tod der Wespe. Die weiblichen Tiere strecken zur Paarung lediglich die entsprechende Körperöffnung aus dem Wirt hervor.
Nach der Paarung sterben die männlichen Parasiten, während ihre weiblichen Artgenossen mit den befruchteten Eiern weiter im Wirt verweilen. Die noch immer infizierten Wirtstiere beginnen sich schließlich wie Wespen-Königinnen zu verhalten und begeben sich in einen Winterschlaf, wie es Wespen-Königinnen als einzigen Tieren im Staat gestattet ist. Im Frühjahr ist die "Insekten-Schwangerschaft" abgeschlossen und der Wirtskörper hinterlässt - noch immer von den Parasiten gesteuert - die Larven auf Blattunterseiten oder in ihrer ehemaligen Kolonie. Der Kreislauf beginnt von vorne. "Sie legen keine Eier, sie bilden keine Kolonien – sie sind völlig anarchisch", beschreibt Manfredini X. vesparum laut "wired.com".
Wie genau X. vesparum Einfluss auf den Wirtskörper nimmt, ist noch unbekannt. Doch Fabio Manfredini und weitere Wissenschaftler der Pensilvania State University haben es sich zum Ziel gesetzt, noch mehr über den perfiden Parasiten herauszufinden.
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