Auch in der Natur gibt es Alkohol. In einigen wilden Früchten und im Nektar von Pflanzen steckt Ethanol. Dass Tiere ab und an durch den Konsum in einen Rausch-ähnlichen Zustand geraten, ist bekannt. Wie häufig das passiert, ist allerdings überraschend, wie einer neuen Studie zu entnehmen ist.
Für viele Menschen ist es normal, mal ein Feierabendbierchen zu trinken oder am Wochenende im Restaurant ein Glas Wein zu bestellen. Doch nicht nur Menschen sind dem Alkohol angetan, auch Tiere konsumieren ihn gerne - vor allem in bestimmten Situationen, wie eine Studie zeigt, die im Fachblatt "Trends in Ecology & Evolution" publiziert wurde.
Sowohl in wilden Früchten als auch im Nektar von Pflanzen steckt häufig Ethanol. Dementsprechend werde der Alkohol auch von vielen Tieren regelmäßig konsumiert und verwertet, schreibt das internationale Forschungsteam. Eine moderate Alkoholaufnahme könne für die Tiere unter anderem wegen der Nährwerte relevant sein.
Dass die Tiere absichtlich Ethanol konsumieren, ist gar nicht mal so selten, wie man vielleicht denken würde. Es geschehe viel häufiger als gedacht, schreiben die Forschenden. "Wir bewegen uns weg von der anthropozentrischen Sichtweise, dass Ethanol nur etwas ist, das der Mensch nutzt", erklärt Co-Autorin Kimberley Hockings von der britischen University of Exeter. "Die meisten Tiere, die zuckerhaltige Früchte fressen, kommen in irgendeiner Form mit Ethanol in Berührung."
Für manche Tiere kann Alkohol Vorteile haben
Menschen wollten sich am Alkohol berauschen, aber nicht unbedingt die Kalorien daraus haben - bei Tieren sei es umgekehrt, sagt Co-Autor Matthew Carrigan vom College of Central Florida. "Tiere wollen Kalorien, aber nicht den Rausch." Denn: "Aus ökologischer Sicht ist es nicht vorteilhaft, betrunken zu sein, wenn man in den Bäumen herumklettert oder nachts von Raubtieren umgeben ist - dann ist es vorprogrammiert, dass die eigenen Gene nicht weitergegeben werden."
Für manche Tiere könne Alkohol jedoch Vorteile haben, heißt es in der Studie weiter. Zwei Beispiele:
- Kleine Essigfliegen (Drosophila melanogaster) zum Beispiel legten ihre Eier absichtlich in fermentierende Früchte, die ihre Eier vor Parasiten schützen, und Essigfliegenlarven erhöhten ihre Ethanolaufnahme, wenn sie von Wespen parasitiert werden.
- Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus) wiederum benötige Alkohol, um zu verhindern, dass Schimmelpilze seine Höhlen in den Bäumen befallen.
Trinken sich Tiere ihre Partner schön?
Auch Effekte des Alkohols auf das Gehirn könnten sich manche Tiere möglicherweise zunutze machen. Sie trinken sich quasi potenzielle Partnerinnen oder Partner schön. "Ethanolkonsum wird mit erhöhter Erregung, nachlassender Hemmungskontrolle und beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht, die alle zu einer breiteren Partnerwahl beitragen", heißt es in der Studie.
Ethanol könne unter Umständen das Sexualverhalten ändern, berichten die Wissenschaftler. Weibliche Taufliegen (Drosophila simulans) waren unter dem Einfluss von Alkohol bei der Partnerwahl weniger wählerisch - und kopulierten mit mehr Männchen. Anders bei den Taufliegenmännchen: Sie konsumierten Alkohol, wenn sie von einer potenziellen Partherin einen Korb bekommen hatten.
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Ähnliche Effekte seien auch bei Nagetieren im Labor beschrieben worden. Aber generell gelte: "Viele der Vorteile sind für nicht-menschliche Arten im natürlichen Kontext noch nicht ausreichend erforscht." Es gibt laut Studie viele glaubwürdige Berichte über Affen, die überreife, vermutlich alkoholhaltige Früchte verzehren und zudem einige Arten, bei denen die Alkoholaufnahme wissenschaftlich nachgewiesen worden sei. Zu diesen gehörten Geoffroy-Klammeraffen (Ateles geoffroyi), die sich unter anderem von den fermentierten Früchten der Gelben Mombinpflaume ernährten, wobei der Ethanolgehalt der Früchte zwischen 1 und 2,5 Prozent liege. Westafrikanische Schimpansen (Pan troglodytes verus) nähmen nachgewiesenermaßen fermentierten Palmsaft zu sich.
Manche Insekten zeigen Toleranz gegenüber Ethanol
Die Forschenden zitieren außerdem eine Honigbienen-Studie, wonach die Insekten sogar eine je nach Aufgaben gestaffelte Toleranz gegenüber Ethanol aufweisen: Futtersammlerinnen, die außerhalb des Bienenstocks arbeiten, kommen eher mit vergorenem Nektar in Berührung und zeigten eine deutlich höhere Resistenz gegen Ethanolvergiftungen als Ammen, die im Nest bleiben.
Eine weitere, nur wenige Tage zuvor im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlichte Studie beschäftigt sich mit einem anderen Insekt: der Orientalischen Hornisse. Diese seien die bisher einzige bekannte Tierart, welche dauerhaft hohe Dosen Ethanol zu sich nehmen könne, ohne ihr Verhalten zu ändern.
Selbst wenn die Hornissen 80-prozentigen Alkohol tranken, habe dies keine Auswirkungen auf ihr Verhalten gezeigt, schreibt das Forschungsteam aus Israel. Weder waren die Insekten aggressiver, noch konnten sie dadurch ihre Nester schlechter bauen. "Sie zeigen keine Anzeichen einer Vergiftung oder Krankheit, selbst wenn sie chronisch große Mengen Alkohol konsumieren, und sie scheiden ihn sehr schnell aus ihrem Körper aus", erklärte Co-Autor Eran Levin von der Tel Aviv University.
Alkoholgehalt oft unter ein Prozent
In gemäßigten Zonen finden sich laut der neuen Studie etwa Früchte der Eberesche und Kartoffelrose mit einem Alkoholgehalt von bis zu 0,41 Volumenprozent, in subtropischen Regionen Früchte von Maulbeerfeige, Dattelpalme und Syrischem Christusdorn mit bis zu 0,91 Prozent Alkohol. In tropischen Regionen sei die natürliche Fruchtgärung das ganze Jahr über am günstigsten, dort wurden in Früchten auch mehrere Prozent Ethanol gefunden, in überreifen Palmfrüchten sogar Konzentrationen bis zu 10,3 Prozent.
Ethanol gab es den Forschenden zufolge erstmals vor etwa 100 Millionen Jahren, als blühende Pflanzen anfingen, zuckerhaltigen Nektar und Früchte zu produzieren, die von Hefen vergoren werden konnten. Zahlreiche heutige Tiere könnten Ethanol verwerten, der Stoffwechsel sei weit verbreitet. Insbesondere Primaten und Baumspitzmäuse seien effizient darin, aber es gebe auch genetische Hinweise etwa in frucht- und nektarfressenden Flughunden sowie Vögeln wie den Seidenschwänzen. (Doreen Garud, dpa/bearbeitet von sbi)
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