Den 20. Mai haben die Vereinten Nationen zum Weltbienentag ernannt. Die Sorge vor einem Bienensterben ist groß. Doch wie gefährlich ist das Ausmaß wirklich und muss man in der Diskussion nicht deutlicher zwischen Wildbienen und Honigbienen unterscheiden? Darüber haben wir mit Till-David Schade, Referent für Biologische Vielfalt beim NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V., gesprochen.
Herr Schade, wie ist der aktuelle Stand in Bezug auf das Bienensterben? Wie dramatisch ist es wirklich?
Till-David Schade: Es gibt generell leider noch nicht ausreichend viele Daten. Aber die Daten, die uns vorliegen, sind allesamt alarmierend. Da gibt es zum einen die großflächige Studie aus dem letzten Jahr, in der über 30 Jahre lang Insektenfallen ausgewertet wurden.
Dabei kam heraus, dass die Biomasse bei Fluginsekten in den untersuchten Regionen um 75 Prozent zurückgegangen ist. Dabei ist zu befürchten, dass dies auf ganz Deutschland zutrifft.
Außerdem gibt es die Rote Liste. Über die Hälfte aller Wildbienen-Arten in Deutschland ist bedroht oder bereits ausgestorben. Insgesamt sind ein Drittel aller Insektenarten mindestens gefährdet.
Wenn man von Bienensterben spricht, muss man aber zwischen Wild- und Honigbienen unterscheiden?
Richtigerweise müsste man eigentlich von Insektensterben sprechen, da ja nicht nur die Bienenarten, sondern auch weitere Insekten wie Schwebfliegen, Schmetterlinge oder Käfer immer stärker zurückgehen.
Wenn man von Bienen spricht, dann fallen darunter in erster Linie die Wildbienen. Davon gibt es etwa 560 Arten in Deutschland. In Europa gibt es dagegen nur eine Art, die Honig produziert: die Westliche Honigbiene, von der unterschiedliche Rassen Verwendung finden.
Aus Sicht des Naturschutzes sind die Honigbienen irrelevant. Es handelt sich dabei um domestizierte Nutztiere. Wenn man sie als Imker halten möchte, dann muss man sich beim Veterinäramt anmelden. Aus Sicht des Naturschutzes geht es immer um die Wildbienen. Leider wird das oftmals in einen Topf geworfen.
Dann betrifft die Bedrohung durch die Varroa-Milbe auch nur die Honigbienen?
Diese Krankheit befällt fast ausschließlich die Honigbiene und ist für andere Insekten eigentlich unwichtig. Ich will hier natürlich nicht die Wichtigkeit der Honigbienen absprechen.
Sie produzieren Honig und bringen eine wichtige Bestäubungsleistung, aber aus Naturschutzsicht, wenn es um Artenschutz und biologische Vielfalt geht, dann geht es dabei nicht um die Honigbiene.
Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für das Sterben der Wildbienen?
Die wichtigsten Ursachen des Insektenrückgangs liegen in der industriellen Landwirtschaft. Hier besteht auf der einen Seite eine extreme Strukturarmut, das heißt, es gibt keine Hecken mehr, keine Ackerwildkräuter mehr, keine Randstreifen, keine brachliegenden Flächen und dergleichen mehr.
Auf der anderen Seite ist natürlich auch der Einsatz von Glyphosat und anderen Pestiziden ein großes Problem.
Wie bewerten Sie das Verbot von Neonikotinoiden zum Schutz der Wildbienen? Steht zu befürchten, dass es bald die nächste Generation von Pestiziden geben wird?
Das Verbot ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt. Jetzt wird die Zeit zeigen, ob es nur Fassade war und die nächste Generation an Pestiziden nicht lange auf sich warten lässt oder ob tatsächlich ein Umdenken stattfindet.
Welche Maßnahmen wären in der Landwirtschaft zusätzlich effektiv?
Da gibt es viele Maßnahmen. Ein wichtiges Stichwort ist neben der generellen Reduzierung von Pestiziden und dem Verzicht auf besonders schädliche Wirkstoffe besonders die Strukturvielfalt.
Blühstreifen müssen beispielsweise eine gewisse Qualität aufweisen, auch über den Winter stehen gelassen werden und während des Sommers nicht so oft gemäht werden, um so Nahrung und Nistquellen anzubieten. Auch Hecken und andere Lebensräume sind wichtig.
Insgesamt braucht es mehr Vielfalt in der Agrarlandschaft. Es geht um mehr Nahrungsquellen für Insekten, die über einen längeren Zeitraum vorhanden sein sollen. Die Rapsblüte beträgt beispielsweise nur einen Monat im Jahr. Nach der Ernte sind dann abrupt keine Nahrungsquellen mehr vorhanden.
Was kann jeder einzelne von uns tun?
An erster Stelle steht der bewusste Konsum von Lebensmitteln. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, kommt vom Feld. Durch unser Kaufverhalten beeinflussen wir direkt, wie unsere Agrarlandschaft aussieht
Wenn wir das Billigprodukt kaufen, das auf großflächigen Monokulturen und unter dem massiven Einsatz von Pestiziden produziert wurde, dann muss man sich nicht wundern, dass es mit der biologischen Vielfalt den Bach herunter geht.
Wenn man dem gegensteuern und etwas für die Natur tun will, dann sollte es einem wert sein, vielleicht ein bisschen tiefer in die Tasche zu greifen. Außerdem können Menschen mit einem Garten etwas für die Strukturvielfalt tun und den Garten wilder wachsen lassen, statt auf einen überpflegten Garten mit englischem Rasen und zubetoniertem Vorhof zu setzen.
Wer weniger mäht und beispielsweise abgestorbenes Holz auf einen Haufen legt, der leistet schon einen Beitrag für Insekten. Auch auf dem Balkon kann man in einem Kübel heimische Βlühpflanzen säen. Das ist zwar ein kleiner Beitrag, hilft aber auch und schafft Bewusstsein.
Steigt das Bewusstsein in der Bevölkerung generell?
Teilweise schon. Beim NABU bekommen wir beispielsweise immer mehr Anfragen. Generell erhält das Thema in den Medien und auch in der Politik eine höhere Aufmerksamkeit.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD betont die Rolle der Bienen explizit. Man will dem Insektensterben Einhalt gebieten. Es wird sich aber noch zeigen müssen, was davon wirklich in die Tat umgesetzt wird.
Auf der anderen Seite ist oftmals noch kein ökologisches Bewusstsein da, das zeigt sich beispielsweise beim Blick in Vorgärten. Man wundert sich ehrlich gesagt manchmal schon, was andere Menschen schön finden. Aber generell ist das Bewusstsein schon definitiv gestiegen.
Diese Woche hat die gemeinsame Aktion zwischen Penny und NABU in Hannover für Aufsehen gesorgt. Eine ähnliche Aktion gab es in Österreich. Es wurde gezeigt, wie viele Regale leer bleiben würden, wenn es keine Wildbienen mehr gäbe.
Die Aktion hat eindrücklich gezeigt, dass die Mehrzahl unserer Produkte von der Bestäubung von Bienen und von anderen Insekten abhängt. Darunter auch Produkte, auf die man gar nicht kommen würde, wie beispielsweise einige Kosmetikartikel.
Brote mussten wir aussortieren, weil da beispielsweise oft Raps- oder Sonnenblumenöl enthalten ist, Fertigpizzen und andere Tiefkühlware mussten teilweise aussortiert werden, weil überall z.B. Öle oder Gewürze enthalten sind. Wir wollten das einmal ganz bildhaft darstellen und den Kunden bewusst überraschen. Das ist uns auch gelungen.
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