Die Stadt Kehl kämpft zurzeit gegen eine Invasion von Ameisen. Die Insekten richten enorme Schäden an und sie könnten nur ein Vorbote sein für zahlreiche Tierarten, die der Klimawandel nach Deutschland bringt. Wie breiten sich invasive Arten aus? Und warum sind sie so schwer zu bekämpfen?

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Sie sind zwei bis drei Millimeter groß, schwarz und terrorisieren gerade eine ganze Stadt. Abermillionen von Ameisen machen sich im baden-württembergischen Kehl breit. Sie unterhöhlen Gehwege, nisten sich in Fußböden oder Wänden ein und beschädigen die Isolierung von Gebäuden. Auch in Verteilerkästen sind sie zu finden und haben so bereits für Strom- und Internetausfälle gesorgt.

Die Ameisen vermehren sich explosionsartig. Doch mit herkömmlichen Mitteln wie etwa Heißschaum ist ihnen kaum beizukommen. Die Einwohner der Grenzstadt sind zunehmend genervt.

Tapinoma magnum – so der biologische Name der Gattung – ist eine invasive Art und kommt ursprünglich aus Nordafrika. Doch wie gelangte das Tier nach Deutschland? Wahrscheinlich als Mitreisender auf einer Pflanze, vermutet Florian Menzel von der Universität Mainz. In einer Baumschule im benachbarten Ingelheim wurde die Art erstmals in Deutschland nachgewiesen. Das war 2011. Vermutlich kam die Ameise mit Wurzelballen aus dem Mittelmeerraum dorthin.

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Nicht nur Ameisen: Invasive Arten ein weltweites Problem

"Invasive Ameisen stellen weltweit ein enormes Problem dar", sagt Menzel im Gespräch mit unserer Redaktion. So führt die "Globale Datenbank der invasiven Arten" auf ihrer Liste der 100 schlimmsten invasiven Arten alleine fünf Ameisenarten. "Schlimm" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die jeweiligen Arten eine große Bedrohung für die biologische Vielfalt, für die Landwirtschaft oder andere Interessen darstellen.

Ein Phänomen, das in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Der Grund liegt in der Globalisierung. "Gerade der weltweite Handel von Lebensmitteln, aber auch von anderen Pflanzen und Tieren bringt es mit sich, dass man sehr viele Tiere mitschleppt", sagt Menzel.

Ob versteckt in Bananenkisten, im Blätterwerk von Pflanzen oder ganz einfach in Containern – die Reisemöglichkeiten für Tiere haben enorm zugenommen. Dabei stellen gebietsfremde Arten nicht automatisch ein Problem dar. Im Gegenteil: Sie können die Vielfalt der heimischen Flora und Fauna sogar bereichern. Nur gebietsfremde Arten, die diese Vielfalt gefährden, werden als invasiv betrachtet.

Gebietsfremd und invasiv

  • Als gebietsfremd werden Arten bezeichnet, die in einem bestimmten Gebiet nicht heimisch sind, sich dort aber etablieren. Manche gebietsfremde Arten sind invasiv, das heißt, dass sie sich schnell vermehren, das Ökosystem negativ beeinflussen und heimische Arten verdrängen. Teilweise gibt es direkte Schäden auch für den Menschen, etwa in der Landwirtschaft.

Ob Waschbär oder Ochsenfrosch – viele invasive Arten verfügen über entscheidende Vorteile

"Invasive Arten können zum Beispiel in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen zu einheimischen Arten treten und diese verdrängen, Krankheiten übertragen oder durch Kreuzung mit einheimischen Arten den Genpool verändern", heißt es auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

Bekannte Beispiele sind etwa der Waschbär oder der Nordamerikanische Ochsenfrosch. Zwar können sich die meisten Arten nicht dauerhaft etablieren. Doch immerhin ist dies laut BfN rund 1.280 gebietsfremden Arten in Deutschland gelungen. Oftmals, weil die Neuankömmlinge über entscheidende Vorteile verfügen.

Tapinoma magnum etwa gründet ihren Erfolg auf die Tatsache, dass die Ameisen sehr viele Königinnen haben. "Das bedeutet, dass auch ein Koloniefragment eine Königin haben kann und Teilnester ausreichen, um wieder eine Population zu gründen", erklärt Florian Menzel. Was wiederum die Bekämpfung der Krabbler so schwer macht. "Sie als Person können 90 Prozent eines Nests plattmachen, aber wenn nur eine Königin mit ein paar Arbeiterinnen überlebt, haben sie in ein paar Jahren wieder das gleiche Problem."

Von Spanien bis Italien: Die Superkolonie der argentinischen Ameise

Zudem bildet die Ameise sogenannte Superkolonien. "Superkolonie bedeutet, dass Tiere Artgenossen aus anderen Nestern nicht mehr als Feind wahrnehmen", erläutert Menzel. Normalerweise würden sich einzelne Nester bekämpfen. Nicht so bei den invasiven Arten. "Sie erkennen sich als Nestgenossen und legen die Aggression ab. Verschiedene Nester arbeiten daher zusammen, anstatt sich zu bekämpfen. So können sie einheimische Arten verdrängen."

Die Insekten halten also in der Fremde zusammen. Ein Verhalten, das man bei vielen invasiven Arten beobachte, erklärt Menzel. Auf diese Weise ist es etwa der argentinischen Ameise gelungen, eine gigantische Superkolonie zu gründen, die sich mehrere Tausend Kilometer entlang der Mittelmeerküste zieht. Von der Costa Brava über Frankreich bis nach Italien!

Zwar seien wir in Deutschland aufgrund der nördlichen Lage noch relativ verschont geblieben von invasiven Ameisen, sagt Florian Menzel. Doch: "Je wärmer es wird, desto mehr invasive Arten wird es wohl auch geben."

Ameisen in Kehl: Bürgermeister fordert unverzügliches Handeln

Dazu gehört definitiv auch Tapinoma magnum. Neben Kehl und Ingelheim hatte etwa auch die Gemeinde Limburgerhof bei Mannheim mit den Plagegeistern zu kämpfen. Es wird wohl nicht der letzte Vorfall sein.

Deshalb fordert der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz auf der Website der Stadt ein "unverzügliches, koordiniertes und konsequentes Handeln". Es sei "dringend geboten, schlagkräftige Netzwerke aus Vertreterinnen und Vertretern der Forschung, der Wirtschaft und der Politik zu gründen". Britz hat sich mit seinen Forderungen an das Umweltministerium des Landes, das Regierungspräsidium Freiburg und die Umweltbehörde beim Landratsamt gewandt.

Doch die Ameisen wieder vollständig loszuwerden, dürfte schwer werden, wie auch Florian Menzel bestätigt. Sein Rat: "Frühzeitig erkennen und bekämpfen, solange es noch geht." Gut möglich, dass dieser Zeitpunkt bereits vorüber ist.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Florian Menzel ist Privatdozent am Institute of Organismic and Molecular Evolution an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dort forscht er zu Ökologie, Verhalten und Evolution von Insekten.

Verwendete Quellen

Quagga-Muscheln sind invasiv.

Diese invasiven Arten machen in Deutschland Probleme

Forscher sorgen sich um die Ausbreitung invasiver Arten weltweit. Hierzulande sind diese Tiere am problematischsten.
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