Der Klimawandel beeinflusst nicht nur das Leben auf der Erde, sondern auch den Weltraum. Die steigenden CO2-Werte verändern die Atmosphäre – mit Folgen für Satelliten und Weltraumschrott. Eine neue Studie zeigt, warum die Satellitenkapazität im Orbit um 66 Prozent sinken könnte – und was das für Konsequenzen mit sich bringt.
Der Klimawandel hat einer Studie zufolge einen Einfluss auf die Anzahl der Satelliten, die sich mit tragbarem Risiko in Erdumlaufbahnen betreiben lassen. Der Grund dafür sei, dass sich mit zunehmendem Anteil an Kohlendioxid (CO2) in der höheren Atmosphäre deren Dichte verringere, weshalb dort weniger Weltraumschrott verglühen könne und dieser somit eine Gefahr für Satelliten werde. Bei weiterhin sehr hohen Treibhausgas-Emissionen könnte sich die Satellitenkapazität im Erdorbit bis 2100 dem Modell zufolge um 66 Prozent verringern. Das Team um William Parker vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) präsentiert seine Studie im Fachjournal "Nature Sustainability".
Während CO2 in der unteren Atmosphäre zu einer Erwärmung der Luft führt, hat es nach Forscherangaben in höheren Schichten wie der Mesosphäre und Thermosphäre eine kühlende Wirkung. Denn es strahle einen Teil der in den hohen und dünnen Luftschichten vorhandenen Wärme als Infrarotstrahlung ins Weltall ab (Strahlungskühlung). Mehr CO2 in der unteren Thermosphäre führe daher zu einer stärkeren Kühlung. Die Thermosphäre ziehe sich zusammen, verlagere sich also stärker in Richtung Erdoberfläche. Für ein Objekt über dem verdichteten Teil der Thermosphäre – also beispielsweise in 300 Kilometern Höhe – sorge dies für eine geringere Luftdichte. "Eine abnehmende Dichte verringert den Luftwiderstand von Trümmern und verlängert ihre Lebensdauer im Orbit, was eine ständige Kollisionsgefahr mit Satelliten darstellt und die Gefahr einer kaskadierenden Entstehung weiterer Trümmer birgt", schreiben die Studienautoren.
Dichte an Weltraumschrott spielt wichtige Rolle
Die meisten Satelliten fliegen in Höhen von 200 bis 1.000 Kilometern um die Erde; die internationale Raumstation hat eine Bahnhöhe von etwa 400 Kilometern. Parker und Kollegen simulierten nun, wie sich die Thermosphäre, die bis in eine Höhe von 500 Kilometern reicht, durch verschiedene Szenarien im Zuge des Klimawandels verändert.
Eine wichtige Rolle bei den Berechnungen spielt die Sonnenaktivität, die einem elfjährigen Zyklus unterliegt. So erreicht bei einem Höchststand der Sonnenaktivität erheblich mehr energiereiche Strahlung die obere Atmosphäre als bei einem Sonnenminimum. Beim Sonnenmaximum dehnt sich die Thermosphäre aus, beim Minimum zieht sie sich zusammen.
Die andere wichtige Rolle spielt die Dichte an Weltraumschrott. Der Astrophysiker Donald Kessler warnte bereits 1978 davor, dass die Raumfahrt für künftige Generationen gefährlicher wird, weil durch zufällige Zusammenstöße von Trümmerteilen mehr Trümmerteile entstehen. Nach Angaben der US-Weltraumbehörde Nasa gibt es im Erdorbit mehr als 100 Millionen Trümmerteile, die größer als einen Millimeter sind, rund 25.000 Teile davon haben eine Größe von mehr als zehn Zentimetern. Das Team um Parker simulierte die Auswirkungen, die ein verringerter Luftwiderstand auf die Entwicklung der Dichte der Schrottteilchen hat.
Sicherer Betrieb von nur noch 148.000 Satelliten möglich
Bei weiterhin sehr hohen Treibhausgas-Emissionen würde sich den Simulationen zufolge die Kapazität der Satelliten im Orbit zwischen 200 und 1.000 Kilometern Höhe während des Sonnenminimums um 66 Prozent gegenüber heute reduzieren. In der Höhe von 400 bis 1.000 Kilometern, die heute überwiegend genutzt wird, würde der Rückgang sogar 82 Prozent betragen. Dann könnten nur noch 148.000 Satelliten sicher betrieben werden. Zum Vergleich: Allein die Firma SpaceX hat für Ihr Starlink-Netzwerk insgesamt rund 30.000 Satelliten eingeplant.
SpaceX sorgt schon jetzt für viel Weltraumschrott. Nach Angaben der Plattform Spaceweather.com zerfielen allein im Januar rund 120 Starlink-Satelliten in der Erdatmosphäre. Mit dem Verglühen verschwinden die Trümmerteile jedoch nicht komplett. Einer Studie vom Juni 2024 in "Geophysical Research Letters" zufolge entstehen beim Verglühen eines 250 Kilogramm schweren Satelliten etwa 30 Kilogramm Aluminiumoxid-Partikel. Sie sorgen demnach für den Abbau von Ozon, was einmal zu einer Ausdünnung der Ozonschicht führen könnte, die viel schädliche Ultraviolettstrahlung aus der Sonnenstrahlung filtert.
Lesen Sie auch
Forscherin bestätigt: Weniger dichte Atmosphäre verstärkt Kollisionsrisiko
Die Projektionen des Teams um Parker für die Thermosphärendichte seien glaubwürdig, kommentiert Ingrid Cnossen, die am British Antarctic Survey in Cambridge zur oberen Atmosphäre forscht. "In der Forschungsgemeinschaft ist es weitgehend anerkannt, dass erhöhte Treibhausgaskonzentrationen die obere Atmosphäre abkühlen und dazu führen, dass sie sich zusammenzieht." Daraus folge eine Verringerung der atmosphärischen Dichte in den Höhen der Satelliten. "Beobachtungen zeigen, dass diese langfristige Abnahme in den letzten etwa 50 Jahren in Höhen zwischen 250 und 575 Kilometer bereits stattgefunden hat."
In einer weniger dichten Atmosphäre erhöhe sich die Ansammlung von Weltraumschrott, was natürlich das Kollisionsrisiko erhöhe. "Das bedeutet, dass die langfristige Abnahme der Dichte der oberen Atmosphäre ihre Kapazität zur Aufnahme von Satelliten verringert", bestätigte Cnossen. "Ich halte dies für eine unstrittige Schlussfolgerung, da sie logisch aus gut etablierter Forschung folgt – jedoch habe ich sie in dieser Form bisher nicht artikuliert oder untersucht gesehen." Da sie keine Expertin für Weltraumschrott sei, könne sie die Auswirkungen der Dichteabnahme auf dessen Menge zwar nicht berechnen. "Allerdings habe ich keinen Grund zur Annahme, dass hier etwas nicht stimmt." (dpa/bearbeitet von ali)