Im besten Fall soll einer Studie zufolge von den einst großen Gletschern durch den Klimawandel gerade einmal ein kümmerlicher Rest übrig bleiben.

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Laut einer Studie von Innsbrucker Experten und britischen Kollegen geht es in den kommenden Jahren schnell mit der Schmelze der Gletscher. Selbst wenn der globale Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird, soll von den Gletschern in den Ötztaler- und Stubaier Alpen in Tirol nicht viel übrig bleiben.

Und: Das Temperatur-Plus geht eher Richtung 2,7 Grad bis 2100. Der Befund lässt sich auch auf den Rest des Landes umlegen.

Laut den neuen Berechnungen im Fachblatt "The Cryosphere" bleiben im Jahr 2100 in den Ötztaler- und Stubaier Alpen nur noch knapp drei Prozent der Gletschermasse aus dem Jahr 2017 zurück, wenn die Durchschnittstemperaturen dann lediglich 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zum Liegen kommen. Freilich muss die Wahrscheinlichkeit dafür aus heutiger Sicht als extrem niedrig angesehen werden. Das Jahr 2024 war das erste seit Messbeginn, das weltweit im Schnitt über 1,5 Grad wärmer war. Experten gehen davon aus, dass sich derartige Jahre in Zukunft häufen werden.

Lange Tradition der Gletschermessungen in Region

Der aktuelle Emissionspfad weist eher auf ein Durchschnitts-Plus in Richtung drei Grad Celsius hin. Dazu kommt, dass die Erderhitzung über Land tendenziell stärker ausfällt und die Zunahmen im Alpenraum schon heute deutlicher durchschlagen als in anderen Weltregionen. "Das 1,5-Grad-Ziel - und damit die Chance, einen kleinen Teil der regionalen Gletschermasse zu erhalten - ist zwar noch erreichbar, aber das Zeitfenster schließt sich sehr schnell", so der Klimaexperte und Co-Autor der Studie, Fabien Maussion, von den Universitäten Bristol (Großbritannien) und Innsbruck in einer Aussendung.

In ihrem neuen Berechnungsmodell für die Entwicklung der angezählten Gletscher fokussierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und den Unis Innsbruck, Graz und Bristol nun auf die Tiroler - und hier speziell auf das Stubaier und Ötztaler Alpen.

Bei der Messung des Gletschereises und seiner Ausdehnung hat das Gebiet eine lange Tradition, wie die Forscher in ihrer Arbeit festhalten. Mit dem Hintereisferner, dem Kesselwandferner und dem Vernagtferner liegen hier drei Gletscher, von denen Daten im World Glacier Monitoring Service (WGMS) berücksichtigt werden. Die höchste Erhebung in der an Südtirol grenzenden Region ist die Wildspitze mit ihrem Gipfel in 3.768 Metern Höhe.

Minus 20 Prozent von 2006 bis 2017

Die Aufzeichnungen sprechen eine deutliche Sprache: Zwischen 2006 und 2017 gingen demnach in der Region ungefähr 19 Prozent der Gletscherfläche verloren. Beim Eisvolumen kam mit einem Minus von rund 23 Prozent ein noch größerer Anteil abhanden, schreibt das Team. Fünf kleine Gletscher verschwanden in dem Zeitraum komplett. Und diese Entwicklung geht munter weiter. Überdies ließen sich die Erkenntnisse auch auf weite Teile Rest-Österreichs umlegen, zeigen sich die Beteiligten überzeugt.

Klar sei, dass es vor allem für kleinere Eiskörper in den Ostalpen absehbar eng wird: "Von den österreichischen Gletschern wird bis zum Ende des Jahrhunderts nicht mehr viel übrig sein. Wir haben viele kleine Gletscher, die aktuell stark schrumpfen und die schon in wenigen Jahren verschwinden werden", so Lea Hartl vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW.

Reste weniger "Gletscher" und mehr "Toteis"

Bei einem echten Umschwung in der Klimapolitik in Richtung Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles ist zumindest für die einst größeren Gletscher in hohen Lagen vielleicht noch nicht aller Tage Abend. Ob man die hypothetischen Reste allerdings noch unter dem Terminus "Gletscher" einordnen kann, sei zweifelhaft. Momentan sehe man ihnen wirklich "beim Verschwinden zu", wird Hartl zitiert. Was dann bleibt, bezeichne man als "Toteis" - sprich "Eisreste, die keine Fließbewegung und kein Nährgebiet mehr haben". (APA/bearbeitet von ng)