Hochwasser, Starkregen, Gewitter: Besonders der Süden Deutschlands wird von starken Regenfällen heimgesucht. Nach einer Regenpause warnt der Deutsche Wetterdienst nun erneut vor Starkregen in Bayern und Baden-Württemberg. Hydrologe Markus Weiler darüber, wie ungewöhnlich die Ereignisse sind und womit wir in Zukunft rechnen müssen.

Ein Interview

Herr Weiler, der Deutsche Wetterdienst hat in den letzten Wochen mehrmals vor starken Unwettern gewarnt, in zahlreichen Orten in Deutschland haben sich starke Regenfälle ereignet. Wie verfolgt ein Hydrologe solche Nachrichten?

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Markus Weiler: Mit wissenschaftlicher Neugier. Wie viel Niederschlag ist in der Vergangenheit bereits gefallen, welche Niederschlagsmengen gab es in den letzten Tagen, wie hoch sind die Abflüsse und wie reagieren die verschiedenen Einzugsgebiete. Die Gefährdung, die durch solche Wetterereignisse entsteht – die bleibt aber auch mir immer vor Augen.

Erleben wir die Starkregenereignisse im Juni derzeit zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt?

Nein, das Niederschlagsmaximum in Süddeutschland liegt in der Regel im Mai oder Juni. Die Wetterlagen sind recht typisch. Sie verschieben sich räumlich immer ein Stück, sodass es nicht immer die gleiche Region trifft. Aber es gab etwas anderes Ungewöhnliches bei der jetzigen Situation.

Was genau?

Wir haben eine seltene Kombination erlebt. Auf der einen Seite eine sogenannte Vb-Wetterlage. Dabei nehmen Tiefdruckgebiete nicht die viel häufigere Zugbahn von West nach Ost über Europa, sondern kommen aus dem Süden. Dadurch hatten wir sehr viel feuchte Luft. Diese wurde aus dem Mittelmeergebiet um den östlichen Alpenbogen geschoben. Gleichzeitig haben wir eine extreme Labilisierung der Atmosphäre erlebt. Dabei nimmt die Temperatur in der Höhe stärker ab als die aufsteigende Luft. Dadurch haben wir immer wieder kurzfristige Gewitter erlebt.

Ist das mit Blick auf die letzten Jahrzehnte neu?

Auch in der Vergangenheit haben solche Wetterlagen immer wieder zu extrem hohen Niederschlägen und Hochwassersituationen geführt. Viele Untersuchungen legen aber nahe, dass solche Ereignisse bereits jetzt häufiger auftreten und das auch in der Zukunft tun werden. Für geografisch kleine Räume lässt sich das aber nur schwer quantifizieren – wir schauen da eher auf größere Gebiete. Allein die physikalischen Zusammenhänge legen aber nahe, dass wir uns an solche Ereignisse gewöhnen müssen.

In welchem Zusammenhang stehen diese Starkregen-Ereignisse denn mit dem Klimawandel?

Es gibt zwei recht starke Faktoren. Je höher die Temperatur der Atmosphäre ist, desto mehr Wasser kann gespeichert werden und in kurzer Zeit wieder ausregnen. Das kennt man zum Beispiel von Tropengebieten. Außerdem spielt die starke Erwärmung der Meere oder Ozeane eine Rolle. Je wärmer ein Meer ist, umso höher ist die Menge an Wasser, die verdunsten kann. Und die Kombination von beiden ist dann eher noch ungünstiger. Schon jetzt konnten wir beobachten, dass das Mittelmeer überproportional warm war und blieb.

Gibt es weitere Wetterereignisse, mit denen man in Zukunft vor diesen Hintergründen häufiger rechnen muss?

Absolut. Es sieht alles danach aus, dass sich diese beiden Extreme – zu viel und zu wenig Niederschlag – verstärken werden. Eine höhere Dynamik der Atmosphäre wird eher zu einer Verstärkung von diversen Wetterereignissen führen. Wir müssen also zum Beispiel auch vermehrt mit Hitzewellen, Dürrephasen und Stürmen rechnen. Und das auch, obwohl sich im Mittel beim Niederschlag gar nicht unbedingt etwas ändert.

Wie passt das zusammen?

Klimamodelle sagen im Mittel für die Zukunft unter Umständen gleich viel Niederschlag pro Jahr vorher. Wenn aber die Extremen in beide Richtungen viel stärker werden, dann haben wir eine ganz neue Situation – trotz derselben Niederschlagsmenge insgesamt.

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Kann man sich auf die zunehmenden Starkregenereignisse vorbereiten?

Mit Blick auf kleinräumige Starkregenereignisse muss man sich die Starkregen-Vorhersage und das Starkregenrisikomanagement genauer anschauen. Dabei geht es darum: Wie können Kommunen geschützt werden? Die typischen Hochwässer entstehen meist durch übergetretene Flüsse. In der Vergangenheit haben wir uns mit Dämmen geschützt – dort, wo wir sie jetzt bräuchten, haben wir großflächig Ortschaften reingebaut. Aus bestimmten Bereichen müssen wir uns in Zukunft vermutlich zurückziehen. Gleichzeitig sollte natürlich auch an technisch verbesserten Schutzmaßnahmen gearbeitet werden.

Wieso gibt es bei Starkregenereignissen eine große Unsicherheit in der Vorhersage?

Das ist nur bedingt so. Es war vorhergesagt, dass eine große Menge an Niederschlag kommt – aber die sehr lokalen Starkregenereignisse sind schwer zu prognostizieren. Sie hängen stark davon ab, wo sich die Gewitter bilden – da hat man nur eine Vorhersageoption von wenigen Stunden.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Markus Weiler ist Hydrologe an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

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