Wälder speichern nicht nur viel CO2, sondern auch Mikroplastik, zeigt eine neue Studie. Sie schützen uns Menschen davor, übermäßig Mikroplastik einzuatmen. Doch welche Folgen hat das für die Bäume?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Anfang des Jahres hatte ich mir fest vorgenommen, einen Monat lang plastikfrei zu leben – und bin direkt am ersten Tag gescheitert. Auf Plastikverpackungen zu verzichten, war noch einfach für mich. Mein Vorhaben scheiterte jedoch am Mikroplastik. Mit dem Begriff werden synthetische, schwer abbaubare Polymere bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter und unlöslich sind.

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Mikroplastik befindet sich nahezu überall: in der Luft, im Wasser, im Boden, auf dem Gipfel des Mount Everest, in bis zu 10.000 Meter Tiefe der Ozeane – und in meiner Wimperntusche, wie ich beim Lesen eines Verbraucher-Checks feststellen musste.

Wälder nehmen Mikroplastik über ihre Blätter auf

Mikroplastik ist einfach überall. Belastbare Daten zeigen: Jeder Mensch atmet pro Stunde rund 16,2 Stückchen Mikroplastik ein. Pro Woche entspricht dies der Menge einer Kreditkarte. Und es könnte noch viel mehr Plastik sein, das wir beim Atmen aufnehmen, wären da nicht die Bäume.

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Forschende aus Japan konnten in einer aktuellen Studie nachweisen, dass Bäume die kleinen Plastikpartikel mit ihren feinen Blatthaaren auffangen und in ihren wachsartigen Blättern langfristig speichern können.

Dafür untersuchte das Forschungsteam, wie viel Mikroplastik sich auf den Blättern der Eichenart Quercus serrata in einem Wald in Tokio ansammelt. Das Ergebnis: Auf jedem Quadratzentimeter Blattfläche, den sie untersucht haben, befanden sich etwa 0,07 Mikroplastikstücke, hauptsächlich aus den bekannten Verpackungsmaterialien wie Polyethylen und Polypropylen.

Aufnahme von Mikroplastik über Wurzeln

Pro Blatt mag das gering erscheinen. Aber in einem Wald summieren sich diese Mengen. Die japanischen Quercus-serrata-Wälder könnten jährlich etwa 420 Billionen Mikroplastikstücke aus der Luft einfangen, so die Schätzungen der Forscherinnen und Forscher.

Auch weitere Studien zeigen, dass Bäume Mikroplastik aufnehmen – und das nicht nur über ihre Blätter. So stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) bei der Untersuchung von Hänge-Birken in Berlin-Brandenburg fest, dass die Birken während ihrer Wachstumsphase Mikroplastik über ihre Wurzeln aufnehmen.

Die Hänge-Birke wird bereits heute verwendet, um kontaminierte Böden zu sanieren, weil die Baumart Schwermetalle und andere Industrieabfälle in ihrem Gewebe speichert. Mikroben, die in den Bäumen leben, können diese Schadstoffe abbauen. Da die Wurzeln der Hänge-Birke flach im Boden liegen, wo die Mikroplastikverschmutzung am schlimmsten ist, haben die Forscherinnen und Forscher eben diese Baumart für ihre Studie ausgewählt. Hänge-Birken könnten Mikroplastik langfristig aus dem Boden entfernen und möglicherweise sogar aus dem Wasser, so die Forschenden.

Welche Folgen hat Mikroplastik für die Gesundheit?

Bäume schützen uns Menschen und unsere Gesundheit also davor, noch mehr Mikroplastik aufzunehmen. Denn auch wenn die längerfristigen Wirkungen auf unsere Gesundheit noch nicht ganz verstanden sind, ist sicher: Harmlos sind die Plastikpartikel keinesfalls.

Viele Kunststoffe enthalten etwa Weichmacher oder Flammschutzmittel als Zusätze. Mikroplastik kann auch Schadstoffe binden, die wir mit den Plastikpartikeln aufnehmen. Und: Einige Forschungsarbeiten weisen bereits auf Entzündungsreaktionen im Körper hin.

Dass Bäume also viel Mikroplastik aufnehmen können, klingt daher auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht für uns Menschen. Aber was bedeutet das für die Gesundheit der Bäume?

Mikroplastik kann Waldböden schädigen

Die Forschungsteams in Japan und Berlin-Brandenburg wollen eben diese Folgen für die Bäume in zukünftigen Studien überprüfen. Aktuelle Forschungsdaten der TU Darmstadt legen bereits nahe, dass Mikroplastik Waldböden schädigen kann.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass Wälder diese kleinen Plastikpartikel an das Erdreich weitergeben. Die Einbindung von Mikro- und Nanoplastik in Stoffkreisläufe der Wälder könnte erhebliche Auswirkungen auf die empfindlichen Ökosysteme haben.

Je mehr Plastik, Schadstoffe und Chemikalien in die Böden und Bäume gelangen, desto mehr gerät auch die Stabilität des Ökosystems Wald ins Wanken. Und: Plastik wird aus Erdöl hergestellt – ein Rohstoff, der die Klimakrise weiter befeuert, was die Wälder und auch unsere Gesundheit schwächt.

Erste Verbote für Mikroplastik auf EU-Ebene

Zwar sollen Produkte, die aus Mikroplastik bestehen, in der EU nach und nach vom Markt verschwinden. Doch insgesamt greifen die ersten Verbote noch viel zu kurz. So gelten sie nur für feste und nicht für flüssige und halbfeste Kunststoffe, die in zahlreichen Kosmetika zu finden sind.

Wie man diese erkennen kann: Ich nutze beim Einkaufen die Apps Toxfox vom BUND und die App CodeCheck. Mithilfe der beiden Apps kann man verschiedene Produkte auf Mikroplastik und Schadstoffe checken. Dazu muss man nur den Barcode des Produkts via Smartphone scannen.

Plastikfrei zu leben, wird weiterhin eine ziemlich große Herausforderung bleiben. Ich habe mir dauerhaft vorgenommen, so wenig Plastik wie möglich zu verbrauchen: Wasser trinke ich mittlerweile nicht mehr aus Plastikflaschen – und meine Wimperntusche habe ich entsorgt.

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Verwendete Quellen

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