Mikroplastik findet sich überall – mit fatalen Folgen für die Umwelt und auch für uns Menschen. Nun ist in Europa ein erstes Verbot geplant, das in den sozialen Medien stark kritisiert wird. Was es damit auf sich hat.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als ich vor ein paar Tagen im Drogeriemarkt an den Regalen für Kosmetik vorbeiging, sah ich überrascht, dass viele Regale komplett leergeräumt waren. Von einer Rabattaktion aber keine Spur. Und warum sollte gerade jetzt Schminke gehamstert werden?

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Zu Hause recherchierte ich und stieß schließlich auf den Hashtag #Glitzerverbot, der unter anderem im sozialen Netzwerk TikTok kursiert. Nutzer berichten in den Kurzvideos, wie sie noch schnell auf Vorrat Glitzer-Lidschatten oder Highlighter kaufen – bevor das Glitzerverbot kommt. Die Kommentare unter den zahlreichen Videos klingen aufgebracht: "Ohne Glitzer bin ich verloren", "OMG, nie wieder Steinchen auf den Nägeln!", "Kein Glitzer = kein Hochzeitskleid!", "Ich wandere aus!" Eine Influencerin kündigte sogar an, jetzt ihre Marke für Glitzer-Lippenstift schließen zu müssen.

Wie sich Fake News in sozialen Netzwerken verbreiten

Okay, ganz schön viel Drama. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich Fake News in den sozialen Netzwerken verbreiten und wie die Auswirkungen selbst im Drogeriemarkt bei mir um die Ecke zu sehen sind.

  • Daher zuallererst: Die EU-Kommission hat kein Glitzer-Verbot, sondern ein Mikroplastik-Verbot beschlossen, das ab dem 15. Oktober in Kraft treten soll – und das mehr als überfällig ist.

Demnach sollen Produkte im Handel untersagt werden, denen Mikroplastik zugesetzt wurde oder die bei Gebrauch Mikroplastik freisetzen. Mit dem Begriff "Mikroplastik" werden synthetische, schwer abbaubare Polymere bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter und unlöslich sind. Neben Granulatmaterial auf Sportanlagen sind unter anderem Spielzeug, Weichspüler, aber auch Kosmetika betroffen – und loser Glitter. Der darf ab dem 15. Oktober mit sofortiger Wirkung nicht mehr verkauft werden.

Es gibt kein generelles Glitzer-Verbot

Betonung liegt hier auf losem Glitter. Das bedeutet: Lidschatten, Highlighter und all die anderen Produkte, die derzeit gehamstert werden, sind gar nicht von der Regelung betroffen. Viele beliebte Kosmetikmarken wie Essence oder Catrice verzichten zudem in vielen Produkten mit Glitzer bereits auf Mikroplastik. Außerdem gibt es immer mehr nachhaltige Glitzer-Alternativen auf dem Markt, die biologisch abbaubar sind.

Das bedeutet: Nein, es gibt kein Glitzer-Verbot! Glitzer wird es weiterhin geben, aber eben ohne Mikroplastik und das ist auch gut so. Mikroplastik findet man mittlerweile überall: in den Meeren, Flüssen, an Land, in Lebensmitteln, im Trinkwasser und in unseren Körpern. Eine Studie zeigt: Jeder Mensch atmet pro Stunde rund 16,2 Stückchen Mikroplastik ein. Pro Woche entspricht dies der Menge einer Kreditkarte.

Mikroplastik gelangt in die Atmosphäre

Das meiste Mikroplastik befindet sich in den Meeren. Laut einer Studie, die dieses Jahr veröffentlicht wurde, entspricht das Gewicht aller Mikroplastikpartikel in den Meeren bis zu 4,9 Millionen Tonnen. Eine weitere Studie zeigt, dass die Partikel dabei nicht nur vom Wind transportiert werden, sondern zum Teil auch aus dem Meerwasser in die Atmosphäre gelangen.

Wir Menschen sind schuld, dass so viel Mikroplastik in die Meere gelangt. Nicht nur durch unseren Plastikmüll, sondern eben auch, weil wir Mikroplastik-haltige Produkte wie Kosmetika und Waschmittel nutzen, die letztendlich über die Abwässer in die Flüsse und Meere gelangen, aber auch in unsere Böden – mit fatalen Folgen für die Umwelt und für uns Menschen.

Sechs planetare Belastungsgrenzen bereits überschritten

Wir haben bereits sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen überschritten und gefährden damit die Stabilität des globalen Ökosystems. Eine dieser Leitplanken ist die Verschmutzung durch neuartige Stoffe, zu denen etwa Pestizide, Antibiotika, giftige Chlorverbindungen, aber eben auch Plastik zählen. Je mehr planetare Grenzen überschritten werden, desto mehr gerät die Stabilität des Planeten ins Wanken.

Das nun geplante Mikroplastik-Verbot der EU ist also mehr als überfällig. Die neuen Vorschriften sollen laut Kommission die Freisetzung von etwa einer halben Million Tonnen Mikroplastik in die Umwelt verhindern.

Ein Verbot mit langen Übergangsfristen

Das Verbot für Granulat auf Kunstrasenplätzen und anderen Sportanlagen greift allerdings erst nach acht Jahren, damit die Besitzer von Sportplätzen Zeit haben, nach Alternativen zu suchen. Auch bei anderen Produkten sind die Übergangsfristen lang. Viel zu lang. So haben Unternehmen aus der Kosmetikindustrie rund zwölf Jahre Zeit, ihre Produkte anzupassen, bevor das Verkaufsverbot greift.

Insgesamt greift das geplante Verbot noch viel zu kurz. So gilt das Verbot nur für feste und nicht für flüssige und halbfeste Kunststoffe, die in zahlreichen Kosmetika zu finden sind. Dabei übersteigt der Anteil flüssiger Kunststoffe in den Meeren und anderen Gewässern den Anteil von festem Mikroplastik deutlich, wie der Naturschutzbund (NABU) in einer Studie festgestellt hat.

Flüssiger Kunststoff wird nicht verboten

Demnach gelangen pro Jahr rund 977 Tonnen festes Mikroplastik mittels Kosmetikprodukten und Reinigungsmitteln ins Abwasser. Bei flüssigen Kunststoffen sind es 46.900 Tonnen. Das Mikroplastik-Verbot muss daher dringend auch auf die flüssigen und halbfesten Kunststoffe ausgeweitet werden, fordert unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND.

Auch ab Mitte Oktober werden also viele Kunststoffe in Kosmetika zu finden sein. Immerhin gibt es verschiedene Apps, wie Tox Fox vom BUND oder CodeCheck, mit denen man die eigenen Produkte im Badezimmer auf Kunststoffe und andere gesundheitsschädlichen Stoffe überprüfen kann. Ich garantiere: Es ist schockierend, welche bedenklichen Stoffe man in der Mascara oder der Sonnencreme findet.

Die Aufregung um das angebliche Glitzer-Verbot wird sich jedenfalls bald legen, spätestens, wenn die Kundinnen und Kunden, die fleißig gehamstert haben, auch nach dem 15. Oktober zahlreiche Produkte wie Glitzer-Lidschatten in den Regalen finden werden.

Verwendete Quellen:

  © RiffReporter

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