"Was bringt deutscher Klimaschutz, wenn China so viel CO2 ausstößt?" Ein Argument, das man sehr oft hört. Warum die deutschen Bemühungen aber dennoch wichtig sind und wie man auf das "Aber China ..."-Argument antwortet.
In meinem Postfach landen regelmäßig E-Mails von Leserinnen und Lesern und ein Argument sticht dabei immer wieder heraus: "Aber China!" Die Logik dahinter: Da Deutschland nur für circa zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, müssten große Länder wie China oder Indien zuerst etwas tun, bevor wir uns bewegen.
Vergangene Woche schrieb mir ein Leser: "Wo bleibt Ihre Kolumne, dass China sich einen Dreck darum kümmert, was mit dem Klima passiert, wir aber einen Haufen Zeug von denen importieren?" China, Indien, USA und selbst der Iran seien viel schlimmer im CO2 Ausstoß, als es Deutschland jemals war, behauptet er. Und dann war da noch der Leser, der meinte: "Ob es Ihnen passt oder nicht, deutsche Anstrengungen zum Klimaschutz bedeuten nichts!" Ich könnte noch viele weitere solcher Mails zitieren.
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Das "Aber China …"-Argument als Verzögerungstaktik
Um auf das "Aber China …"- Argument zu antworten, muss man zuerst verstehen, dass es Teil einer Verzögerungstaktik ist. Eine Studie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), die im Juli 2020 im Fachjournal "Global Sustainability" erschienen ist, hat eben solche Argumentationsmuster analysiert. Sie lassen sich auf vier einfache Aussagen herunterbrechen:
- Nicht ich!
- Nicht jetzt!
- Nicht so!
- Zu spät!
"Nicht jetzt" heißt, Klimaschutz wird in die Zukunft verschoben, weil angeblich gerade andere Dinge wichtiger sind.
"Nicht so" kommt mit halbgaren Maßnahmen wie "Brückentechnologien" daher oder betont, wie teuer Klimaschutz doch sei.
Und "zu spät" gibt gleich komplett auf: "Es bringt eh nichts mehr."
Doch das Argument, das ich am häufigsten höre, bleibt "Nicht ich". Es ist das klassische Spiel der Verantwortungsabgabe: "Was kann ich schon ausrichten? Sollen doch erstmal die anderen anfangen." Ganz bequem, aber eben auch ganz falsch.
Genau dieses Muster der Verantwortungsabgabe steckt auch hinter dem "Aber China …"-Argument. Anstatt selbst aktiv zu werden, wird die Verantwortung auf andere abgewälzt. Einige Parteien verbreiten nur zu gerne Desinformation und greifen eben solche Argumente nur zu gerne auf, um den Klimaschutz zu blockieren oder bewusst zu verzögern.
Wie kann man nun am besten darauf antworten?
Man muss fairerweise aber auch sagen: Die Leute, die dieses Argument bringen, haben nicht ganz unrecht. Ja, es gibt größere Emittenten als Deutschland. Und klar, auf den ersten Blick wirkt es logisch, dass Deutschland im Vergleich zu China oder Indien nur wenig bewirken kann. Schließlich ist China mit rund 30 Prozent der weltweiten Emissionen der größte Verursacher. Indien belegt den dritten Platz.
Dennoch greift diese Logik, oder besser gesagt, die Verzögerungstaktik, viel zu kurz. Zwei Prozent mögen wenig klingen, aber damit ist Deutschland immer noch der siebtgrößte Verursacher weltweit. Und das bei gerade mal einem Prozent der Weltbevölkerung.
Es zählen außerdem nicht nur die aktuellen Emissionen, sondern die Summe seit der Industrialisierung. Von 1850 bis heute liegt Deutschland auf Platz vier der größten CO2-Sünder. Selbst Indien mit seinen 1,4 Milliarden Menschen hat in dieser Zeit deutlich weniger Emissionen verursacht. China steht auf Platz zwei, weit hinter den USA.
Der Pro-Kopf-Ausstoß in Deutschland liegt außerdem gleichauf mit China bei rund acht Tonnen CO2 pro Person – und damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 4,7 Tonnen. Zum Vergleich: In Indien liegt der Ausstoß bei etwas mehr als einer Tonne pro Person, also nur einem Achtel des deutschen Wertes.
Ohne ehrgeizigen Klimaschutz riskieren wir unseren Wohlstand
China hat sich mittlerweile zur globalen Führungsmacht im Bereich erneuerbare Energien entwickelt. Es baut fast doppelt so viele Kapazitäten für Wind- und Solarenergie wie der Rest der Welt zusammen. Rund 45 Prozent aller Windräder weltweit stehen in China und über 80 Prozent der weltweiten Solarzellen werden dort hergestellt. Und auch in der Elektromobilität hat China die Nase vorn und lässt deutsche Autobauer wie VW technisch hinter sich. Während wir also noch darüber diskutieren, wer handeln sollte, ist China längst vorne bei den Lösungen dabei.
Wenn Deutschland sich weiter im Klimaschutz hinter China versteckt, schadet das nicht nur dem Klima, sondern auch unserem eigenen Wohlstand. Sicher ist: Technologien wie Gasheizungen und Verbrennerautos sind definitiv nicht die Exportschlager der Zukunft. Daran festzuhalten, wäre ein fataler Fehler. Der Ausstieg aus Öl- und Gasimporten macht Deutschland außerdem unabhängiger und stärkt die Wirtschaft langfristig.
Ein großer Teil unserer Emissionen entsteht übrigens inzwischen in China, da viele Waren, die wir konsumieren, dort produziert werden. Warum sollte also gerade China mit strengem Klimaschutz anfangen, wenn es unsere Produkte herstellt?
2016 hat Deutschland zudem das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und sich verpflichtet, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Laut deutschem Klimaschutzgesetz sollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Als eine der führenden Industrienationen hat Deutschland damit eine Vorreiterrolle, die andere Länder motivieren kann, nachzuziehen. Statt "Aber China …" sollte es vielleicht eher heißen: "Aber Deutschland …" – schließlich liegt Deutschland im Klimaschutz-Ranking CCPI von Germanwatch derzeit nur auf Platz 14.
Ein Großteil der Emissionen wird für uns in China produziert
Fakt ist: Die Klimakrise ist ein Problem, das die ganze Welt angeht, und jedes Land muss seinen Teil dazu beitragen. Kein Land kann sich dabei hinter anderen verstecken. Vor allem die reichen Länder im globalen Norden, die viele Ressourcen haben, sollten dabei vorangehen. Also ja, Deutschland, als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, trägt eine besondere Verantwortung, wenn es um Klimaschutz geht.
Es ist wichtiger denn je, die "Aber China ..."-Ausreden und andere falsche Behauptungen zum Klimaschutz zu entlarven, auch wegen des wachsenden Einflusses rechtspopulistischer Parteien. Ich werde jedenfalls weiterhin versuchen, jede Lesermail zu beantworten – Hassmails ausgenommen – und Verzögerungen so gut es geht zu widerlegen. Hin und wieder entwickelt sich daraus ein konstruktiver Dialog, was ich sehr schätze. Und vielleicht lese ich ja irgendwann keine "Aber China ..."-Sätze mehr.
Verwendete Quellen
- Cambridge University Press: Discourses of climate delay
- Our World in Data: CO2 Emissions
- Statista: Energiebedingte CO2-Emissionen pro Kopf weltweit nach ausgewählten Ländern im Jahr 2022
- Global Energy Monitor: China continues to lead the world in wind and solar, with twice as much capacity under construction as the rest of the world combined
- Dialogue Earth: China can benefit from a more ambitious 2030 solar and wind target
- IEA: Solar PV Global Supply Chains
- Germanwatch: Klimaschutz-Index 2024: Die wichtigsten Ergebnisse
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