Seit Wochen ist es in der Amazonasregion extrem trocken und heiß. Zahlreiche Rodungsbrände sorgen zusätzlich für kaum atembare Luft. Die Extremwetterlage El Niño verschärft das Problem noch.

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Für Menschen und Natur in der Amazonasregion kommt zurzeit viel zusammen: Der Winter war so heiß und so trocken wie selten zuvor, noch befeuert vom Wetterphänomen El Niño. Etliche Rodungsbrände im Umland der Millionenmetropole Manaus sorgen zudem dafür, dass man die Luft kaum noch atmen kann.

39,2 Grad Celsius hatte das Meteorologische Institut INMET Anfang Oktober gemessen – so viel wie zuletzt vor 30 Jahren. Nur Nachkommastellen kühler war es die Tage davor, die vergangenen Monate selten unter 37 Grad. Dann wurde es immerhin etwas kühler: 33 oder 34 Grad, die sich aber heißer anfühlen.

Hinzu kommt die Trockenheit. Ebenfalls seit Wochen passiert in der Region kaum noch, was ihr den Namen gegeben hat: regnen. Die Niederschläge, so messen es die Wetterstationen der Region, sind unterdurchschnittlich.

Die Folge: Die Pegel der Flüsse fallen stetig. Manche, wie der Madeira, sind bereits trocken. Für die Menschen fällt damit der wichtigste Haupttransportweg für Lebensmittel und Trinkwasser aus. 60 Prozent aller Waren werden in der Region auf dem Wasserweg transportiert.

"Die Igarapés sind kleine Rinnsale, die Überschwemmungsauen sind knochentrocken und die Bewohner haben kein Trinkwasser mehr", beschreibt es Klaus Reuss. Der Übersetzer aus Franken lebt seit vielen Jahren mit seiner Familie in Manaus und schildert im Gespräch mit unserer Redaktion seine Eindrücke von vor Ort.

Pegelstand des Rio Negro so niedrig wie noch nie

Zugleich stieg der Energieverbrauch, etwa durch erhöhten Bedarf bei Kühlung und Klimaanlagen, sprunghaft an – plus sieben Prozent waren es zuletzt. Weiteres Problem dabei: Auch dafür braucht es Wasser. Brasiliens deckt seinen Energiebedarf zu knapp zwei Dritteln aus Wasserkraft. Auch dafür braucht es verlässliche Pegelhöhen.

Die Igarapés sind die unzähligen kleinen Flüsse, aus denen sich das weitverzweigte Geflecht des Amazonasflusses speist. Auch der Rio Negro, neben dem Rio Solimões einer der beiden Hauptarme, die sich bei Manaus zum Amazonas vereinen, führt rekordverdächtig wenig Wasser. Sein Pegel wurde vor wenigen Tagen mit 13,59 Metern gemessen – bereits vier Zentimeter weniger als beim letzten Rekordniedrigstand 2010 und zudem noch fast zwei Wochen früher als damals und der niedrigste Stand seit der ersten Messung im Jahr 1902.

"Die Trockenheit ist nicht ungewöhnlich, aber sehr extrem und vor allem einige Wochen zu früh und wird die nächsten Wochen wohl noch deutlich schlimmer", sagt Reuss. "Diese extremen Ereignisse, die in Brasilien auftreten, tragen die Handschrift des Klimawandels. Der Planet wird heißer, die Ozeane werden immer heißer und El Niño kommt in diesem Jahr hinzu und verstärkt diese Ereignisse", zitiert die Plattform Sumauma den Klimatologen Francisco Eliseu Aquino von der Bundesuniversität von Rio Grande do Sul.

Der Temperaturanstieg auf der Erde wirkt sich auf verschiedene Wetterprozesse aus, unter anderem auf den Kreislauf der Wasserverdunstung und der vom Boden absorbierten Wärme. Die verstärkte Verdunstung führt beispielsweise dazu, dass sich in bestimmten Regionen mehr und stärkere Regenfälle bilden und diese anfälliger für Stürme werden. In anderen Gebieten werden Dürreperioden ausgedehnt.

El Niño verschärft die zu beobachtenden Effekte des Klimawandels

El Niño ist ein Klimaereignis, das normalerweise alle drei bis fünf Jahre auftritt. Nämlich dann, wenn das Wasser des Pazifiks in der Nähe des Äquators heißer ist als normal. Dies wird durch eine Abschwächung der Passatwinde verursacht, die ständig von den Tropen zum Äquator wehen und aufgrund ihrer hohen Luftfeuchtigkeit Niederschläge verursachen.

Die Folge ist eine längere Dürreperiode im Norden Brasiliens. Auf der anderen Seite des größten Regenwaldes der Welt hat sich der nördliche Atlantik in letzter Zeit ebenfalls anomal erwärmt, sodass die Luftfeuchtigkeit den Amazonas nicht mehr so leicht erreichen kann und die Niederschläge grundsätzlich abnehmen.

Und ein weiterer Faktor gesellt sich zu dieser ungünstigen Gemengelage und raubt den Menschen sprichwörtlich die Luft zum Atmen: dicke Rauchschwaden. Sie stammen von Wald- und Rodungsbränden in umliegenden Orten der Metropolregion Manaus. In Carreiro de Várzea, einer 30.000-Einwohner-Stadt 25 Kilometer entfernt, wurden zuletzt Dutzende Brände registriert – ebenso in zahlreichen anderen Orten. Knapp 7.000 Brandherde registrierte die brasilianische Weltraumbehörde INPE im September – die höchste Zahl im laufenden Jahr. Im Schnitt werden im September nur rund 3.000 Brände registriert.

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In 55 Gemeinden und vier Bundesstaaten Notstand ausgerufen

Seit Anfang August brennt es intensiv rund um die Zwei-Millionen-Metropole und das, obwohl die Umweltbehörde Ibama seit der Amtsübernahme von Präsident Lula da Silva viele von Vorgänger Jair Bolsonaro gestrichenen Befugnisse zurückerhalten hat. "Masken helfen, werden von der Stadtverwaltung auch – mit wochenlanger Verzögerung – empfohlen", berichtet Reuss. An Sport im Freien sei nicht zu denken. Im Inneren bleiben helfe weniger, da der Rauch überall sei. Luftbefeuchter helfen zwar ein bisschen, "trotzdem ist es ziemlich mühsam, der Sohn musste ein paar Mal ans Inhalationsgerät".

In 55 Gemeinden wurde bislang der Notstand ausgerufen. Nicht nur im Bundesstaat Amazonien, auch in angrenzenden Bundesstaaten wie Acre, Rondonia und Roraima. Die Behörden rechnen damit, dass sich die Situation voraussichtlich erst im Dezember wieder entspannen könnte.

Wissenschaftler wie der Klimatologe Carlo Nobre warnen seit einigen Jahren schon davor, dass das Ökosystem Amazonas durch den anhaltenden und sich beschleunigenden Raubbau auf einen sogenannten Kipppunkt zusteuert. An diesen Punkten, man geht von einem Zerstörungsgrad von 20 bis 25 Prozent aus, treten Prozesse in Gang, die das Ökosystem nachhaltig und irreversibel zerstören könnten.

Verwendete Quellen:

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