- Frauen als Krieger sind eine Seltenheit, es handelt sich meist um Legenden oder literarische Fiktion.
- Das westafrikanische Königreich Dahomey – die heutige Republik Benin – hatte mit den Agojie tatsächlich weibliche Soldaten, die dort eine Eliteeinheit darstellten. Sie waren für ihre Disziplin, aber auch Gnadenlosigkeit gegenüber dem Feind bekannt.
- Die Erinnerung an sie besteht fort – und schlägt sich auch in modernen Produktionen wie der Marvel-Produktion "Black Panther " oder dem jüngsten Filmdrama "The Woman King" (Start: 6. Oktober) nieder.
Aus der griechischen Mythologie sind die Amazonen bekannt. Sie waren der Überlieferung nach Kriegerinnen und herrschten über die Männer. So wird berichtet, dass sie sich sogar eine Brust abgeschnitten hätten, um besser mit dem Bogen schießen zu können. Ob die Überlieferung einen wahren Kern hat, bleibt dabei ungewiss – wirklich begegnet ist einem solchen Volk außerhalb der Sage niemand.
Im Mittelalter bestanden die Heere aus Männern, für Frauen war kein Platz. Auch die wikingerzeitlichen Kriegerinnen Skandinaviens dürften eher eine literarische Fiktion als Realität darstellen. Allerdings gab es in der Neuzeit eine Sonderentwicklung in Westafrika. Im dortigen Königreich Dahomey dienten nicht nur Frauen in der Armee, sie wurden auch besonders gut ausgebildet. Die Agojie, wie sie genannt wurden, stellten dabei die Elite in der Armee dar.
Dahomey – eine westafrikanische "Großmacht"
Das Königreich Dahomey wurde im frühen 17. Jahrhundert gegründet. Seinen Ursprung hatte es in der Stadt Abomey als seinem Zentrum. Es handelte sich um eines von mehreren Königreichen, die zu dieser Zeit in Westafrika bestanden und oft im Konflikt miteinander lagen.
Es gelang Dahomey, sich bis zur Küste im Süden auszubreiten. Das Gebiet wurde damals Sklavenküste genannt, denn es besaß eine Schlüsselrolle für den transatlantischen Sklavenhandel. Für die Arbeiten auf Plantagen in der Neuen Welt benötigten die Europäer viele Sklaven, die sie aus Afrika ankauften.
Dahomey wurde hierbei sehr aktiv, es wurden vor allem in Kriegen und Überfällen gemachte Gefangene, aber auch Einheimische verkauft. Zudem wurden politische Gegner auf diesem Weg dauerhaft beseitigt. Durch dieses sehr einträgliche Geschäft gelang es Dahomey im Laufe der Jahrzehnte, seinen Wohlstand deutlich zu mehren.
Seit wann gab es weibliche Soldaten?
Wann genau die ersten Frauen in Dahomey als Soldaten auftraten, lässt sich nicht mehr genau sagen. Gemeinhin wird angenommen, dass sie ursprünglich Teil der königlichen Leibgarde waren, die für die Bewachung des Palasts zuständig war. Es wird aber auch vermutet, dass sie ihren Ursprung in der Tätigkeit als Elefantenjägerinnen gehabt haben könnten.
Ihre Zahl nahm jedenfalls mit der territorialen Ausbreitung des Königreichs zu. Da durch Kriege viele Männer gestorben waren und auch der Sklavenhandel dazu beitrug, ließ Anfang des 19. Jahrhunderts König Gezo (auch: Ghezo) das bereits bestehende Frauenheer deutlich vergrößern, um damit die Verluste auszugleichen. Dahomey war zwar innerhalb der Region mächtig, besaß aber keine Vorherrschaft. Vor allem das benachbarte Königreich Oyo war ein starker Widersacher, mit dem es immer wieder militärische Konflikte gab. Auf diese Weise nahm der Anteil weiblicher Soldaten in Dahomey zu, sie waren offizieller Teil der Armee.
Nun wurden regelmäßig junge Frauen zum Militär eingezogen. Es handelte sich aber nicht nur um Einheimische, sondern es wurden auch weibliche Gefangene in das Heer integriert. Damit bestanden die Agojie aus Angehörigen verschiedener Stämme der Region. Man geht davon aus, dass sie in der Höchstphase etwa ein Drittel der Soldaten von Dahomey stellten.
"Schwarzes Sparta": Militärischer Drill und Entbehrungen
Die Agojie wurden dabei einem sehr intensiven Training unterzogen. Es war darauf ausgerichtet, dass sie schnell und rücksichtslos handeln und große Schmerzen ertragen konnten. So ist etwa berichtet, dass sie über Hänge mit Dornenbüschen klettern mussten. Auch fanden entbehrungsreiche Expeditionen statt.
Es herrschte ein starker Drill und es wurden regelmäßig Militärübungen abgehalten. Diese unterschieden sich aber deutlich von dem, was man aus Europa kannte, denn sie wurden neben Musik auch mit Tanz verbunden. So warfen etwa die Frauen die von ihnen getragenen Musketen in die Luft und fingen sie dann geschickt wieder auf.
Der britische Entdecker Richard F. Burton, der 1863 nach Dahomey kam, war erstaunt über die kräftigen Körper der Agojie und bezeichnete sie als "schwarze Spartanerinnen ".
Neben Musketen nutzten die Agojie Keulen und Dolche als Waffen.
Unnahbarkeit und politischer Einfluss
Sie besaßen dabei einige Privilegien, so durften sie etwa in den königlichen Palästen leben. Allerdings mussten sie den Zölibat einhalten. Der König konnte sie jedoch zu seiner Frau nehmen, seltener wurden sie mit anderen hohen Personen des Königreichs verheiratet. Das Ansehen, dass die Agojie in Dahomey genossen, lässt sich auch an dem Brauch erkennen, dass eine Dienerin eine Glocke läuten ließ, wenn die Soldatinnen draußen unterwegs waren. Die Bewohner mussten diesen dann Platz machen und dabei die Augen abwenden.
Grundsätzlich bedeutete die Zugehörigkeit zu den Agojie für die Frauen einen sozialen Aufstieg, denn sie waren angesehen und konnten politischen Einfluss auf den König ausüben. Nicht zuletzt hatten sie Zugang zu Vorräten, darunter Tabak und Alkohol.
Kriege mit Frankreich: Das Ende von Dahomey
Nach dem Ende des Sklavenhandels gingen die europäischen Mächte dazu über, sich afrikanische Gebiete, die wegen ihrer Rohstoffe interessant waren, anzueignen. In Westafrika war vor allem Frankreich als Kolonialmacht aktiv. Abgeschlossene Verträge mit Dahomey erlaubten es französischen Händlern sich an dem Küstenort Cotonou niederzulassen. Dort bauten die Franzosen ihre Macht aber zunehmend aus. Vor allem beherrschten sie den Hafen, was von Dahomey als Untergrabung der eigenen Souveränität betrachtet wurde und 1890 zum Krieg führte. Bei den Kämpfen gelang es den Agojie in eine französische Festung einzudringen, dennoch musste sich die Armee am Ende wieder zurückziehen. Dahomey unterzeichnete als Folge einen Friedensvertrag, in dem Cotonou und der benachbarte Ort Porto Novo an Frankreich abgetreten wurden.
Dieser Frieden währte allerdings nicht lange. Als 1892 ein französisches Kanonenboot im Gebiet von Dahomey beschossen wurde, griff Frankreich mit gut 3.000 Soldaten das Königreich an. Neben französischen Offizieren und Angehörigen der Fremdenlegion wurden viele Soldaten aus dem Senegal und Gabun eingesetzt. Der Anführer der Expedition, Colonel Alfred Dodds, war dabei selbst gemischter Herkunft und im Senegal geboren.
Um den französischen Vormarsch nach Abomey zu stoppen, setzte Dahomey auf eine Reihe gezielter Überfälle entlang der Marschroute. An diesen waren auch viele Agojie beteiligt, der Großteil von ihnen fand in diesem Krieg den Tod. Den besser ausgerüsteten französischen Truppen gelang es schließlich, Abomey einzunehmen. Nun beherrschten die Franzosen das Gebiet, offiziell regierte aber noch ein von ihnen eingesetzter einheimischer König. 1900 ging Frankreich dazu über, das Gebiet unmittelbar zu kontrollieren. Damit endete das Königreich Dahomey und wurde eine französische Kolonie.
Mit der Kolonisierung endete auch die Geschichte weiblicher Soldaten, dieses Phänomen war damit wieder aus Westafrika verschwunden. Die letzte Überlebende der Agojie starb 1979.
Anhaltendes Interesse
Im kollektiven Gedächtnis hat sich die Erinnerung an die damaligen weiblichen Krieger und Soldaten gehalten. In der Populärkultur wurde die Geschichte der Agojie in den "Black Panther"-Comics verarbeitet, wo 1998 erstmals eine weibliche Eliteeinheit namens Dora Milaje zu sehen ist, die dem fiktiven schwarzafrikanischen Staat Wakanda dient. Im 2018 veröffentlichten Kinofilm "Black Panther" nehmen diese dann deutliche Züge der Agojie an und sorgten für einen deutlichen Popularitätsschub dieser Kriegerinnen. Nicht zuletzt ist das Thema auch für den in Afrika aufkommenden Feminismus von Bedeutung. Mit "The Woman King" kommt nun ein Historienfilm in die Kinos, der erstmals die Geschichte der Agojie verarbeitet.
Verwendete Quellen:
- The women soldiers of Dahomey (UNESCO Series on Women in African History), 2014
- Fleur Macdonald: The legend of Benin’s fearless female warriors, bbc.com vom 27. August 2018.
- Dunja Sadaqi u. Antje Diekhans: Afrikas Frauen stehen auf, Deutschlandfunk Kultur (online) vom 20. April 2021
- Mike Dash: Dahomey’s Women Warriors, Smithsonian Magazine (online) vom 23. September 2011
- Werner Peukert: Der atlantische Sklavenhandel von Dahomey 1740-1797. Wirtschaftsanthropologie und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1978.
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