Seit mehr als 30 Jahren finden Hobby-Paläontologen in einer Kiesgrube immer wieder Skelette von Walen und Haien. Der jüngste Fund ist aber besonders.

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Behutsam legt Hobby-Paläontologe Wolfgang Höpfner den Knochen frei. Die Überreste des etwa sechs Meter langen Meeressäugers sind bereits deutlich sichtbar. Im August entdeckte der 67-Jährige den ersten Knochen dieses Ur-Bartenwals - mitten in einer Kiesgrube in Groß Pampau östlich von Hamburg.

Vor etwa elf Millionen Jahren war das Tier in der Ur-Nordsee, auch Miozänmeer genannt, verendet. "Für einen Walgräber ist das fast wie ein Sechser im Lotto", sagt der Norddeutsche stolz. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Gerhard und weiteren Hobby-Paläontologen sucht er in der Kiesgrube bereits seit 1984 nach fossilen Überresten.

Nach dem Fund einer Ur-Robbe im Sommer ist dies bereits die zweite Entdeckung des Teams in diesem Jahr. Doch dieser Fund ist noch spektakulärer. Denn die Walgräber aus Norddeutschland haben im Verband des Skeletts auch einen Beckenknochen des Tiers gefunden, was selten ist.

"In Mitteleuropa ist so ein Fund gar nicht bekannt", sagt Wirbeltier-Paläontologe Oliver Hampe vom Berliner Museum für Naturkunde. "Das ist schon fantastisch." Er sprach von einer "bedeutenden Entdeckung" an einer "einzigartigen Lagerstätte". "Das Sensationelle an diesem Fund ist, dass wir ein relativ vollständiges Skelett haben." Der Beckenknochen wird Hampe zufolge meist nicht mehr gefunden, "da er sich isoliert im Gewebe des Wals befindet und oftmals beim Verwesungsprozess der Tiere verdriftet".

Bereits seit mehr als 30 Jahren graben die engagierten Hobbyforscher in der Kiesgrube nach Fossilien. Die Liste ihrer Funde ist lang. Elf Skelette von Walen und Haien haben sie bereits gefunden. Vor rund elf Millionen Jahren bedeckte die Nordsee noch weite Teile Norddeutschlands. "Wir befinden uns hier in Küstennähe der Ur-Nordsee", sagt der Paläontologe Hampe.

Norddeutschland war von Ur-Meer bedeckt

"Man kann hier richtig in die Tiefe der Ur-Nordsee schauen", sagt Grabungsleiter Gerhard Höpfner. Der jüngste Fund freut den pensionierten Berufsschullehrer besonders. Zwillingsbruder Wolfgang erinnert sich noch genau an den Tag der Entdeckung. "Zuerst schaute nur ein Knochenteil aus dem Ton-Abhang heraus", sagt er. Eine Woche später hätten die Hobbygräber den ersten Schwanzknochen freigelegt. "Und dieser Tag war noch nicht zu Ende, da stießen wir auf den Schädel."

Eine geologische Besonderheit macht die Kiesgruppe für die Forscher so interessant. Dort liegt der ehemalige Meeresboden nicht wie andernorts etwa in rund 150 Metern Tiefe, sondern nur wenige Meter unter der Erdoberfläche. "Es gibt in dieser Form in Nordwesteuropa nichts Vergleichbares", sagt Wissenschaftler Hampe, der die Funde aus Groß Pampau wissenschaftlich betreut.

Die Tonschicht, in die die Tiere nach ihrem Tod vor Millionen Jahren eingesunken sind, liegt über einem Salzstock. "Das Salz drückt das Gestein langsam nach oben", sagt Hampe. Durch den Kiesabbau vor Ort gelangen sie schließlich ans Tageslicht. Ein Ende sei dabei so lange nicht in Sicht, so lange der Abbau weitergehe, sagte der Wissenschaftler: "Wir erwarten in Groß Pampau noch einiges an Funden."

Die neuen Funde kommen in das Lübecker Museum für Natur- und Umwelt. Dort sind bereits andere Fossilien aus der Kiesgrube in Groß Pampau zu sehen.  © dpa

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