Sie war über sechzig Meter lang, hatte drei große Masten und eine Besatzung von 437 Mann: Im Jahr 1628 war die Vasa ein Schiff der Superlative. Das Prestigeprojekt sollte die Vormachtstellung Schwedens in der Ostsee sichern – und wurde zu einem historischen Fiasko. Denn nach nur 1.300 Metern auf See sank das Schiff und blieb Jahrhunderte lang auf dem Grund der Ostsee. Erst in den 1950er Jahren stieß ein Forscher auf das Wrack.
In den 1620er Jahren herrschte in Europa der Dreißigjährige Krieg. Der wurde zwar hauptsächlich auf deutschem Boden ausgefochten, betraf durch enge Bündnisse und Verwandtschaften aber auch angrenzende Reiche. Das Königreich Schweden war zu diesem Zeitpunkt eine aufstrebende Seemacht. Der schwedische König Gustav II. Adolf war protestantisch und versuchte, seine Interessen gegen das katholische Polen-Litauen im Ostseeraum durchzusetzen.
Um diese Macht zu demonstrieren, gab er drei neue Schiffe für die Marine in Auftrag: die Kronan (Krone), die Äpplet (Apfel) und die Vasa (Name der Königsdynastie). Der Auftrag ging an zwei Privatunternehmer: "Henrik Hybertsson war der Konstrukteur und Leiter der Werft, Arendt de Groote der Chefeinkäufer. Sie stammten aus den Niederlanden", sagt Fred Hocker, Forschungsdirektor im Vasa-Museum in Stockholm. 100.000 Reichstaler kostete allein der Bau der Vasa, die mit über 50 Meter hohen Masten und 64 Kanonen alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte.
Jäher Windstoß beendet Jungfernfahrt nach nur 20 Minuten
Am 10. August 1628 stach die Vasa schließlich in See. Mit vier gesetzten Segeln und Salutschüssen fuhr das Schiff am Königspalast vorbei. Ein jäher Windstoß besiegelte nach nur 20 Minuten die Jungfernfahrt: Das Schiff kippte, lief mit Wasser voll und sank. Dabei kamen dreißig bis fünfzig Menschen ums Leben.
"Das Schiff war schlecht konstruiert, zu hoch und schwer über der Wasserlinie und zu flach unter der Wasserlinie, sodass nicht genügend Unterboden vorhanden war, um das Gewicht des Oberwerks zu tragen", erklärt Hocker. "Dadurch lag der Schwerpunkt des Schiffes zu hoch, sodass schon eine geringe Windstärke ausreichte, um das Schiff zum Kippen zu bringen."
Eine unnötige Katastrophe
Dabei wussten die Admiralität und sogar der Schiffskapitän von diesen Problemen. Kapitän Söfring Hansson ließ am Vortag des Unglücks die Stabilität des Schiffes testen, indem er dreißig Seemänner von einer Seite des Decks zur anderen rennen ließ. Bereits diese kleine Gewichtsverlagerung brachte das Schiff bedrohlich zum Schwanken.
Auch die Admiralität kannte die Risiken, schickte die Vasa aber dennoch auf See. Man hoffte im Anschluss an die Jungfernfahrt auf eine Reparatur. "Heute würden wir sagen, dass der König ein Entscheidungsumfeld geschaffen hatte, in dem seine Untergebenen Angst hatten, ihm die Wahrheit zu sagen, und zu viel Wert darauflegten, es dem Chef recht zu machen, anstatt für Sicherheit zu sorgen", erläutert Hocker.
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Am Tag des Unglücks kamen dann auch noch persönliche Fehler hinzu: Kapitän Hansson ließ nach den Salutschüssen die Kanonenscharten aufgeklappt. Als das Schiff durch den Wind kippte, drang so Wasser in den Rumpf, was den Untergang endgültig besiegelte.
Die Folgen der Blamage
Nach dem Untergang beauftragte der König die Bergung der Kanonen. Tatsächlich gelang es dem schottischen Taucher Jacob Maule im Jahr 1663, über fünfzig bronzene Kanonenrohre aus dem Wrack zu bergen. Die noch aus dem Wasser ragenden Mastspitzen wurden gekappt, damit die übrige Schifffahrt nicht behindert wurde.
Die politischen Auswirkungen dieser Krise blieben gering. Zwar kam es zu einem Gerichtsprozess, der den Vorfall aufarbeiten sollte, doch dieser blieb weitgehend ein Feigenblatt: "Bis 1628 war die Seesituation in der Ostsee stabil, und der Verlust der Vasa hatte keine wesentlichen Auswirkungen auf den Krieg in Polen-Litauen. Alle beteiligten hochrangigen Offiziere blieben auf ihren Posten", sagt Hocker.
Künftige Schiffe der schwedischen Marine wurden fortan tiefer und mit weniger Kanonen gebaut. Außerdem vergab der Staat keine Aufträge mehr an private Unternehmer.
Ein Schatz für die Wissenschaft
Für die Wissenschaft war dieses Unglück ein wahrer Glücksfall. Die Ostsee ist sehr sauerstoffarm, weshalb in dieser Gegend nur wenige Schiffsbohrwürmer vorkommen. Wracks aus Holz, die andernorts schnell zersetzt würden, überstehen hier fast unbeschadet die Jahrhunderte.
Seit 1951 suchte der Meeresarchäologe Anders Franzén in der Stockholmer Bucht nach der Vasa. 1956 fand er schließlich das Wrack – in außergewöhnlich gutem Zustand. In einem der aufwendigsten Prozesse der Schifffahrtsarchäologie wurde es gehoben, stabilisiert und über Jahrzehnte restauriert. Heute steht die Vasa im gleichnamigen Museum in Stockholm.
Das Unglück fand sogar Einzug in die Management- und Marketingwelt: Als "Vasa-Syndrom" bezeichnet man ein Kommunikationsproblem, das zum Scheitern eines ganzen Vorhabens führt.
Über den Gesprächspartner
- Fred Hocker (Ph.D.) ist Archäologe und Experte für historische Schiffsarchäologie. Er ist darüber hinaus Forschungsdirektor im Vasa-Museum in Stockholm.
Verwendete Quellen
- vasamuseet.se: Vasa History
- vasamuseet.se: Research
- Buch: "Die Vasa: Die Geschichte des schwedischen Prunkschiffes"