Wurde die Syphilis Ende des 15. Jahrhunderts aus Amerika nach Europa eingeschleppt oder gab es sie hier bereits? Lange war umstritten, wo der Erreger von Syphilis herkam. Nun zeigt eine Studie ein recht eindeutiges Bild.

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Syphilis ist aus der Neuen Welt nach Europa eingeschleppt worden. Die weltweite Ausbreitung ist folglich erst der Kolonialzeit zuzuschreiben. Das schließen Forschende aus der genetischen Analyse der Knochen von Menschen, die um oder vor der Ankunft von Kolumbus in Mittel- und Südamerika lebten.

"Die Daten zeigen eindeutig, dass die Syphilis und ihre bekannten Verwandten ihren Ursprung in Amerika haben, und ihre Einschleppung nach Europa ab dem späten 15. Jahrhundert stimmt mit diesen Daten überein", sagt Studienleiterin Kirsten Bos vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Verursacht wird Syphilis durch das Bakterium Treponema pallidum, dessen Unterarten auch die Infektionskrankheiten Bejel und Frambösie auslösen. Erstmals historisch dokumentiert ist Syphilis im Jahr 1495 - also drei Jahre nach der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika und kurz nach seiner Rückkehr nach Europa.

Frage nach Ursprung gab lange Zeit Rätsel auf

Der Syphilis-Erreger stammt aus Amerika
Skelettelement (obere Hüfte), das ein uraltes, Syphilis ähnliches Erregergenom enthielt. © dpa / Darío Ramirez

Umstritten war die Frage, ob die Krankheit von Amerika nach Europa gelangt war, oder ob sie umgekehrt - wie so viele andere Infektionskrankheiten, etwa die Pocken - von Europa nach Amerika gebracht wurde. Zu der Verwirrung trug bei, dass Syphilis an Knochen und Zähnen Läsionen hinterlässt. Da in Europa Skelette aus der Zeit vor 1492 mit ähnlichen Schädigungen entdeckt wurden, glaubten manche Forscher, die Krankheit habe es hier schon im Mittelalter gegeben. Allerdings gibt es ältere Knochen mit Syphilis-ähnlichen Läsionsmustern auch in Amerika.

Das internationale Forschungsteam rekonstruierte nun aus Knochen- und Zahnresten aus Mexiko, Chile, Peru und Argentinien fünf Genome von Syphilis-Erregern. "Obwohl die Untersuchung aufgrund des schlechten Erhaltungszustands einige analytische Herausforderungen mit sich brachte, konnten wir die Beziehungen zwischen diesen ausgestorbenen Formen und den Stämmen, die heute weltweit die Gesundheit beeinflussen, sicher bestimmen", sagt Erstautor Lesley Sitter.

"Syphilis, Frambösie und Bejel sind also moderne Überbleibsel von Erregern, die einst in Amerika kursierten."

Rodrigo Barquera, Ko-Erstautor

Demnach zirkulierte der Erreger Treponema pallidum in Amerika schon lange vor der Ankunft von Kolumbus - und zwar in großer genetischer Vielfalt. "Wir fanden ausgestorbene Schwesterlinien für alle bekannten Formen dieser Krankheitsfamilie", sagt Ko-Erstautor Rodrigo Barquera. "Syphilis, Frambösie und Bejel sind also moderne Überbleibsel von Erregern, die einst in Amerika kursierten."

Der gemeinsame Vorläufer der analysierten Unterarten könnte demnach auf dem Kontinent mitunter schon vor bis zu 9.000 Jahren kursiert haben.

Erreger gelangten Ende des 15. Jahrhunderts nach Europa

Nicht ganz ausschließen lasse sich jedoch, dass spätere sibirische Zuwanderer nach Amerika den Erreger ab vor etwa 5.000 Jahren aus Eurasien mitgebracht hätten, schreibt die Gruppe im Fachjournal "Nature". Das sei aber sehr unwahrscheinlich.

Demnach gelangten die Erreger gegen Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert nach Europa und verbreiteten sich von dort aus um den Globus. "Während die indigenen Bevölkerungsgruppen Amerikas an den frühesten Formen dieser Krankheiten litten, spielten die Europäer eine entscheidende Rolle bei ihrer weltweiten Verbreitung", sagt Bos. (Walter Willems, dpa/bearbeitet von sbi)

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