Die Stimmung der österreichischen Unternehmer ist schlecht wie schon lange nicht. Die Wirtschaftsleistung schrumpft, das Land verliert im internationalen Vergleich immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit.
Hohe Steuern, Energiepreise und Fachkräftemangel lassen immer mehr Wirtschaftstreibende daran zweifeln, ob Österreich für sie der richtige Standort ist. Jedes zweite Unternehmen spielt laut einer Umfrage mit dem Gedanken, zumindest mit Teilen des Betriebes abzuwandern.
Die schlechte Laune der Manager ist nicht nur eine Momentaufnahme. So verliert Österreich im internationalen Wettbewerbsranking der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD seit Jahren kontinuierlich an Boden. Während der Standort Österreich im Jahr 2020 noch Rang 16 belegt hatte, reichte es heuer nur noch für Rang 26 unter 67 verglichenen Ländern. Sorge um die österreichische Wettbewerbsfähigkeit artikulierten auch die für den am Donnerstag präsentierten Österreichischen Infrastrukturreport befragten Manager: Gaben 2020 noch 61 Prozent der repräsentativ Befragten zu Protokoll, Österreich sei sehr oder eher wettbewerbsfähig, waren es heuer nur noch 29 Prozent.
Im Wettstreit um Investoren konkurrieren die 27 EU-Länder mit viel dynamischeren Wirtschaftsräumen. "Das jährliche BIP-Wachstum der BRICS-Staaten ist achtmal so hoch wie jenes der EU, die NAFTA-Staaten wachsen fünfmal so schnell", sagt David Ungar-Klein, Autor des "Österreichischen Infrastrukturreports 2025" der Initiative Future Business Austria (FBA). Ausschlaggebend für potenzielle Investoren sei neben steuerlichen Anreizen, Rechts- und Planungssicherheit und der Verfügbarkeit von Fachkräften auch die zur Verfügung stehende Infrastruktur – und hier vor allem die digitalen Anbindungen.
Für den Infrastrukturreport wurden heimische Unternehmen nach ihrer Abwanderungstendenz befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: 56 Prozent der befragten Unternehmen, für deren Betrieb grundsätzlich die Möglichkeit einer Abwanderung aus Österreich bestünde, gaben an, aufgrund der aktuellen Situation schon überlegt zu haben, abzuwandern – 17 Prozent mit dem gesamten Betrieb und 39 Prozent mit Teilen ihres Betriebes.
Abwanderung von Unternehmen hätte weitreichende Folgen
Als Gründe nennen die heimischen Manager die hohe Steuer- und Abgabenlast (57 Prozent), Arbeitskräftemangel (41 Prozent), hohe Energiepreise (34 Prozent) und die Teuerung allgemein sowie die Überbürokratisierung (30 Prozent).
Eine Abwanderung produzierender Unternehmen hätte weitreichende Folgen für die Versorgungssicherheit, warnt Ungar-Klein. "Während etwa Anfang der 1990-er Jahre Europa 44 Prozent der globalen Produktionskapazität für Halbleiter bereitstellte, waren es im Jahr 2022 nur noch acht Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil Chinas an der globalen Produktionskapazität von sieben Prozent im Jahr 2005 auf 24 Prozent im Jahr 2022 gestiegen." Im Bereich der Arzneimittelversorgung würden rund 80 Prozent der in Europa benötigten Wirkstoffe aus Drittländern stammen – größtenteils aus Indien und China. Gut drei Viertel der befragten Manager seien der Ansicht, dass Österreich die eigene Gewinnung von Rohstoffen wie Lithium oder Gas verstärken sollte. Ein Drittel ist dafür, Atomstrom als Alternative zu fossilen Energieträgern heranzuziehen.
Neben dem Mangel an Fach- und Arbeitskräften an sich beklagten die Manager auch einen deutlichen Rückgang der Arbeitsmoral. Während im vergangenen Jahr 34 Prozent der befragten Führungskräfte angaben, dass die Bereitschaft zur Leistung in ihren Unternehmen gesunken sei, ist es heuer bereits mehr als die Hälfte (57 Prozent).
Milliarden-Produktivitätswachstum durch digitale Infrastrukturen möglich
Eine Schlüsselrolle für die Wettbewerbsfähigkeit wird dem Standortfaktor Infrastruktur zugesprochen. Durch den Ausbau digitaler Infrastrukturen in Österreich wäre ein Produktivitätswachstum um gut 90 Milliarden Euro möglich – das zeigt eine Modellrechnung des Österreichischen Infrastrukturreports, der am Donnerstag im Rahmen des "22. Future Business Austria – Standort- und Infrastruktursymposiums" präsentiert wird. "Die Digitalisierung und der Ausbau der Energieinfrastruktur sollten höchste Priorität genießen, um die Leistungsfähigkeit der heimischen Unternehmen und den Wohlstand langfristig zu sichern", sagt der Ökonom Andreas Reinstaller vom Büro des Produktivitätsrates in der Nationalbank.
"Stellt man diese zusätzliche jährliche Produktivitätssteigerung in Relation zu einer Einmalinvestition in Höhe von zehn Milliarden Euro, die laut unserer Schätzung für den flächendeckenden Ausbau der Breitband- und 5G-Infrastruktur anfallen würde, wird deutlich, dass Investitionen in die Infrastruktur der stärkste Hebel der Standortpolitik für mehr Produktivität sind", erklärte Katharina Reinwald, Co-Autorin des Infrastrukturreports. Eine zentrale Forderung des Reports sei daher die Ausarbeitung einer umfassenden "Standort- und Infrastrukturstrategie 2040" nach Schweizer Vorbild für die Bereiche Energie, Verkehr und digitale Infrastrukturen. (APA/bearbeitet von tas)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.