Ist Anpassung an die Bedürfnisse von Gästen professionelle Fremdenverkehrsarbeit oder doch simples Anbiedern? Wie schmal die Grenze zwischen Service und Selbstverleugnung ist, zeigt das Beispiel Zell am See.
Was gab es seinerzeit für einen Aufschrei, als der ORF die Frechheit besaß, Felix Mitterers "Piefke-Saga" auszustrahlen? Wiederholt wurde den Produzenten vorgeworfen, zur Deutschenfeindlichkeit im Land beizutragen und Österreichs Tourismus zu schädigen. Der Gast ist schließlich König und man will ihn nicht vergraulen.
Wenn alljährlich ab Mai in Zell am See große Gruppen arabischer Gäste anreisen, dann bedeutet das für die kleine Pinzgauer Stadt nicht nur Freude über die gute Auslastung der örtlichen Hotellerie. Dann herrscht eine besondere Stimmung im Ort.
Die Lebensgewohnheiten der Urlauber unterscheiden sich doch wesentlich von jenen der Einheimischen und ihre Präsenz prägt unübersehbar das Ortsbild: Schwarz verschleierte Frauen spazieren mit ihren Familien über die Seepromenade und flanieren durch den Ort; arabische Schriftzeichen und fremde Sprachklänge beherrschen die Stadt. Das gefällt nicht jedem, aber alle profitieren davon.
"Freunde zu Gast in Salzburg"
Diese Urlauber kommen größtenteils aus der Region am Arabischen Golf und finden Gefallen am kühlen Gebirgsklima und am sauberen Wasser. Sie reisen mit ihrer Großfamilie an, bleiben mitunter für mehrere Wochen und verbinden ihren Ferienaufenthalt gerne mit medizinischen Untersuchungen und ausgedehnten Shoppingtouren. Sie sind durchwegs wohlhabend und an Luxus und gewöhnt. Und das erwarten sie auch von ihrem Urlaubsort.
Um den Umgang mit den anspruchsvollen Gästen zu erleichtern, hat die Wirtschaftskammer Salzburg unter dem Motto "Freunde zu Gast in Salzburg" einen umfangreichen Leitfaden herausgegeben. Man erfährt darin über Araber, dass sie beziehungsorientiert und extrem kinderfreundlich seien, dass sie individuelle Vereinbarungen bräuchten, VIP-Betreuung erwarteten und viele Sonderwünsche hätten. Man findet Informationen zu arabischen Essensgewohnheiten, Tipps für den Umgang mit der islamischen Religion und zum Verhalten gegenüber arabischer Frauen und erhält schließlich allgemeine Verhaltensregeln: nichts direkt abschlagen, niemals warten lassen, stets lächeln, bevorzugt männliches Personal, kein Trinkgeld erwarten und vieles mehr.
Verhaltensregeln für arabische Gäste
Die Region hat sich gut auf die Bedürfnisse der Gäste eingestellt. Das zeigen – ganzjährig – arabische Werbetafeln und Hinweisschilder, Gastronomie, das Angebot an großräumigen Fahrzeugen und Dolmetscherdiensten und natürlich das arabisch sprechende Personal im örtlichen Krankenhaus. Dass jedoch manch ein Bewohner von Zell am See seine eigene Identität bedroht sieht, lässt die mittlerweile wieder zurückgezogene Broschüre des Zeller Tourismusverbands erkennen.
Der Willkommens-Folder "Where Cultures Meet" stattete die arabischen Gäste mit Verhaltensregeln für ihren Aufenthalt in Österreich aus. Sie wurden etwa darauf hingewiesen, dass schwarz hierzulande eine Farbe der Trauer ist, dass man Leuten gerne ins Gesicht blicken will, dass Müll nicht überall weggeworfen werden darf oder dass sie nicht vom Boden essen sollen. Nach heftiger Kritik soll der "Araber-Knigge" nun überarbeitet und neu aufgelegt werden.
Von Touristikern als offener Umgang mit dem Thema gelobt, scheiden sich an der Broschüre in der Bevölkerung die Geister: Den einen geht sie nicht weit genug, den anderen erscheint sie rassistisch. Wie weit die Anpassung an den Gast tatsächlich geht, bleibt letztlich eine persönliche Entscheidung. Sicher ist aber: Wer den Gast haben will, wird ihn zufrieden stellen müssen. Die Frage ist nur, um welchen Preis.
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