Noch weiß kein Mensch, wohin die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine führen wird. Ein Verlierer steht bereits fest: Für die russische und ukrainische Wirtschaft ist der Konflikt um die Krim schon heute ein Desaster. Die Aktienmärkte stürzen ab und reißen selbst Riesen wie Gazprom mit sich. Welche Auswirkung muss Österreich fürchten?

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Die Ukraine steht vor dem Bankrott. Kurzfristig sind Schulden in Höhe von acht Millionen Euro zu begleichen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) schuldet die Ukraine 4,5 Milliarden Euro aus Hilfsleistungen früherer Krisen - Geld, das der Staat nicht hat. Und dann wurden vom russischen Gas-Monopolisten Gazprom auch noch die Rabatte auf Erdgaspreise gestrichen.

Zwar wäre eine Staatspleite der Ukraine für die EU verkraftbar und durch Hilfspakete abzuwenden, aber auch Russland, den weitaus wichtigeren EU-Handelspartner trifft die Krise schon jetzt. Das große Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre ist Geschichte, dem Staat droht eine Rezession. Der Wert des Rubels hat einen historischen Tiefstand erreicht, der russische Börsenindex RTS verlor mehr als zehn Prozent. Als zweitgrößter Erdgas- und Erdölproduzent der Welt ist Russland stark von Rohstoffpreisen abhängig und vom aktuellen Verfall des Gaspreises auf dem Weltmarkt betroffen.

Droht im Kriegsfall ein Gas-Engpass?

Die Hälfte des österreichischen Erdgas-Verbrauchs stammt aus Russland. Noch beruhigt die Energiebranche: Ein Engpass sei nicht zu erwarten. Die Speicher der Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft (RAG Austria) sind zur Hälfte gefüllt: Davon könne man gut drei Monate die Versorgung sicherstellen, man sei "überversorgt", sagt RAG-Generaldirektor Markus Mitteregger. Zudem läuft etwa ein Drittel der Gas-Lieferungen Russlands über die Ostsee-Pipeline und nicht über ukrainische Leitungen. Für österreichische Haushalte sind im Moment keine negativen Auswirkungen zu befürchten - noch dazu, wo die warme Jahreszeit vor der Tür steht.

Die Ölpreise zogen am Montag empfindlich an, ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete mit 111,9 Dollar um 2,7 Prozent mehr als am Freitag vergangene Woche. Bilaterale Lieferverträge und große wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit sprechen jedoch gegen Preissprünge. Russland will seine wichtigste Einnahmequelle aus Energieexporten nicht gefährden. Allerdings: Sanktionen seitens der EU könnten Russland durchaus veranlassen, den Energiehahn abzudrehen. Und die Preise will Gazprom in den nächsten Tagen prüfen.

Außenhandel gefährdet

Österreichische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in Russland eine Menge Geld investiert. 70 österreichische Firmen betreiben vor Ort Produktionsstätten, insgesamt stehen etwa 1.200 heimische Unternehmen mit Russland in Handelsbeziehungen. Sie alle wären im Kriegsfall die Verlierer, wie es Österreichs Banken jetzt schon sind. Die Raiffeisen Bank International hat den Wert ihrer ursprünglich um 860 Millionen Euro gekauften Ukraine-Tochter bereits auf Null abgeschrieben, die UniCredit tat dasselbe mit ihrer ukrainischen Ukrsotsbank. Beide wollen sich von ihren Töchtern trennen - allein, Käufer gibt es keine.

Zwar ist Russland Österreichs zehntwichtigste Ausfuhrdestination, jedoch herrscht schon jetzt Zurückhaltung. "Während 2013 ein neuer Rekord verzeichnet wurde, ging der Export heuer etwa zehn bis 15 Prozent zurück", sagt Heinz Walter, bei der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO) als Regionalmanager zuständig für den Bereich Außenwirtschaft GUS. Schuld daran sei hauptsächlich die starke Abwertung des Rubels, der gerade einen historischen Tiefstand gegenüber dem Euro erreicht habe. "Lieferungen von Maschinen und Anlagen - Österreichs wichtigste Exportgüter - sind somit teuer wie nie." Ein Krieg wäre die wohl größte Gefahr. Von einem totalen Zusammenbruch geht die heimische Wirtschaft aber noch nicht aus.

Peter Felsbach, Pressesprecher des Linzer Stahlkonzerns voestalpine, gibt für den Moment Entwarnung: "Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Situation nicht so dramatisch, wie aus menschlicher und politischer." Sein Unternehmen ist in Russland mit drei Gesellschaften operativ tätig und in der Ukraine mit einem Vertriebsbüro vertreten. Den Energiebedarf für die Hochöfen decke man vor allem aus Kohle und Koks, die aus mehreren Ländern bezogen werden. Für das Ende Jänner beauftragte millionenschwere Projekt "South Stream Offshore Pipeline", für das die voestalpine Grobblech hochwertige Röhrenbleche nach Russland liefern soll, erwartet Felsbach keine Störungen.

Börsenkurse auf Talfahrt

Massiv beeinflusst hat der Konflikt die Finanzmärkte schon bei der bloßen Drohung eines Kriegs: Aktienkurse gingen am Montag auf Talfahrt, der deutsche DAX verlor mehr als drei Prozent. Auch Österreichs ATX ist unter Druck. Verlierer sind jene Firmen, die sich in Russland stark engagieren. So fiel etwa der Aktienkurs der Metro AG um fünf Prozent. Raiffeisen International büßte fast zehn Prozent ein.

"Nicht zuletzt aufgrund der Geschäftstätigkeit österreichischer Unternehmen in der Ukraine spürt die Wiener Börse Auswirkungen der Krim-Krise. In den letzten Tagen verzeichnen wir eine gestiegene Volatilität und hohe Umsatzbewegungen", sagt Julia Resch, Pressechefin der Wiener Börse.

Jede weitere Eskalation droht also nicht nur die russische und ukrainische Wirtschaft, sondern die gesamte EU zu belasten. Zu hoffen bleibt also, dass der Konflikt auf politischer und diplomatischer Ebene eingedämmt werden kann.

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