Seit Jahren beschäftigt der Skandal um die Hypo Alpe Adria Ermittler in Österreich und Deutschland. Milliarden wurden im Vorfeld der Notverstaatlichung der Kärntner Bank versenkt. Wie alles begann.
Debakel an allen Fronten
Ob Parteienfinanzierung, Insider-Geschäfte oder Spekulationsverluste: Die Liste der Finanzaffären, in die die Kärntner Hausbank Hypo Alpe Adria mutmaßlich verstrickt ist, lässt sich beinah beliebig erweitern. Nicht grundlos wird die Affäre als der "größte Bankenskandal der zweiten Republik nach dem Bawag-Desaster" bezeichnet.
1992 hatte das Land Kärnten, der die Hypo gehörte, die Grazer Wechselseitige Versicherung (Grawe) als Miteigentümerin ins Boot geholt. Damals belief sich die Bilanzsumme der Bank auf gerade einmal 25,8 Milliarden Schilling (1,9 Milliarden Euro). Wolfgang Kulterer übernahm den Posten des Vorstandschefs, die Hypo wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Unter Kulterer beginnt eine beispiellose Expansion auf dem Balkan. Im Dezember 2006 zahlt der deutsche Investor Tilo Berlin 125 Millionen Euro für einen 4,5-Prozent-Anteil an der Bank.
2007 kündigt die Grawe an, weitere Hypo-Anteile an Berlin zu verkaufen. Hinter den Kulissen laufen jedoch bereits Gespräche mit dem Chef der Bayerischen Landesbank (BayernLB), Werner Schmidt. Nach einer weiteren Zahlung erhält die Berlin-Gruppe die Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie); im Mai wird die Bank um 1,62 Milliarden Euro an die vom damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider favorisierte BayernLB verkauft. Die BayernLB hält nun knapp über 50 Prozent, die Grawe 26,45 Prozent, das Land Kärnten 20 Prozent, die Mitarbeiterstiftung der Hypo 3,33 Prozent und Berlin & Co 0,22 Prozent.
Hypo wird zum Fass ohne Boden
Die Hypo verschlingt immer mehr Geld: Ende November 2007 pumpen die Bayern 440 Millionen frisches Kapital in ihre Kärntner Tochter; die Grawe schießt knapp 160 Millionen Euro zu. 2008 wird ein neues Rettungspaket nötig - diesmal zahlt die BayernLB 700 Millionen Euro. Aus dem Bankenhilfspaket des Bundes bekommt die Hypo zusätzlich eine Kapitalhilfe in Höhe von 900 Millionen Euro. Inzwischen haben die Berliner die Nase voll und steigen aus.
Trotz der Hilfen gibt die Hypo im April 2009 einen Nettoverlust für das Geschäftsjahr 2008 in Höhe von 520 Millionen Euro bekannt. Es folgen Razzien in Bayern und Kärnten: In München hegt man den Verdacht, die BayernLB habe 400 Millionen Euro zu viel für die marode Bank bezahlt. Im Herbst kündigt die Hypo an, 2009 ein Minus von "deutlich mehr als einer Milliarde" Euro zu schreiben. Sie braucht eine neue Finanzspritze in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro - die keiner zahlen will: Bayern streikt, Kärnten verlangt Hilfe vom Bund.
Drei Euro Verkaufspreis und 3,7 Milliarden Euro Schaden
Das Bilanzloch ist schließlich so groß, dass die Hypo unter die Mindestkernkapitalquote fällt, woraufhin die Bankenaufsicht ein Ultimatum stellt. Mitte Dezember 2009 wird die Hypo Alpe Adria notverstaatlicht- um symbolische drei Euro (einen für jeden verbliebenen Investor).
Die Bayern verzichten auf 825 Millionen Euro, das Land Kärnten und die Grawe steuern 200 respektive 30 Millionen Euro bei, der Bund zahlt 450 Millionen Euro. Allein für die BayernLB bleibt unterm Strich ein Minus von 3,7 Milliarden Euro.
Wie bei so einigen der Korruptionsfälle, die Österreich beschäftigen, ist ein Ende des Hypo-Skandals nicht absehbar. Im Gegenteil: Ende 2012 ist die Affäre wieder hochgekocht. Lesen Sie nächste Woche in unserer Serie "Österreich tanzt Tango Korrupti", von wem das Land Kärnten der Hypo wegen Schadenersatz verlangt und weshalb die Republik Österreich ihre Zinszahlungen an die BayernLB eingestellt hat.
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