Der Bawag-Skandal: Refco-Pleite, Millioenverluste, Karibik-Spekulationen und immer wieder Helmut Elsner. Wie es zum größten Bankenskandal der Zweiten Republik kommen konnte.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Refco-Krimi zieht Bawag in den Abgrund

Insgesamt 425 Millionen Euro soll die Bawag - gemessen an der Bilanzsumme damals die fünftgrößte Bank des Landes - 2005 dem maroden US-Brokerhaus Refco zugeschanzt haben, an dem die Bawag bis 2004 beteiligt gewesen war.

Laut "Profil"-Recherchen gewährte der Bankenvorstand einer privaten Gesellschaft des früheren Refco-Chefs Phillip R. Bennett im Oktober 2005 zusätzlich einen Blitzkredit in Höhe von 350 Millionen Euro, allerdings ohne den Aufsichtsrat explizit zu informieren. Nur Stunden nach Eingang der Überweisung war die Bank pleite.

Ex-Refco-Chef Bennett sitzt derzeit in New Jersey eine 16-jährige Haftstrafe wegen Bilanzbetrugs ab. Das Debakel um sein Brokerhaus hatte die Spekulationsverluste der Bawag erst auffliegen lassen. Gegen Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner wird in der Causa Refco seither ermittelt; die Staatsanwaltschaft Wien überlegt derzeit allerdings, das Ermittlungsverfahren einzustellen.

"Karibik-Geschäfte" der Bawag unter der Lupe

2006 - im Abgesang der Refco-Pleite - wurde klar, dass die Bawag mindestens eine Milliarde Euro über Briefkastenfirmen in der Karibik verloren hatte. Laut Medienberichten reichen die Karibikgeschäfte der Bank bis ins Jahr 1987 zurück. 1994 wurden die Geschäfte demnach ausgesetzt. Schon damals stand Spekulant Wolfgang Flöttl in der Kritik: Er war nicht nur Partner der Bank, sondern auch der Sohn des damaligen Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl. Im Herbst 1995 nahm die Bawag ihre Geschäfte unter dem neuen Generaldirektor Hannes Elsner wieder auf.

Die Oesterreichische Nationalbank nahm die Karibik-Geschäfte der Bawag zwischen Dezember 2000 und Februar 2001 unter die Lupe - laut "Profil" auf persönliche Weisung des damaligen FPÖ-Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Die OeNB soll dabei auf mysteriöse "Sondergeschäfte" zwischen Wien, Liechtenstein und der Karibik gestoßen sein. Der Bericht landete dem Magazin zufolge auch auf dem Schreibtisch des Ministers, verschwand dann jedoch in einer Schublade. Unklar ist, warum der Skandal nicht schon damals aufgedeckt wurde.

Anfang Mai 2006 gab es einen weiteren Prüfbericht der OeNB (PDF), den die Zeitschrift "News" veröffentlichte. Darin stellten die Prüfer von OeNB und Finanzmarktaufsicht (FMA) eine interessante Frage in den Raum: nämlich "wie wahrscheinlich es ist, dass ein erfahrener Portfoliomanager wie Wolfgang Flöttl über Jahre hindurch jedes ihm anvertraute Geld in einen Totalverlust führt".

Elsner beklagt "Charakter eines Schauprozesses"

Ein Versuch, Elsner 2006 anlässlich von Vorerhebungen wegen des Verdachts der Untreue und persönlicher Bereicherungen einzuvernehmen, scheiterte. Der Ex-Banker behauptete, zu krank zu sein, und legte sogar ein ärztliches Attest vor. "News" veröffentlichte indes Bilder vom offensichtlich nicht ganz so beeinträchtigten Elsner im Porsche - was auch Staatsanwalt Georg Krakow auf den Plan rief. Dieser befürchtete Fluchtgefahr und erwirkte einen europäischen Haftbefehl.

Am 14. September 2006 klickten die Handschellen: Elsner wurde in seiner Villa verhaftet. In den folgenden Monaten versuchte der herzkranke Ex-Manager mit allen Mitteln, seine Auslieferung zu verhindern. Er zog dafür sogar vor das französische Höchstgericht in Paris. Mitte Februar 2007 wurde er nach langem hin und her an Österreich ausgeliefert.

Mitte Juli 2007 startete im Wiener Landesgericht der erste Bawag-Prozess mit Elsner als Hauptangeklagtem. Dieser fühlte sich von Richterin Claudia Bandion-Ortner schlecht behandelt. "Das Ganze hat hier schon den Charakter eines Schauprozesses." Als ihn Bandion-Ortner nach Urlaubsreisen in Frankreich und der Schweiz befragte, monierte Elsner: "Sie interessieren sich für alles Mögliche, aber nicht, wo das Geld ist, das der Flöttl verjankert hat".

Alle Angeklagten schuldig gesprochen

Der erste Bawag-Strafprozess ging am 4. Juli 2008 zu Ende. Richterin Claudia Bandion-Ortner sprach alle neun Angeklagten schuldig. Für Hannes Elsner setzte es eine saftige Strafe: 9,5 Jahre Haft sowie sechs Millionen Euro Schadenersatz wegen Untreue, schweren Betrugs sowie Bilanzfälschung. Den von ihm verursachten Schaden bezifferte man auf 1,72 Milliarden Euro.

Gemeinsam mit Elsner angeklagt waren:

  • Investmentbanker Wolfgang Flöttl (2,5 Jahre Haft, davon 20 Monate bedingt; Flöttl habe gewusst, dass die Rückzahlung der Kredite unwahrscheinlich war.)
  • Elsner-Nachfolger Generaldirektor Johann Zwettler (fünf Jahre unbedingt; 967 Millionen Euro verursachter Schaden)
  • Generalsekretär Peter Nakowitz (vier Jahre unbedingt, eine Milliarde Euro Schaden)
  • Aufsichtsratspräsident Günter Weninger (2,5 Jahre Haft, zwei Jahre davon bedingt - wegen Beihilfe zur Untreue)
  • Ex-Vorstand Christian Büttner (18 Monate bedingt, sechs Monate umgewandelt in eine Geldstrafe von 36.000 Euro; er habe den "Wahnsinn" richtig erkannt, sei aber zu schwach gewesen, um richtig zu reagieren.)
  • Ex-Vorstand Josef Schwarzecker (3,5 Jahre unbedingt; 484 Millionen Euro Schaden)
  • Ex-Vorstand Hubert Kreuch (3,5 Jahre Haft wegen Untreue und Bilanzfälschung; ebenfalls 484 Millionen Euro Schaden)
  • Wirtschaftsprüfer Robert Reiter (drei Jahre Haft, eines davon unbedingt, weil: "Ein Bankprüfer darf sich nicht auf solche abenteuerlichen Konstruktionen einlassen.")

Verfahren landet vor dem OGH

Alle Verurteilten bis auf Wolfgang Flöttl legten Rechtsmittel gegen die Urteile ein. Mitte Oktober 2010 stellte die Generalprokuratur schwere Verfahrensmängel fest, woraufhin der Oberste Gerichtshof Ende Dezember einer Nichtigkeitsbeschwerde von Helmut Elsner teilweise stattgab. Trotzdem fasste Elsner die Höchststrafe von zehn Jahren aus.

Nur das Urteil gegen Elsner-Nachfolger Ex-Bankchef Zwettler blieb vom OGH unangetastet: fünf Jahre Gefängnis. Allerdings ist Zwettler haftuntauglich. Die restlichen Urteile wurden an die erste Instanz zurückgegeben - weshalb es zur Neuauflage des Prozesses kam.

In unserer Serie "Österreich tanzt Tango Korrupti" fassen wir die wichtigsten Korruptionsfälle der vergangenen Jahre zusammen - immer freitags und freilich ohne Garantie auf Vollständigkeit. In der nächsten Ausgabe erwartet Sie die Fortsetzung der Bawag-Affäre - und die Antwort darauf, weshalb Ex-Bawag-Chef Elsner trotz Verurteilung noch immer nicht hinter Gittern sitzt.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.