Land der Berge, Land am Strome - nämlich dem der Korruption. Eine Tragödie in zu vielen Akten. Heute: die "Cash-for-Laws"-Affäre um Ernst Strasser.

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"Ich muss aufpassen: Lobbying riecht man"

Die Polit-Karriere von Österreichs ehemaligem Innenminister und ÖVP-Delegationschef im Europaparlament Ernst Strasser fand mit der "Cash-for-Laws"-Affäre ein äußerst unrühmliches Ende. Ende März 2011 deckte die "Sunday Times" auf, dass mehrere EU-Abgeordnete für Geld auf die Wünsche von Lobbyisten bei neuen EU-Regelungen eingehen. Monatelang hatten als Lobbyisten getarnte Journalisten Parlamentarier umworben und Gespräche mit ihnen aufgezeichnet.

Die "Times" veröffentlichte unter anderem ein Video, in dem Strasser freimütig von seinen Lobbyverträgen spricht - und auch davon, Nebeneinkünfte dem Parlament nicht gemeldet zu haben. Er arbeite für fünf Firmen, die ihm jährlich 100.000 Euro bezahlten. "Wenn man da als Mitglied des Europaparlaments auftritt, öffnet das Türen in anderer Weise als als Lobbyist", erklärte Strasser.

Opfer einer Hetzkampagne

Strasser trat als erster der drei ertappten EU-Politiker von seinem Mandat zurück - nach eigenen Angaben, "weil es in Österreich eine Kampagne gegen mich gegeben hat". Diese habe eine "Optik erzeugt, die der Volkspartei schadet". Strasser hatte bis zuletzt behauptet, er sei nur zum Schein auf die Angebote der vermeintlichen Lobbyisten eingegangen, um deren Hintermänner zu enttarnen, die er in Geheimdienstkreisen vermutete.

Ende November ist indes der Prozess gegen Strasser gestartet. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem Ex-Politiker Bestechlichkeit vor. Strasser gab zum Prozessauftakt zu Protokoll, er habe die Journalisten für Geheimdienst-Agenten gehalten und "eine ganze Reihe von Fallen gestellt, wo ich draufkommen wollte, wo die herkommen". Für den Ex-Politiker geht es um bis zu zehn Jahre Haft.

E-Mails belasten Ernst Strasser

In der Verhandlung tauchten belastende E-Mails von Strasser auf. Er soll seine Mitarbeiterinnen angewiesen haben, bei seinen ÖVP-Kollegen Othmar Karas und Hella Ranner nachzuforschen, ob man bei einer Anlegerschutz-Richtlinie rechtzeitig einen Abänderungsantrag einbringen könne. Derartige Änderungen hatten sich die britischen Journalisten gewünscht.

Ein Urteil wurde ursprünglich für Mitte Dezember erwartet, der Prozess wird am 11. Jänner fortgesetzt. Dann soll auch der von Verteidiger Thomas Kralik als Entlastungszeuge nominierte Steuer- und Unternehmensberater Thomas Havranek aussagen. Er hatte in Strassers Auftrag angeblich versucht, Informationen über die vorgebliche Firma der Investigativjournalisten einzuholen.

Strasser ist jedoch nicht der einzige Politiker, der für Geld die eine oder andere Grenze überschreitet - und sich angeblich keiner Schuld bewusst ist. In den vergangenen Jahren wurde Österreich von einer ganzen Reihe von Korruptionsskandalen gebeutelt. In unserer neuen Serie "Österreich tanzt Tango Korrupti" fassen wir die wichtigsten zusammen - immer freitags und freilich ohne Garantie auf Vollständigkeit. Lesen Sie nächste Woche, wie es um den Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly bestellt ist, der derzeit ebenfalls vor Gericht steht.

Vielleicht wollte Richter Georg Olschak ein Exempel statuieren. Strassers Behauptung, er habe die Journalisten für Geheimdienstagenten, zählte Olschak "wohl zum Abenteuerlichsten, was mir in meiner 20-jährigen Erfahrung untergekommen ist". Doch nicht nur Strassers eigene Argumentation dürfte die eine oder andere Lücke gehabt haben: Verteidiger Thomas Kralik hatte Österreich im Verlauf des Prozesses als "Bananenrepublik" verunglimpft.

Nachtrag vom 14. 01.2013: Der Prozess gegen Ernst Strasser ging am 14. Jänner zu Ende. In erster Instanz wurde er wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren Haft verurteilt - unbedingt. Eine elektronische Fußfessel ist aufgrund des hohen Strafmaßes vom Tisch. Noch ist das Urteil aber nicht rechtskräftig.

Nachtrag vom 26.11.2013: Der OGH hob das Urteil aus erster Instanz wegen eines Formfehlers auf.

Nachtrag vom 13.03.2014: Ernst Strasser wurde in in der Neuauflage des Prozesses erneut wegen Bestechlichkeit im Amt verurteilt, diesmal zu dreieinhalb Jahren Haft.

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