Hausdurchsuchungen, Ermittlungen in vier Ländern: Rund um René Benko häufen sich die Vorwürfe. In Italien verdächtigt man den Signa-Gründer gar eines mafiaähnlichen Vorgehens.

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Die Staatsanwaltschaft Trient verdächtigt den Tiroler Unternehmer und Signa-Gründer René Benko, "Anführer einer mafiaartigen kriminellen Vereinigung" zu sein, die mit dem Ziel gegründet wurde, Konzessionen und Genehmigungen zu erlangen, um daraus ungerechtfertigte Gewinne zu erzielen. Dies geht aus den Ermittlungsakten hervor.

Benko habe an der Spitze der kriminellen Vereinigung mithilfe des Bozner Steuerberaters Heinz Peter Hager und des Unternehmers Paolo Signoretti aus der Stadt Rovereto gehandelt, hieß es aus der Trentiner Staatsanwaltschaft. Hager ist auch Vorstandschef der nach Benkos Tochter benannten Laura Privatstiftung.

Vorerst weder Festnahme noch Auslieferung zu befürchten

Die italienische Behörde hat im Zuge ihrer umfassenden Ermittlungen einen Haftbefehl gegen Benko erlassen. Doch der einstige Multimilliardär muss weiterhin weder Festnahme noch Auslieferung befürchten. Formal muss über das "Ersuchen" der Italiener aber noch vom Haft- und Rechtsschutzrichter am Landesgericht Innsbruck entschieden werden. Dies dürfte voraussichtlich noch vor Weihnachten passieren, erfuhr die APA am Mittwoch.

Benko werde jedenfalls im Rahmen des angelaufenen "Übergabeverfahrens" nun zu einer Stellungnahme aufgefordert, sagte Landesgerichtssprecherin Birgit Fink zur APA. Da wohl zu erwarten ist, dass der Tiroler sich nicht freiwillig südlich des Brenners in Haft begibt, wird der Haftbefehl in Österreich nicht vollstreckt werden. Es bestehe schließlich eine im Verfassungsrang stehende Bestimmung, dass österreichische Staatsbürger wegen mutmaßlicher Delikte, wegen derer gegen sie auch im Inland ermittelt werden kann, nicht ausgeliefert werden dürfen, betonte Fink.

Nach der richterlichen Entscheidung ist wiederum die Innsbrucker Staatsanwaltschaft am Zug, die dann prüfen muss, inwieweit ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen den insolventen Unternehmer wegen der gegen ihn in Italien erhobenen Vorwürfe eröffnet wird. Dies erklärte der Sprecher der Anklagebehörde, Hansjörg Mayr, der APA. Benko war am Dienstag vom Tiroler Landeskriminalamt einvernommen worden und blieb daraufhin auf freiem Fuß.

Ermittlungen gegen 77 Personen

Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft Trient gegen 77 Personen, darunter fünf Südtiroler. Acht Personen wurden unter Hausarrest gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Korruption, krimineller Vereinigung, Betrug und Verletzung des Amtsgeheimnisses in Trient, Bozen, Verona, Brescia, Mailand, Pavia und Rom.

Die Leiterin der Abteilung für Stadtplanung in Bozen, Daniela Eisenstecken, soll im Verdacht stehen, ihr Amt genutzt zu haben, um Genehmigungen auszustellen, ohne sich dabei an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, so die Ermittler. Sie soll eine wichtige Rolle in der mutmaßlich kriminellen Organisation gespielt haben. Sie soll auch "ein Dossier mit vertraulichen Informationen über Verwaltungsangestellte und öffentliche Bedienstete erstellt haben", um diese zu erpressen.

Laut den Ermittlern sollen die beteiligten Unternehmer öffentliche Aufträge durch die Gewährung von Gefälligkeiten, Geschenken und Geldzahlungen an Beamte und Verwaltungsmitarbeiter erschlichen haben. Die Ermittlungen gehen weiter. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Kogler: "Da sind wir ja mitten in der Mafia-Szenerie"

In Reaktion auf die neuen Vorwürfe aus Italien äußerte sich am Mittwoch auch Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler (Grüne): "Ich kann jetzt nicht genau sagen, was in Italien die Vorhalte sind. Die klingen üppig, aber ich kann das ja nicht überprüfen. Da sind wir ja mitten in der Mafia-Szenerie", sagte der Politiker am Rande einer Pressekonferenz in Wien.

"Jedenfalls waren wir nicht mit dem Herrn Benko auf Partys, haben keine Hirsche geschossen", betonte Kogler. Vielleicht sollten sie diejenigen an der Nase nehmen, die sich in seinem Licht gesonnt haben, und dorthin ihre Fragen richten, ich werde mich gerne beteiligen. Vielleicht braucht's da auch noch einen U-Ausschuss."

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Trient wegen mutmaßlicher Korruption und Bauspekulation betreffen auch den namhaften Südtiroler Unternehmer und SkyAlps-Chef Josef Gostner. Die Heliopolis AG im Eigentum des unter Hausarrest stehenden Trentiner Unternehmers Paolo Signoretti war mit den Arbeiten zur Erweiterung der Landebahn am Bozner Flughafen beauftragt.

Zwischen den beiden soll laut den Ermittlern eine Abmachung bestanden haben, um "Prüfpersonal der italienischen Zivilluftfahrtbehörde Enac in die Irre zu führen, indem der tatsächliche Grundwasserspiegel im Bereich der durch die Flughafenerweiterung betroffenen Fläche verschleiert" worden sei. Infolge dieses Vorgehens soll Gostner die Genehmigung zum Ausbau der Landebahn erhalten haben.

Unter den 77 Personen, die Ziel der Nachforschungen der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft Trient sind, befindet sich auch eine ehemalige Veroneser Stadträtin. Gegen diese wird wegen Manipulationen ermittelt. In Absprache mit anderen Verdächtigen - insbesondere Benko, Signoretti und Hager - soll sie den reibungslosen Ablauf der Ausschreibung für den Ausbau des Bahnhofs Verona Porta Nuova beeinflusst haben.

Nach Rekonstruktion der Ermittler hätten Hager und Signoretti unter Ausnutzung von Informationen, die sie von der Verdächtigten erhalten hatten, im Namen der Signa-Gruppe ein Angebot erstellt, das die verschiedenen Ausschreibungsphasen durchlief und am 8. Oktober 2021 den Zuschlag erhielt.

Abgeordnete Ambrosi warnt vor Risiko für Finanzstabilität Italiens

Die im Trentino gewählte italienische Abgeordnete Alessia Ambrosi warnte indes vor den negativen Auswirkungen des Skandals auf die finanzielle Stabilität Italiens, da die Signa Holding bei italienischen Banken Kredite aufgenommen hatte.

"Die Verlangsamung von Immobilienprojekten, wie zum Beispiel dem Waltherpark in Bozen, und der Stopp von Auslandsgeschäften könnten schwerwiegende Auswirkungen auf die Beschäftigung, das lokale Wirtschaftsgefüge und die Wachstumsaussichten des Immobiliensektors haben", warnte die Abgeordnete aus den Reihen der Regierungspartei "Fratelli d'Italia" in einer Presseaussendung. Ambrosi reichte beim italienischen Finanzminister Giancarlo Giorgetti eine Anfrage zur finanziellen Situation der Signa-Gruppe ein.

Vier Länder ermitteln gegen Signa-Führung

Gegen die Führungsriege der insolventen Immobiliengruppe Signa rund um Benko wird derzeit insgesamt in vier Ländern strafrechtlich ermittelt. Neben Österreich sind das Deutschland, Liechtenstein und Italien. Mutmaßliche wirtschaftskriminelle Vorgänge und schweren Betrug untersuchen Staatsanwaltschaften in Wien, Berlin, München, Vaduz und Trient.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien untersucht wegen des Verdachts auf Betrug die Rechtmäßigkeit der Verlängerung eines Bankkredits kurz vor der Insolvenzeröffnung. Laut Anklagebehörde soll Benko im Sommer 2023 dabei an Verhandlungen teilgenommen und mutmaßlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Signa-Gruppe sowie ihre Zahlungswilligkeit vorgetäuscht haben. Offiziell hatte er keine Funktion in der Signa inne. Es fanden Razzien in Wien und Tirol statt, auch in der Villa Benkos in Innsbruck-Igls.

Parallel dazu ermittelt die WKStA wegen des Verdachts der betrügerischen Krida gegen Benko. Er soll mehrere Vermögenswerte, darunter einen Sportwagen sowie Jagdwaffen ohne angemessene Gegenleistung verkauft und so Gläubigerinnen und Gläubiger geschädigt haben. Seit kurzem nimmt die Behörde auch das Luxushotel Chalet N in Lech am Arlberg unter die Lupe. Für das Objekt erhielt Benko in der Pandemie Corona-Förderungen in Höhe von 1,2 Mio. Euro. Die Ermittler vermuten aber, dass die Gelder zu Unrecht bezogen und für die private Lebensführung verwendet wurden, da das Chalet häufig von Benko selbst und seiner Familie und Geschäftsfreunden genutzt wurde. Benkos Anwalt Norbert Wess bestreitet die Vorwürfe gegen seinen Mandanten.

Ermittlungen auch in Deutschland und Liechtenstein

Die Staatsanwaltschaft in Berlin ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung bei einer Signa-Tochter im Zeitraum Jänner bis November 2023. Die Untersuchungen richten sich gegen Benko als faktischen Geschäftsführer und drei weitere Geschäftsführer.

In München laufen bereits seit November 2023 Untersuchungen der Staatsanwaltschaft wegen Geldwäscheverdachts und möglicher Insolvenzdelikte gegen Benko. Anlass waren Geldwäscheverdachtsanzeigen, die seit Ende des vergangenen Jahres eingegangen waren. Geldflüsse in dreistelliger Millionenhöhe sollen über Gesellschaften der Signa von Deutschland ins Ausland transferiert worden sein. Im Fokus der Behörde steht dabei das Hertie-Warenhaus in München, das Signa gekauft und saniert hatte. Dafür stellten Banken und Investoren rund eine halbe Milliarde Euro bereit. Benko soll einen Großteil der eingesammelten Gelder über eine Firma in Luxemburg, die seiner Familie zugerechnet wird, ins Ausland geschleust haben.

Seit dem Frühjahr ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in Vaduz (Liechtenstein) den dortigen Angaben zufolge "gegen eine juristische und eine natürliche Person" wegen des Vorwurfs der Geldwäsche sowie des Insolvenzbetrugs. Für René Benko und andere gilt die Unschuldsvermutung.

Benko wegen Korruption bereits 2014 vor Gericht

Benko kam bereits vor vielen Jahren prominent mit der Justiz in Konflikt. 2014 stand der Unternehmer gemeinsam mit seinem Steuerberater wegen "versuchter verbotener Intervention" (Schmiergeld) vor Gericht, weil er den Behörden zufolge einen ehemaligen kroatischen Premier in einer Steuerangelegenheit in Italien bestechen wollte. Der Firmengründer zog sich aus der operativen Führung des Immobilienkonzerns zurück und übernahm den Vorsitz des Signa-Beirats. Benko und seinem Steuerberater war der Versuch einer verbotenen Intervention in einem Steuerverfahren in Italien vorgeworfen worden.

Den Urteilen erster und zweiter Instanz zufolge sollte auf Benkos Initiative hin der damalige kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader auf den seinerzeitigen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi einwirken, um den beschleunigten und positiven Abschluss eines Steuerverfahrens zu bewirken. Sanader sollte dafür 150.000 Euro erhalten. Benko hatte die Vorwürfe stets bestritten. Den gesetzlichen Bestimmungen in Italien zufolge sind wegen Korruption rechtskräftig verurteilte Unternehmer aus Wettbewerben um öffentliche Aufträge und dergleichen ausgeschlossen. (APA/bearbeitet von ank)

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