Als Reaktion auf Putins Angriff auf die Ukraine haben sich viele Unternehmen aus Russland zurückgezogen – das Land wurde mit Sanktionen belegt. Viele Firmen sind jedoch geblieben und manche könnten bald wieder zurückkehren.

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Eine Firma, die nicht gegangen ist, ist Ritter Sport. Der Schokoladenhersteller liefert weiter seine quadratische Süßigkeit in Putins Russland. Im Interview mit der "Zeit" sagt Rittersport-Beirat Moritz Ritter, "es ist in Ordnung, dass Schokolade an jeden verkauft wird". Auf die Frage, warum man trotz Anfeindungen nach dem Verbleib in Russland nicht gegangen sei, schiebt Ritter nach: "Es war eine sehr harte Entscheidung, aber wir würden sie wieder so fällen."

Rittersport verteidigt sein Russland-Geschäft

Er sei für viele verantwortlich, von den Kakao-Bauern bis zu den Angestellten in Deutschland. "Wir fühlen uns für unsere Lieferkette verantwortlich, aber wir können keine Verantwortung für unsere Kunden übernehmen", sagt Ritter. Dennoch fließen auch die Steuereinnahmen von den Rittersport-Verkäufen in Russland weiter in Putins Kriegskasse. Ritter weicht aus. Verweist darauf, dass Deutschland weiter Gas aus Russland beziehen würde – auch über Umwege. Er sieht seine Firma an den Pranger gestellt. "Obwohl wir die Gewinne, die wir in Russland erzielen und ausführen, an Hilfsorganisationen spenden", sagt Ritter.

Bald muss sich Ritter vielleicht nicht mehr verteidigen für seine Geschäfte in Russland. Sollten die Friedensbestrebungen der USA und Russlands Früchte tragen, könnten viele Firmen ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland unverzüglich wieder aufnehmen. Der Markt mit seinen fast 150 Millionen Bürgern sei viel zu interessant, um sich auf Dauer zu verabschieden, sagt der Russland-Experte des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Vasily Astrov, der Deutschen Presse-Agentur.

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Gerade für deutsche Autokonzerne, die bis 2022 in Russland Fabriken betrieben hätten, böte sich das an. "Aktuell stammt in Russland die Hälfte aller Neuwagen aus China", sagt Astrov. Neben deutschen Marken wie VW, Mercedes-Benz und BMW hatten auch Hersteller aus Frankreich, Japan und Südkorea erhebliche Marktanteile.

Wenige Firmen haben sich aus Russland zurückgezogen

Die Geschäfte des Westens mit Moskau scheinen vielfach auf Eis zu liegen. Sanktionen sind das beherrschende Thema. Noch. Aber bei den aktuellen Kontakten zwischen den USA und Russland spielt die Wiederherstellung wirtschaftlicher Beziehung eine wesentliche Rolle.

Die Zahl der Firmen, die Russland wegen des Kriegs und der Sanktionen verlassen hätten, werde meist überschätzt, meint der Experte. Nur zwölf Prozent der vor dem Ukraine-Krieg in Russland tätigen ausländischen Firmen hätten das Land komplett verlassen. Das gelte vor allem für manche Konzerne. "Die mittelständischen Unternehmen sind eher geblieben, machen davon aber wenig Aufhebens", so Astrov.

Zu bedenken sei dabei, dass Russland den Abschied ausländischer Firmen schon bald erschwert und spätestens seit Herbst 2024 weitere besonders hohe Hürden eingeführt habe. Auch für die etwaige Rückkehr deuteten sich nun Bedingungen seitens Moskau an.

Die wirtschaftlichen Aussichten Russlands, das bisher den Schaden westlicher Sanktionen begrenzen konnte, sieht der Ökonom zwiespältig. "Die globale grüne Energiewende ist natürlich eine schlechte Nachricht für Russland", sagt der Fachmann mit Blick auf die große Abhängigkeit des Landes von Einnahmen durch Öl- und Gasexporte.

Russland fehlen Fachkräfte

Auch die massenhafte Abwanderung besonders qualifizierter Fachkräfte, gerade aus dem IT-Bereich, sei eine Hypothek. Von den schätzungsweise eine Million Fachleuten, die aus Angst vor Repressionen und Einberufung zum Militär das Land verlassen hätten, sei zwar ein Teil inzwischen wieder zurückgekehrt. "Aber es fehlen weiter Hunderttausende", erklärt Astrov.

Eine Industriepolitik – wie zum Beispiel durch Förderung bestimmter Branchen – betreibe Moskau seit Jahrzehnten eher wenig erfolgreich. Wichtiger konjunktureller Impuls sei der Konsum. Die Löhne seien 2024 real um neun Prozent gestiegen. Russland, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, könne schon allein durch den Binnenmarkt wachsen, erläutert Astrov.

Russland ist eigentlich auf einen schnellen Frieden mit der Ukraine angewiesen. Zumindest, wenn man sich das russische Staatsdefizit zu Beginn des Jahres anschaut. In den ersten beiden Monaten 2025 betrug es aufgrund der hohen Militärausgaben umgerechnet 29 Milliarden Dollar. Im Jahr zuvor waren es noch 12,1 Milliarden Dollar, schreibt der "Spiegel". Und dem Hauptgeschäftszweig der russischen Wirtschaft – Öl und Gas – geht die Puste aus. Der Ölpreis ist im Keller. Zudem treiben die hohen Staatsausgaben die Inflation in die Höhe. Der aktuelle Leitzins der Zentralbank liegt derzeit bei 21 Prozent. (tel)

Verwendete Quellen