Der kräftige Schneefall der vergangenen Tage hat die Klagen der Tourismusbranche vorerst verstummen lassen: Die Saison scheint gerettet. Dennoch beherrscht die Sorge um den Schnee den österreichischen Wintertourismus: Wird es überhaupt noch richtige Winter geben? Um die Zukunft des Wintertourismus ist es bescheiden bestellt.
Österreich ist weltweit Wintersportdestination Nummer eins, wie eine Studie von IPK International attestiert: Stattliche 56 Prozent nimmt der österreichische Anteil am internationalen Wintertourismus ein. Winterurlaub in Österreich ist beliebt - und das wollen sich die Skigebiete auch in Zeiten des klimabedingten Schneemangels nicht nehmen lassen. Sie investieren in die Erschließung höher gelegener Schigebiete, in zusätzliche Seilbahnanlagen als Zubringer, in Beschneiungsanlagen und in touristische Zusatzangebote, die die Gäste unabhängig von der jeweiligen Schneelage anziehen sollen.
Alexander Orlik, Klimatologe der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) rechnet nicht damit, dass sich an der derzeitigen Situation in nächster Zukunft etwas ändern wird. "Der Winter als Jahreszeit hat sich verändert: Die Temperaturmittelwerte sind gestiegen und zunehmend stärkere Bewegungen der Luftmassen bestimmen das Wettergeschehen", erklärt Orlik. "Schneereiche Winter sind in einer derart instabilen Großwetterlage eher selten."
Schnee oder kein Schnee? Zwei Grad entscheiden
Aufzeichnungen der ZAMG zufolge sind die Durchschnittstemperaturen seit den 1940er-Jahren um zwei Grad gestiegen. Die Klimamodelle deuten auf einen weiteren Trend nach oben. Diese Entwicklung betrifft nicht nur das Tiefland, sondern auch das Mittelgebirge. Und zwei Grad entscheiden oft darüber, ob es schneit oder nicht.
In den Gipfelregionen sei es in den vergangenen 20 Jahren sogar kälter geworden, sagt Orlik. Der Klimatologe führt das darauf zurück, dass sich in der instabilen Luft nur noch selten sogenannte Inversionswetterlagen bilden können, in denen die Lufttemperatur mit der Höhe ansteigt.
Es wird kräftig investiert
Auf solche Klimaprognosen hat man sich bereits eingestellt: Sieben Milliarden Euro hat die österreichische Seilbahnwirtschaft seit der Jahrtausendwende investiert. Diese gehen in den Ausbau von Seilbahnanlagen, in Investitionen in Schneesicherheit und in die Verbesserung der Pistenrettung. Nach eigenen Angaben wurden im Winter 2013/14 Umsätze von 1,2 Milliarden Euro (Winter 2013/14) erwirtschaftet und mehr als 111.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Ist die Lösung wirklich so einfach? Einerseits ja: Es kommen mehr Touristen denn je nach Österreich und stellen sich auf veränderte Bedingungen ein. Solange sie bequem in attraktive, höher gelegene Skigebiete gebracht werden, stören sie sich nicht an den grünen Wiesen im Tal. Andere reisen kurzfristig an - eben dann, wenn es genug Schnee gibt. Oder sie kombinieren ihren Winterurlaub mit Gesundheits- oder Schönheitsurlaub und sind so in ihrer Urlaubsgestaltung flexibler. Eine Verlagerung in schneesichere, höher gelegene Schigebiete ist freilich spürbar.
Der erste Schnee kommt immer später
Andererseits bedeutet der Temperaturanstieg auch, dass es in Gebieten unterhalb von 1.500 Metern Seehöhe auch in Zukunft kaum ausreichend natürlichen Schnee geben wird und zugleich die Produktion von künstlichem Schnee kaum möglich sein wird. Der erste Schnee kommt zudem immer später: Oft ist erst der Jänner kalt genug für ergiebigen Schneefall und die Produktion von Kunstschnee. Das bedeutet für viele kleinere, niedrig gelegene Skiorte auf längere Sicht wohl das Aus.
Die hohen Kosten für die Schneeproduktion und den Bau neuer Seilbahnanlagen bewirken auch hohe Preise für die Skifahrer: Mit Tageskarten ab 40 Euro aufwärts entwickelt sich die Skination Österreich immer weiter weg von ihrem Volkssport - und macht Platz für diejenigen, die diese Preise zahlen können.
Naturschützer gehen gegen Kunstschnee an
Auch der Protest von Naturschützern gegen das Aufrüsten der Seilbahnen wird lauter: Wasserspeicher und Beschneiungsanlagen greifen ebenso wie Pisten und Lifte in ökologisch sensible Hochgebirgsregionen ein. Sie bedrohen - weil sich die Wintersportgebiete immer mehr ausweiten - nicht nur den Lebensraum vieler Tiere, sondern letztlich auch unseren eigenen.
Schnee bleibt dennoch der wichtigste Faktor für die Wintersportregionen Österreichs. Und Schnee versprechen auch die Hochglanz-Werbebilder in den Katalogen der Touristiker. Was ebenfalls bleibt, ist die Kluft zwischen weißem Werbeschein und oftmals schneefreier Natur.
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