- Nach 168 Verhandlungstagen und drei Jahren ist der Buwog-Mammutprozess zu Ende.
- Für Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser endet er mit einem Schuldspruch.
- Auch Walter Meischberger und Peter Hochegger werden für schuldig befunden.
Nach drei Jahren liegt das Urteil im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere vor. Grasser wurde vom Schöffensenat unter Richterin Marion Hohenecker zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger zu sieben, der Lobbyist Peter Hochegger zu sechs Jahren.
Grasser wie Meischberger nahmen das Urteil ruhig entgegen. Auch andere Angeklagte fassten Schuldsprüche und Haftstrafen aus. Alle Urteile sind nicht rechtskräftig, Grassers Anwalt hat bereits Berufung angemeldet.
Grasser wurde vom Schöffensenat wegen Untreue, Fälschung von Beweismitteln und Geschenkannahme durch Beamte verurteilt. Bei Meischberger kommt zu diesem Vorwürfen noch Bestechung dazu. Hochegger fasste trotz Teilgeständnisses ebenfalls eine lange Haftstrafe aus, ihm wird neben Untreue Unterschlagung und falsche Beweisaussage attestiert.
Daneben wurden Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer (Causa Telekom - Valora-Parteienfinanzierung) zu einem Jahr, Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics zu zwei Jahren, Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer zu 3 Jahren und der Anwalt Gerald Toifl zu 2 Jahren sowie der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki zu 20 Monaten Haft verurteilt. Fünf Angeklagte im Komplex um den Linzer Terminal Tower wurden freigesprochen. Meischberger wurde vom Betrugsvorwurf rund um seine Villa in Wien-Döbling freigesprochen.
Richterin Hohenecker: Es wurde eine "Infrastruktur zur Verschleierung" geschaffen
Die zahlreichen Erklärungen der Angeklagten zu Geldflüssen haben den Schöffensenat nicht überzeugt, wie Richterin Hohenecker in ihrer Begründung detailliert ausführte. Der Schöffensenat sieht es als erwiesen an, dass nur Grasser als Informant Meischbergers für das Angebot der unterlegenen CA Immo in Frage kommt.
Die Erklärungen Grassers, Geld von seiner Schwiegermutter erhalten zu haben, weil diese seine Anlagetalente prüfen wollte, hält der Senat für unglaubwürdig.
Richterin Marion Hohenecker sparte nicht mit klaren Aussagen: Es bestehe "kein Zweifel", dass der Zuschlag bei der Vergabe der Bundeswohnungen an ein Konsortium aus Immofinanz und Raiffeisenbank OÖ "pflichtwidrig" erfolgt sei. Dies hätten zahlreiche Zeugenaussagen und Unterlagen belegt.
"Nur Grasser kommt als Informant infrage", so die Richterin zum entscheidenden Punkt, wer der Immofinanz verraten hat, wie viel der Mitbewerber CA Immo für die Buwog und andere Bundeswohnungen bezahlen könne.
Es sei belegt, dass Grasser die Höhe der Finanzierungszusage für die CA Immo kannte, so die Richterin. Die Angaben von Walter Meischberger, er habe die Information vom mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bekommen, sei eine reine Schutzbehauptung, die nur deswegen gewählt worden sei, weil Haider nicht mehr befragt werden könne.
"Es handelt sich um eine verdeckte Provisionsvereinbarung vom Machthaber Grasser zu Lasten des Machtgebers Republik Österreich, wodurch diese geschädigt wurde", so die Richterin zur Buwog-Provision von 9,6 Mio. Euro.
Diese wurde über Umwege auf drei Konten in Liechtenstein transferiert. "Wer redlich wirtschaftet, benötigt keine Konten in Liechtenstein", sagte die Richterin. Sie merkte weiters an, dass der von der Staatsanwaltschaft vorgeworfene Tatplan zur illegalen Bereicherung auf Kosten der Republik durch drei Zeugenaussagen belegt sei.
Es sei eine "Infrastruktur zur Verschleierung" geschaffen worden. Weiters sprach Hohenecker von einer "umfangreichen Spurenverwischung" mittels Scheinrechnungen und Scheinprojekten.
Wird das Urteil rechtskräftig, muss Provision zurückgezahlt werden
Das Urteil bedeutet für die Hauptangeklagten auch, dass sie dem Bund ihren Provisionsanteil aus der Bundeswohnungsprivatisierung zahlen müssen. Sollte das Urteil also rechtskräftig werden, kann der Bund von Grasser und Meischberger deren Anteile an der Buwog-Millionenprovision direkt einfordern.
Dieser Zuspruch war Teil des Urteilsspruchs. Peter Hochegger sei im Privatkonkurs. Über den mitangeklagten Makler Ernst Plech ist heute nicht geurteilt worden, weil er seit langem aus gesundheitlichen Gründen verhandlungsunfähig ist.
Sollten Grasser und Meischberger die Forderung des Bundes nicht zahlen können, kann sich der Staat an die beiden ebenfalls heute nicht rechtskräftig Verurteilten, Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics und Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer, halten, erläuterte die Vertreterin des Bundes, Marlies Schefer, nach dem Urteilsspruch.
Grassers Anwalt legt unmittelbar Berufung ein
Alle Urteile sind nicht rechtskräftig. Noch während der Urteilsbegründung schrieb sein Anwalt Manfred Ainedter, der Urteilsspruch sei ein "glattes Fehlurteil, alle Rechtsmittel werden erhoben". Das Urteil werde "selbstverständlich mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an den OGH bekämpft".
Aus Sicht Ainedters hat der Schöffensenat "dem enormen Verurteilungsdruck der in der zweiten Republik einmaligen medialen Vorverurteilung durch zigtausende negative Medienberichte nicht standgehalten und Karl-Heinz Grasser zu Unrecht verurteilt". Ainedter will nun auch den am Beginn des Verfahrens geäußerten Verdacht auf Befangenheit von Richterin Marion Hohenecker vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen.
Grasser: "Ich weiß, dass ich unschuldig bin"
Für Grasser ist seine Verurteilung ein "politisches Urteil". In einem zwölfminütigen Statement vor Journalisten hielt Grasser nach der Urteilsverkündung fest, dass er unschuldig sei: "Ich weiß, dass ich unschuldig bin", so Grasser.
Es sei selbstverständlich, in Berufung zu gehen. In der Früh habe er mit einem Freispruch gerechnet, entsprechend sei er jetzt "traurig, schockiert und erschrocken", sagte Grasser.
Auch wenn die Richterin bei der Urteilsverkündung von "erdrückenden Beweisen" gegen ihn gesprochen habe, "gibt es in über elf Jahren keinen Beweis für ein unrechtes Handeln meiner Person", so Grasser.
150 Zeugen hätten ihn im Verfahren entlastet. "Dieses Urteil hat nichts mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun", er sei zuversichtlich, dass das Urteil vor dem Höchstgericht nicht standhalten wird. Grasser will nun, wie von seinem Anwalt angekündigt, hinterfragen, ob die Richterin Marion Hohenecker unparteiisch war.
Der Zweitangeklagte, Ex-FPÖ-Generalsekretär Meischberger, verließ noch während der Urteilsverkündung sichtlich verärgert den Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht. Er will nun den Menschenrechtsgerichtshof anrufen. Das sagte sein Anwalt Jörg Zarbl zum "Standard".
"Es ist ein unfassbares Fehlurteil, bei welchem Meischberger im Zweifel schuldig gesprochen wurde. Wir werden die Fragen der Befangenheit der Vorsitzenden Richterin und der Videoüberwachung der Verteidiger im Verhandlungssaal vor den EGMR (Europäischer Menschenrechtsgerichtshof; Anm.) bringen. Dieses Verfahren ist noch lange nicht beendet", so Zarbl.
Untreue, Bestechung - und allein bei der Buwog eine Provision von 9,6 Millionen Euro
Die Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem Finanzminister in zwei Regierungen von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) vor, er habe bei der Bundeswohnungsprivatisierung im Jahr 2004 Untreue begangen und sich bestechen lassen.
Weiters soll er bei der Einmietung der Finanzbehörden in das Linzer Bürohaus Terminal Tower im Jahr 2006 Bestechungsgeld bekommen haben. Es geht bei der Buwog-Privatisierung um eine Provision von 9,6 Mio. Euro, beim Linzer Bürohaus sollen 200.000 Euro geflossen sein. Das Geld soll laut Anklage zwischen Grasser und seinen Mitangeklagten aufgeteilt worden sein.
Grasser und die Mitangeklagten Walter Meischberger und Ernst Plech - letzterer ist seit längerer Zeit aus gesundheitlichen Gründen verhandlungsunfähig - weisen die Vorwürfe zurück und werfen den Anklägern Parteilichkeit und Gesetzesverletzung vor.
Die Belastungszeugen bezichtigen sie der Lüge. Der mitangeklagte Ex-Lobbyist Peter Hochegger hat zu Prozessbeginn ein Teilgeständnis abgelegt und belastet damit die übrigen Angeklagten.
Drei Jahre und 168 Prozesstage
Der Prozess begann am 12. Dezember 2017, an 168 Tagen wurde verhandelt. Insgesamt 150 Zeugen wurden einvernommen. Neben der Anklage zu Korruptionsverdacht bei der Bundeswohnungs-Privatisierung (Buwog und andere Wohnbaugesellschaften) und dem Linzer Bürohaus Terminal Tower wurden auch Anklagen zur Causa Telekom-Valora-Parteienfinanzierung sowie ein Betrugsvorwurf rund um Walter Meischbergers Villa in den Prozess aufgenommen.
Im fast genau drei Jahre lang dauernden Prozess wurde die Frage ausführlich untersucht, ob bei der Bundeswohnungsprivatisierung geheime Informationen von Grasser über Meischberger und Hochegger an die letztlich siegreichen Bieter Immofinanz und RLB OÖ flossen.
Grasser und Meischberger dementieren das entschieden. Mittels eines Tipps von Hochegger und Meischberger überboten Immofinanz/RLB OÖ die mitbietende CA Immo knapp um eine Million und gewannen mit 961 Mio. Euro den Zuschlag für die Bundeswohnungen. Meischberger gab an, die entscheidenden Informationen vom - mittlerweile verstorbenen - Ex-FPÖ-Chef und Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bekommen zu haben. (APA/ank) © APA
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