Kärnten steckt tief im Schuldensumpf. Schon in wenigen Wochen könnte das Bundesland zahlungsunfähig werden. Wie kann Kärnten jetzt an Geld kommen, was passiert nach Abwicklung der Hypo-Bad-Bank Heta und droht gar eine Abspaltung vom Bund? Finanzexperte Gottfried Haber gibt im Interview Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Schuldenkrise.
Kärnten braucht 340 Millionen Euro, 225 Millionen fließen in die Schuldentilgung. Wie kann das Geld aufgebracht werden?
Gottfried Haber: Jedes Bundesland, jeder Staat borgt sich alle paar Wochen frisches Geld aus, wenn alte Kredite auslaufen. Doch Kärnten kann sich am Kapitalmarkt im Moment kein Geld ausborgen. Dieser Kreislauf ist unterbrochen, weil Kärnten keine Kreditwürdigkeit hat: Niemand weiß, was nach Abwicklung der Hypo-Bad-Bank Heta herauskommen wird. Weil Kärnten auf den Finanzmärkten derzeit kein Geld bekommt, bleibt nur die Möglichkeit, über den Bund – die österreichische Bundesfinanzierungsagentur - zu finanzieren.
Wie realistisch ist das Szenario einer Abspaltung Kärntens?
Das halte ich für vollkommen unrealistisch. Eine Abspaltung würde das Problem ja nicht lösen. In der aktuellen Situation werden Dinge vermischt. Die Zahlungen in Milliardenhöhe, die für Kärnten nach Abwicklung der Heta entstehen könnten, sind die eine Sache. Gerade geht es aber um die Verfügbarkeit von Bargeld, um laufende Verpflichtungen zu erfüllen – insbesondere um Kreditrückzahlungen, pikanterweise an den Bund. Faktisch braucht Kärnten vom Bund einen neuen Kredit, um dem Bund einen alten Kredit zurückzahlen zu können.
Kärnten ist Berechnungen zufolge nur noch bis Anfang Juni zahlungsfähig. Könnte sich das direkt auf die Bevölkerung auswirken, zum Beispiel auf die Versorgung in den Krankenhäusern?
Ja - wenn Kärnten laufende Verpflichtungen nicht zahlen kann. Das würde reichen vom Bezahlen von Beamtengehältern über Geldbeträge, die die Krankenhäuser benötigen. Praktisch ist das in einem Land wie Österreich, das zu einem der reichsten der Welt gehört, nicht denkbar.
Was aber möglich wäre: Der Bund sagt, ihr bekommt nur soviel Geld wie unbedingt nötig ist, um die wichtigsten Dinge wie Bildung, Verkehr aufrecht zu erhalten. Und darüber hinaus - für Förderungen und Ähnliches - gibt es kein Geld. Es ist aber schwer vorstellbar, dass man Museen einfach zusperrt. Die Märkte würden in so einem Fall das Vertrauen in Österreich vollkommen verlieren.
Kärnten hat schon länger ein Schuldenproblem. Ist der Auslöser in erster Linie die Hypo-Pleite?
Jein. Das Land Kärnten war immer eines von denen mit der höchsten Neuverschuldung. Es hatte aber nie eine bedrohliche Situation durch Schulden. Das, was jetzt passiert, hat in erster Linie mit der Befürchtung der Finanzmärkte zu tun: Wie die Lage in einem Jahr aussehen könnte, wenn der Schaden in Höhe von mehreren Milliarden Euro aufgrund der Hypo eintreten wird.
Können Sie das ins Verhältnis setzten: Wie ist die Höhe der Zahlungen einzuordnen?
Das Land Kärnten hat ein Gesamtbudget von rund zwei Milliarden Euro. Der jetzige Betrag ist mit 340 Millionen Euro in Relation dazu gering. Die Wirtschaftsleistung der Republik Österreich beläuft sich auf deutlich über 300 Milliarden Euro. Für uns ist es viel Geld, aber es wäre eine Ironie, wenn man deshalb ein Bundesland an die Wand fahren lässt.
Wie lange wird es dauern, bis Kärnten den Schuldenberg wieder abbauen kann?
Die 300 Millionen, um die es jetzt geht, sind unproblematisch, weil dadurch der Schuldenstand nicht vergrößert wird. Es bleiben 90 bis 100 Millionen übrig, die zusätzlich als Kredit aufgenommen werden müssen. Das ist ein Betrag, der durch Einsparungen in zirka zwei Jahren abgebaut werden kann. Das Problem ist: Es wird nicht das letzte Mal sein, das Kärnten Geld braucht. Das wird sich wiederholen, bis geklärt ist, welcher Schaden durch die Heta übrig bleibt.
Ist Kärnten ein Ausnahmefall oder sind auch andere Bundesländer Sorgenkinder, was Schulden betrifft?
Kärnten steht von der Schuldensituation im hinteren Feld da. Es gibt auch andere Bundesländer, die relativ hohe Haftungen übernommen haben. Der große Unterschied ist nur: Diese Haftungen werden nach heutigem Ermessen nicht schlagend werden. Kärnten hat eine Sonderposition mit einem Risiko von Haftungen, die das Budget bei weitem übersteigen. Durch die aktuelle Lage wird auch das Vertrauen in andere Bundesländer reduziert.
Haben die Kontrollmechanismen der Politik versagt?
Ja. Die Haftungen wurden im Kärntner Landtag beschlossen. Es hätte klar sein müssen, dass solche Haftungen niemals bezahlbar sind, wenn sie schlagend werden. Man hat halt immer gehofft, dass das nie passieren wird. Hier haben Kontrollmechanismen versagt - bis hin zum Rechnungshof und anderen Institutionen. Jetzt hat man daraus gelernt und ist dabei, Haftungen zu limitieren.
In Großbritannien und in Bayern bezeichnet man Kärnten als Griechenland Österreichs. Ist das total übertrieben oder steckt da ein Körnchen Wahrheit drin?
Man kann Griechenland und Kärnten nicht vergleichen. Gewisse Parallelen gibt es schon, aber die Ursachen sind vollkommen andere. In Griechenland gibt es wenig Exportorientierung der Wirtschaft, ein hohes Ausmaß an Korruption und Ähnliches. Doch beide Länder haben ein Liquiditätsproblem und brauchen jemanden, der ihnen Geld gibt – einmal die EU und einmal der Bund.
Wenn die Haftungen aus der Heta schlagend werden und der Bund einspringen muss, wie wirkt sich das auf ganz Österreich aus?
Rein rechtlich haftet der Bund nicht, würde sich aber aus faktischen Zwängen beteiligen. In allen Szenarien zahlt letztendlich der Steuerzahler. Die Frage ist nur: Wie verteilt sich das auf den Kärntner Steuerzahler und die anderen Steuerzahler in Österreich?
Derzeit geht man davon aus, dass Kärnten für drei bis fünf Milliarden Euro haftet. In welchem Verhältnis steht ein solcher Betrag zum Budget des Bundes?
Insgesamt wird sich Österreich schwerer tun, die Stabilitätskriterien zu erfüllen – der Reformdruck erhöht sich damit. Wir bewegen uns in einer Dimension, die zur Gänze den Betrag der derzeit in Umsetzung befindlichen Steuerreform betreffen könnte. Die ist auf rund fünf Milliarden Euro angesetzt.
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