Der amerikanische Flugzeugbauer Boeing ist nach mehreren Vorfällen und Sicherheitsmängeln in der Krise. Ein Ingenieur berichtet im US-Senat von dringenden Warnungen – und Versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen.
Vier Informanten haben vor einem Untersuchungsausschuss des US-Senats vor "schwerwiegenden Problemen" bei mehreren Modellen des Flugzeugbauers Boeing gewarnt. "Ich bin nicht hier, weil ich hier sein will. Ich bin hier, weil (...) ich nicht den Absturz einer 787 oder einer 777 sehen will", sagte der Boeing-Ingenieur Sam Salehpour, der sich als Informant an die US-Flugaufsicht gewendet hatte, am Mittwoch. Er habe ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Boeing-Modelle 787 und 777.
Ihm sei gesagt worden, er solle "den Mund halten", fuhr der Ingenieur fort. Ihm sei zudem körperliche Gewalt angedroht worden.
Boeing erklärte nach der Sitzung, "wir wissen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben und ergreifen konzernweit Maßnahmen". Repressalien seien im Unternehmen verboten. Sicherheit und Qualität würden weiterhin über allem stehen.
Serie von technischen Pannen
In den vergangenen Monate hatte es eine ganze Serie technischer Pannen bei Boeing-Maschinen gegeben. Im Januar verlor eine 737 MAX eine Kabinentürabdeckung, im März löste sich während des Abflugs einer 777 ein Rad, Anfang April musste der Start einer 737 wegen eines Motorbrandes abgebrochen werden. Auch musste kürzlich eine 737 umkehren, weil sich die Triebwerksverkleidung gelöst hatte.
Warnungen ignoriert?
Die Vorwürfe von Salehpour waren in der vergangenen Woche durch einen Bericht der "New York Times" publik geworden. Er beschuldigt den US-Konzern, seine wiederholten schwerwiegenden Warnungen zur Sicherheit und Qualitätskontrolle beim Zusammenbau der Modelle 777 und 787 ignoriert zu haben. Boeing wies die Anschuldigungen zurück.
Laut einem Brief von Salehpours Anwältinnen an die Flugaufsichtsbehörde FAA vom Januar hatte dieser auf "wesentliche" Sicherheitsmängel bei fast 1500 Maschinen hingewiesen. Der Ingenieur konstatierte demnach abgekürzte Arbeitsvorgänge bei der Montage des Dreamliners 787, die übergroße Lücken zwischen verschiedenen Flugzeugteilen zur Folge gehabt hätten. Diese Lücken könnten zu einer vorzeitigen Materialermüdung und "unsicheren Konditionen des Flugzeugs mit potenziell katastrophalen Unfällen führen".
Dem Informanten zufolge wurden "Boeing-Ingenieure unter Druck gesetzt, um die Augen zu schließen". Nach seinen Warnungen zum Dreamliner 787 sei Salehpour sanktioniert worden, indem er gegen seinen Willen von der für dieses Modell zuständigen Abteilung zum 777-Programm versetzt worden sei, heißt es in dem Brief. In der Montage des 777-Modells habe Salehpour dann ebenfalls Mängel entdeckt.
Kritik an Flugaufsichtsbehörde
Die fast zweistündige Senats-Anhörung war die erste in einer Reihe, in deren Verlauf Verantwortliche von Boeing und der FAA als Zeugen geladen werden sollen, wie der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Senator Richard Blumenthal, sagte.
Neben Salehpour wurden auch zwei frühere Ingenieure von Boeing und der FAA sowie ein ehemaliger Pilot angehört. "Ich habe alles getan, was ich konnte, um der Welt zu sagen, dass die Max immer noch nicht sicher ist, und um die Behörden vor den Gefahren (...) zu warnen", sagte der frühere Boeing-Verantwortliche Ed Pierson mit Blick auf das Modell 737 Max.
Solange keine Maßnahmen ergriffen und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen würden, "ist jede Person, die an Bord einer Boeing geht, gefährdet", sagte Pierson. Er warf der FAA zudem vor, "ineffizient und reaktiv" zu sein. (afp/fab)
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