Der Prozess um den Ex-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß hat Steuersünder in ganz Deutschland aufgeschreckt: In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich eine Rekordzahl von ihnen selbst bei den Finanzbehörden angezeigt. Ein Ende der Welle ist nicht in Sicht. Die Milliardengrenze wird mit großer Sicherheit geknackt.
In einer Beziehung scheint der verurteilte
Hoeneß-Affäre wirkt abschreckend
"Die Verurteilung von Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Gefängnis war ein Schock für viele Steuerhinterzieher", sagt Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG). "Das war ein deutliches Signal: Der deutsche Fiskus und die Justiz machen vor niemandem halt." Neben einer Reihe anderer prominenter Steuersünder wie Alice Schwarzer hat der Fall Hoeneß offenbar bei vielen das Bewusstsein geschärft, wie schnell Schwarzgeldkonten in der Schweiz auffliegen können – und dass es sich dabei keinesfalls um ein Kavaliersdelikt handelt. Unter Experten und Finanzbeamten spricht man daher vom "Hoeneß-Effekt".
Der ehemalige Präsident des FC Bayern hatte versucht, der Verfolgung wegen Steuerhinterziehung durch eine Selbstanzeige zu entgehen. Das deutsche Recht sieht diese Möglichkeit vor: Noch unentdeckte Steuersünder zeigen sich selbst an und entgehen so einer Strafe. Der Staat erhält dafür die fehlenden Beträge plus Säumniszuschlag.
Der Fall Hoeneß war im April vergangenen Jahres bekannt geworden – bereits Ende 2013 lag die Zahl an Selbstanzeigen mit rund 24.000 Fällen etwa dreimal so hoch wie im Jahr zuvor. Nun ist sie noch einmal kräftig gestiegen. Den Ländern spült das Mehreinnahmen in Millionenhöhe in die Kassen: Mehr als 600 Millionen Euro haben allein elf Bundesländer im vergangenen Jahr durch Selbstanzeigen zusätzlich eingenommen – das entspricht dem Jahresetat des Bundesjustizministeriums. In diesem Jahr werden sie wohl die Milliardengrenze knacken.
Verfolgungsdruck nimmt zu
Ganz allein Uli Hoeneß haben sie das allerdings nicht zu verdanken. Für die Flut an Selbstanzeigen sind noch zwei weitere Gründe verantwortlich: Anfang 2013 war das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz gescheitert. Es sah unter anderem vor, dass dort gelagerte deutsche Vermögen mit einem Pauschalbetrag nachversteuert werden können, ohne dass der Namen der Steuerhinterzieher preisgegeben werden muss. Mit dem Scheitern des Abkommens schwand für diese die Hoffnung, unerkannt zu bleiben. Das dürfte einige angespornt haben, mit der Selbstanzeige den Schritt in die Offensive zu wagen. Zudem fahren die Schweizer Banken seitdem eine "Weißgeldstrategie": Sie drängen ihre deutschen Kunden, sich steuerehrlich zu machen und drohen mit Kontoschließungen.
Der zweite Grund: Seit etwa vier Jahren kaufen die deutschen Behörden regelmäßig sogenannte Steuer-CDs, die Datensätze mit Steuerhinterziehern enthalten. "Das löst Angst und Verfolgungsdruck bei den Betroffenen aus", sagt Eigenthaler von der DSTG. Die Chance erwischt zu werden, liegt heute deutlich höher.
Die Zahl der Selbstanzeigen wird so schnell nicht abebben, im Gegenteil: "Wir erwarten dieses Jahr noch einen sprunghaften Anstieg, denn zum 1. Januar 2015 wird die Selbstanzeige deutlich verschärft", sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Ende März hatten sich die Finanzminister der Länder auf diesen Schritt geeinigt. So sollen künftig die letzten zehn, statt wie bisher fünf Jahre offengelegt werden müssen und die Pauschalstrafe steigen. "Das bringt sicher manchen dazu, sich vorher noch zu den etwas günstigeren Bedingungen anzuzeigen", sagt Thomas Eigenthaler von der DSTG. Dem Hoeneß-Effekt folge so der "Nichts-Wie-Hin-Effekt".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.