Seit Wochen ist von einem drohenden Staatsbankrott Griechenlands die Rede. Tatsächlich entscheidet sich Anfang Juni, ob die Insolvenz noch einmal abgewendet werden kann. Ein Ende des Ringens ist jedoch auch danach nicht in Sicht.
Zuletzt warnte der Chef des Europäischen Rettungsschirms ESM vor einer Pleite Griechenlands: "Die Zeit wird knapp", sagte Klaus Regling in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. Mitte Mai erst hatte die Bundesbank auf die Gefahr eines griechischen Staatsbankrotts hingewiesen. Seit dem Beginn der Krise geistert die drohende Staatspleite durch Politik und Medien. Diesmal könnte die Blockadehaltung der neuen Linksregierung um Alexis Tsipras sie Wirklichkeit werden lassen.
Wovon redet man, wenn ein Land pleitegeht?
"Ein Staat ist insolvent, wenn er den Verbindlichkeiten aus Kreditverträgen nicht mehr nachkommen kann", sagt Jens Boysen-Hogrefe, Volkswirt am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. "Ein wesentlicher Auslöser ist dabei weniger, dass ein Staat sehr viele Schulden hat, sondern dass die Bereitschaft nicht mehr da ist, ihm Geld zu leihen."
Griechenland wurde im Jahr 2010 von Ratingagenturen auf Schrottstatus hinuntergestuft. Ohne die Hilfen aus den Rettungspaketen wäre das Land schon damals pleitegegangen, weil es an den Kapitalmärkten kein frisches Geld mehr bekommen hat, um seine Kredite zu bezahlen.
Wie nah ist Griechenland an der Pleite?
In diesem Sommer stehen für Griechenland eine Reihe von Schulden-Rückzahlungen an. Am 5. Juni muss das Land rund 300 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen, bis zum Monatsende insgesamt 1,55 Milliarden Euro – eine Summe, die das Land nicht hat. "Wenn der IWF sein Geld nicht erhält, ist Griechenland in der Insolvenz", sagt Axel Lindner, Volkswirt am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.
Normalerweise würde Griechenland Geld aus dem europäischen Hilfsprogramm bekommen, mit dem es die Forderungen begleichen könnte. Insgesamt 7,2 Milliarden Euro an Hilfen sind vorgesehen. Doch die Auszahlung liegt auf Eis. Sie ist an Bedingungen wie die Umsetzung bestimmter Reformen geknüpft, denen die griechische Regierung bislang nicht nachgekommen ist.
Wie geht es weiter?
Aus Griechenland kommen derzeit unterschiedliche Aussagen. "Ich will klar sein: Dieses Geld werden wir nicht geben, weil wir es nicht haben", sagte der Innenminister Nikos Voutsis über die fällige Zahlung an den IWF. Der Regierungssprecher dagegen betonte, das Land werde alles tun, um seine Schulden zurückzuzahlen.
Im Juli und August stehen weitere Rückzahlungen an. Doch: "Wenn Griechenland diesen schwierigen Sommer übersteht, müsste das Land nur noch sehr wenig Schuldendienst leisten", sagt Lindner. "Ein Großteil der Verschuldung hat es schon nicht mehr gegenüber privaten Gläubigern wie Banken, sondern gegenüber europäischen Partnern. Mit denen ist vereinbart, dass die Rückzahlungen erst in einigen Jahren beginnen und Zinsen bis dahin nicht bedient werden müssen." Die Hoffnung wäre, dass sich das Land in dieser Zeit wirtschaftlich erholt.
"Es wäre erstmal Zeit gewonnen", sagt auch Jens Boysen-Hogrefe. Man müsse dann eventuell über ein drittes Hilfspaket nachdenken. Eine dauerhafte Lösung sei aber nur die Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte. "Sonst kann man alle halbe Jahre neu über eine Staatspleite spekulieren."
Und wenn Griechenland doch pleitegeht?
Auf eine Staatsinsolvenz würde nach Meinung der Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine griechische Bankenpleite folgen, da sie viele griechische Staatsanleihen halten. In der Folge würde der Zahlungsverkehr zusammenbrechen – und das Land am Ende gezwungen sein, den Euroraum zu verlassen.
Die Alternative: Um Griechenland nach einer Pleite im Euro zu halten, springen die EZB und die europäische Partner ein und retten die griechischen Banken. "Dann würde es vielleicht gar nicht viel anders weiter gehen, als bisher auch", sagt Boysen-Hogrefe.
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