Eine Insolvenzwelle geht durch Österreich. Das beobachtet auch die EU-Kommission mit Sorge – und fordert schnelles Handeln.

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Die EU-Kommission hat vor dem Hintergrund der jüngsten Insolvenzfälle den Wettbewerbsverlust der österreichischen Wirtschaft beklagt. Österreich liege im IMD Wettbewerbsranking nur noch auf dem 26. Platz und damit hinter mehreren anderen EU-Staaten, sagte Kommissionsvertreter Christian Wigand am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien. "Man muss schon ein bisschen genauer hinschauen", wies er Schuldzuweisungen österreichischer Politiker in Richtung Brüssel zurück.

So hatte der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) im Zusammenhang mit der KTM-Insolvenz kritisiert, dass sich "der Industriestandort Europa sich in den letzten Jahren leider massiv zurück manövriert hat". Wigand sagte dazu, dass die Situation in Österreich "schwieriger als in anderen Mitgliedsstaaten" sei und die Herbstprognose der EU-Kommission für die gesamte Union "relativ stark" gewesen sei.

EU-Kommission warnt vor Vereinfachungen

"Man soll es sich nicht zu einfach machen. Es ist immer ein Zusammenspiel der Weltlage, der europäischen Regelungen, auch der nationalen Aufgaben und Hausaufgaben, die zu machen sind", sagte der Vertreter der EU-Kommission unter Verweis auf das Wettbewerbsranking. In dem weltweiten Vergleich würden mehrere EU-Staaten (konkret Dänemark, Irland und Schweden) unter den Top 10 liegen, auch Belgien sei vor Österreich.

"Das Thema Bürokratieabbau ist etwas, was wir ganz intensiv angehen werden", sagte Wigand bei der Pressekonferenz anlässlich des Antritts der neuen EU-Kommission. So werde es erstmals einen EU-Kommissar für Bürokratieabbau geben, und jeder einzelne Kommissar sei angehalten, in seinem Bereich Regelungen zu durchforsten. Konkret soll es bis zum Sommer einen Vorschlag geben, der etwa die Berichtspflichten für Unternehmen um 25 Prozent reduziere, für Klein- und Mittelbetriebe sogar um 35 Prozent. Er wies auch darauf hin, dass nicht alle Bürokratie, die beklagt werde, aus Brüssel komme. So schreibe keine EU-Verordnung die Speisekennzeichnung in Speisekarten vor. Vielmehr könnten Allergene auch durch einen Aushang in der Gastronomie kenntlich gemacht werden, wie das etwa in Belgien der Fall sei, sagte der langjährige frühere EU-Kommissionssprecher.

Abwendung von Defizitverfahren "wichtige Aufgabe für Koalitionsverhandler"

Wigand äußerte sich auf Nachfrage auch zum Thema Defizitverfahren gegen Österreich. "Es ist eine wichtige Aufgabe für die Koalitionsverhandler zu schauen, dass man einen gangbaren Weg findet für die Budgetkonsolidierung", sagte er angesichts der von der Brüsseler Behörde für Jänner angekündigten Entscheidung darüber, ob dem Rat die Einleitung eines Defizitverfahrens empfohlen werden soll. "Es muss ausreichend detailliert sein", sagte Wigand zur Frage, ob schon Überschriften im Koalitionsabkommen ausreichen würden. Letztlich würde darüber aber das Kollegium der EU-Kommissare entscheiden (dem auch Ex-Finanzminister Magnus Brunner angehört, Anm.).

Die neue Kommission wolle umgehend auch Vorschläge machen, um den "Binnenmarkt zu vollenden". Dass dieser "unser größtes Asset" sei, "wissen gerade wir als Österreicher besonders gut", sagte Wigand. Er verwies diesbezüglich auf die Erfolge österreichischer Unternehmen nach der letzten Erweiterung. Vor diesem Hintergrund soll auch dem Erweiterungsprozess ein neuer Schub verpasst werden. "Die Erweiterung ist kein Sozialprojekt, sondern in unserem ureigensten Interesse", hob der Kommissionsvertreter neben dem wirtschaftlichen Nutzen auch die geopolitischen Aspekte hervor.

Wirtschaft und Sicherheit Schwerpunkte der neuen EU-Kommission

Ein weiterer Schwerpunkt sei der "Clean Industrial Deal", den Wigand auf Nachfrage als "Nachfolgeprojekt" des viel kritisierten Green Deal vorstellte. Es gehe nun nicht mehr darum, neue klimapolitische Maßnahmen zu beschließen, sondern mit der Wirtschaft an der Umsetzung zu arbeiten. "Unser Kerninteresse muss sein, dass wir als Europa diesen grünen Wandel wirtschaftlich erfolgreich machen. Anders wird es nicht gehen", betonte er.

Neben der Wirtschaft will sich die EU-Kommission auch des Themas Sicherheit annehmen, etwa durch einen neuen Verteidigungskommissar. "Die Mitgliedsstaaten werden immer die Verantwortung für die eigenen Truppen behalten", sagte Wigand zu Überlegungen einer gemeinsamen EU-Armee. Man müsse aber bei der Beschaffung besser zusammenarbeiten. Bis 2030 sollen 40 Prozent aller Rüstungsankäufe in der EU gemeinsam getätigt werden. Geplant sei auch ein Binnenmarkt für Verteidigungsgüter.

Brunner erhielt mit Migration ein "Kernressort"

Auf Nachfrage äußerte sich Wigand auch zum Thema Migration. In diesem Bereich gehe es darum, den beschlossenen Migrationspakt "gut umzusetzen". Auch die fehlenden Rückführungsabkommen seien "ein Problem". Wenn 80 Prozent jener Menschen, die kein Asyl bekommen, weiterhin in der EU bleiben, "ist das etwas, was man den Menschen nicht erklären kann".

Als "absurd" wies er die Frage zurück, ob Österreich mit dem Migrationsressort für seinen Vertreter Magnus Brunner bestraft werden sollte. "Ich sehe das im Gegenteil als eine Auszeichnung, dass man Magnus Brunner das zutraut", so Wigand. Das Migrationsressort sei nämlich "eines der Kerndossiers der Kommission". Brunners berufliche Erfahrung in anderen Bereichen habe "wahrscheinlich seine Vorteile". "Jemand, der in dem Bereich noch ein unbeschriebenes Blatt ist, kann anders rein gehen als jemand, der in diesem Bereich schon gearbeitet hat." (APA/bearbeitet von lag)

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