Die Konjunktur hat sich in der gesamten Eurozone abgekühlt, doch kein anderes Land trifft es so hart wie Italien. In Brüssel macht man sich große Sorgen um das EU-Mitgliedsland. Auch dass der hoch verschuldete Staat im Süden Europas nun auf Investitionen aus China setzen will, versetzt den alten Kontinent in Alarmstimmung.
Die EU-Kommission sorgt sich um die wirtschaftliche Entwicklung Italiens und befürchtet neuen Streit mit Rom. "Ich mache mir wirklich Sorgen wegen Italien. In keinem EU-Mitgliedsland hat sich die Wirtschaft so stark abgekühlt", sagte der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis der "Welt am Sonntag".
Es zeige sich deutlich, dass der Kurs der Regierung in Rom schädlich für die Wirtschaft gewesen sei. Die Zinsen seien gestiegen, ebenso die Instabilität.
Das geschwundene Vertrauen in das Land habe die Investitionsbereitschaft nicht erhöht. "Wir sehen die Situation als problematisch an und erwarten schwierige Diskussionen", sagte Dombrovskis.
Roms Annahmen "zu optimistisch"
Die EU-Kommission wolle Anfang Juni einmal mehr Bestand aufnehmen und über die nächsten Schritte sprechen. "Die Wachstumsannahmen von Rom sind zu optimistisch", sagte Dombrovskis .
Die von der italienischen Regierung beschlossenen und für 2019 nur verschobenen Ausgabenprogramme würden im kommenden Jahr auf das Budget voll durchschlagen - das mache die Sache "nicht einfacher".
Die EU-Kommission hatte Ende vergangenen Jahres die Haushaltsplanungen der populistischen Regierung in Rom für 2019 zunächst scharf kritisiert und mit einem Strafverfahren gedroht. Nach dem Verzicht Roms auf rund zehn Milliarden Euro Ausgaben einigten sich beide Seiten schließlich.
Im Februar aber senkte die Kommission dann die Wachstumsprognose für Italien in diesem Jahr drastisch von 1,2 auf 0,2 Prozent; Rom wurde aufgefordert, den Staatshaushalt zu sanieren und über Reformen Risiken für die Wirtschaft zu verringern.
Italiens Gesamtverschuldung ist mit gut 130 Prozent der Wirtschaftsleistung die zweithöchste in der Eurozone.
Italien schließt sich "Neuer Seidenstraße" an
Die EU ist auch hinsichtlich Italiens Einstieg in das chinesische Mega-Infrastrukturprojekt "Neue Seidenstraße" alarmiert.
Trotz Bedenken aus Brüssel und mehrerer Mitgliedsstaaten wurde am Samstag in Anwesenheit von Chinas Präsident Xi Jinping und des italienischen Regierungschefs Giuseppe Conte eine entsprechende Absichtserklärung in Rom unterzeichnet.
China will mit dem Infrastrukturprojekt Milliardensummen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Telekom-Netze und Flughäfen Dutzender Länder investieren. So sollen in Anlehnung an die historischen Routen zwischen Mittelmeerraum und Ostasien neue Handels- und Verkehrsnetze zwischen den Kontinenten aufgebaut werden.
Die unterzeichnete Erklärung ist zwar nicht bindend, doch Italien hat China damit quasi den roten Teppich ausgerollt.
Der hoch verschuldete EU-Staat hofft auf Investitionen und eine Ausweitung seiner Handelsbeziehungen zur Volksrepublik – und damit auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Im Fall von Italien geht es sowohl um Investitionen in die Häfen von Triest und Genua als auch um eine Vereinbarung zum Export italienischer Orangen.
Für ärmere Länder sind die Pläne Chinas interessant, weil Investoren für sie schwer zu finden sind. Doch die EU warnt, die Staaten könnten durch chinesische Kredite in eine Schuldenfalle geraten, wie es Ländern wie Sri Lanka oder Pakistan passiert ist.
Auch vor einem "Trojanischen Pferd" wird gewarnt: Peking könnte seinen politischen Einfluss heimlich ausbauen und die Abhängigkeit von der Volksrepublik wachsen, befürchten Kritiker.
Maas: "Länder werden in Abhängigkeit aufwachen"
Bislang hatte sich Deutschland mit direkter Kritik an Italiens Engagement am "Seidenstraßen"-Projekt zurückgehalten. Merkel hatte auf dem EU-Gipfel lediglich gesagt, dass es besser sei, "wenn man einheitlich agiert".
Von Bundesaußenminister
Kurzfristig lukrative Angebote könnten "schneller als gedacht einen bitteren Beigeschmack" bekommen, warnte Maas.
China verfolge die "eigenen Interessen global beinhart", sagte der SPD-Politiker. Gegenüber "Riesen" wie China, Russland oder auch den USA könnten die europäischen Staaten "nur bestehen, wenn wir als EU geeint sind".
Der "Neuen Seidenstraße" haben sich bereits Dutzende Länder angeschlossen, darunter auch EU-Staaten wie Griechenland, Polen oder Ungarn. Italien ist allerdings das erste Land der G7-Staaten, das sich dem Megaprojekt anschließt.
Am Samstag erklärte die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, dass eine solche Vereinbarung mit China für Österreich derzeit nicht infrage komme.
Im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radios sagte die ÖVP-Politikerin: "Wir werden Gespräche mit China immer suchen, aber im Moment sehe ich nicht, dass wir eine Vereinbarung abschließen werden." Vielmehr wolle man sich anhand des Deals zwischen Italien und China "anschauen, was China da überhaupt anbietet, welche Möglichkeiten es gibt." (jwo/dpa/afp/apa)
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