Noch schreibt die Briefsparte der Post schwarze Zahlen. Doch in Zukunft könnte sich das ändern. Um im Kampf um Marktanteile mitzuhalten, baut der Vorstandschef sein Unternehmen radikal um. Das bekommen auch Belegschaft und Kunden zu spüren.
Für die Aktionäre der Deutschen Post war der vergangene Donnerstag ein Grund zur Freude. Im Posttower, dem Konzernsitz in Bonn, wurden die Zahlen für das abgelaufene Finanzjahr vorgelegt – und sie lösten ein Kursfeuerwerk an der Börse aus. Die Papiere schossen um 10,2 Prozent in die Höhe, die Aktie erreichte den höchsten Stand der letzten 13 Monate.
An den Finanzkennzahlen allein kann dieser Höhenflug allerdings kaum liegen. Zwar fiel der Gewinnrückgang mit 400 Millionen Euro auf 5,9 Milliarden Euro geringer aus als von Analysten befürchtet, und auch der Umsatz von 84,2 Milliarden Euro übertraf leicht die Erwartungen. Doch diese Zahlen müssen im Kontext betrachtet werden: Vorstandschef Tobias Meyer hatte die Gewinnprognose im vergangenen Jahr bereits zweimal nach unten korrigiert. Überragend war das Ergebnis also keineswegs – und eine solche Reaktion nicht wirklich von den Ergebnissen gedeckt.
Vielmehr zeigt die Rallye einmal mehr, wie eng Freud und Leid an der Börse beieinanderliegen. Denn es war insbesondere ein Kostensenkungsprogramm mit dem Namen "Fit For Growth", das für Euphorie bei den Anlegern sorgte – und an dessen Ende ein Abbau von 8.000 Stellen in Deutschland stehen wird.
Weniger Briefe, höhere Personalkosten
Das Programm betrifft vor allem den Bereich "Post & Paket Deutschland", der für das personalintensive Sammeln, Sortieren und Zustellen von Briefen und Paketen im gesamten Bundesgebiet verantwortlich ist. Zwar schreibt der Bereich laut Geschäftsbericht 2024 noch solide Zahlen, mit einer Rendite von 4,7 Prozent liegt er sogar noch vor dem E-Commerce-Geschäft. Doch ein Zukunftsgeschäft ist das Versenden von bedrucktem Papier wohl eher nicht.
Allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Briefmenge in Deutschland um ein Viertel geschrumpft, immer mehr Kommunikation verlagert sich ins Digitale. Auch das Versenden von Werbeprospekten kann diesen Rückgang längst nicht kompensieren.
Zudem steht die Post unter starkem regulatorischem Druck: Sie ist verpflichtet, sechs Tage in der Woche Briefe von Oberstdorf in den bayerischen Alpen bis nach Westerland auf Sylt zu bringen. Das ist kostspielig und wird angesichts sinkender Sendungsvolumina auch immer unprofitabler.
Hinzu kommen steigende Personalkosten, die die Rentabilität zusätzlich belasten. Erst in dieser Woche sah eine Einigung mit Verdi ein Gehaltsplus von fünf Prozent für Tarifbeschäftigte vor. Dies dürfte eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, das Kostensenkungsprogramm gezielt auf Deutschland zu fokussieren: also auf einen Markt mit besonders starken tariflichen Bindungen und vergleichsweise hohen Personalkosten. Zudem deutet die geplante Ausgliederung der Briefsparte in eine eigene Einheit darauf hin, dass sich die Post schrittweise von diesem Geschäftsfeld entfernt.
Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es in Deutschland wie in Dänemark laufen muss, wo die staatliche Post laut einem Bericht der "Tagesschau" gerade erst beschlossen hat, ab dem kommenden Jahr keine Briefe mehr zuzustellen. Letztlich ist dies auch eine politische Frage.
Die Überführung in eine Tochtergesellschaft erleichtert es den Bonnern jedoch, sich langfristig vom Briefgeschäft zu trennen. Ob die Politik einem möglichen Käufer die gleichen Regulierungen auferlegen kann, ist dann mehr als fraglich. Noch soll es aber nicht so weit sein. Laut Vorstandschef Meyer gibt es keine Überlegungen, das Postgeschäft abzuspalten.
Mit Expresssendungen verdient die Post viel Geld
Andere Geschäftsbereiche sind lukrativer. Allen voran die Sparte "Express", die mit 3,4 Milliarden Euro den größten Beitrag zum Gesamtgewinn leistet. Hier bündelt DHL zeitkritische Kuriersendungen, die meist über Nacht mit eigenen Frachtflugzeugen rund um den Globus transportiert werden.
Den Service lässt sich das Unternehmen durch hohe Zuschläge gut bezahlen, entsprechend hoch ist hier die Marge. Auch der Unternehmensbereich "Global Forwarding", in dem unter anderem die Luft- und Seefracht gebündelt sind, trägt stärker zum Gewinn bei als das klassische Postgeschäft in Deutschland.
Diese Geschäfte stoppen nicht an den Grenzen der Bundesrepublik. Sie sind stark von der Weltkonjunktur abhängig. Eine Verlangsamung des Wachstums würde Importe und Exporte reduzieren, was zügig auf die Nachfrage nach Frachtlieferungen durchschlägt. Geopolitische Spannungen oder Sanktionen können wichtige Handelsrouten blockieren – etwa durch die Sperrung des russischen Luftraums, der viele Frachtflugzeuge zu längeren und teureren Umwegen zwingt. Und verschärfte Zollkontrollen und Handelskonflikte führen zu Verzögerungen und steigenden Kosten oder erschweren es Unternehmen, langfristige Liefer- und Logistikverträge abzuschließen.
Insbesondere Donald Trump könnte noch einige Verwerfungen für die Lieferketten von Logistikern bereithalten: Obwohl der neue US-Präsident eigentlich Bürokratie abbauen will, setzt er bei den Landesgrenzen auf mehr Kontrolle und hat laut der Nachrichtenagentur Reuters gerade erst eine Regelung ausgehebelt, nach der Päckchen mit einem Warenwert von weniger als 800 Dollar zollfrei zugestellt werden. Solche Aktionen führen schnell zu Rückstaus in der gesamten Logistik.
Weltwirtschaft birgt Risiken
Dass es in der Weltwirtschaft insgesamt ruckelt, bekam zuletzt auch UPS, der große amerikanische Konkurrent, zu spüren. Als das Unternehmen im Januar schwache Geschäftszahlen präsentierte und dies mit der abkühlenden Konjunktur begründete, stürzte die Aktie um 17 Prozent ab: so stark wie seit der Weltfinanzkrise nicht mehr.
Entsprechend vorsichtig blickt die Branche in die Zukunft. "Wir rechnen weiterhin mit einem gedämpften makroökonomischen Umfeld", sagte DHL-Konzernchef Tobias Meyer. "Wir erwarten auch für 2025 eine volatile weltpolitische und weltwirtschaftliche Lage."
Chancen sieht DHL dagegen im Bereich eCommerce, also in der internationalen und weniger zeitkritischen Paketzustellung. Dieser Markt wächst rasant, weil immer mehr Menschen statt in die Fußgängerzone zu gehen, ihre Produkte mit wenigen Klicks online bestellen, gerade auch billige Produkten aus China.
Allein in Westeuropa erwarten Experten für diesen Milliardenmarkt bis 2028 ein jährliches Wachstum von etwa fünf Prozent, für China dürften es noch mehr sein. DHL will von diesem Trend profitieren und investiert gezielt in den Ausbau seines Netzes von Packstationen. Derzeit umfasst es rund 15.000 Standorte und bietet nicht nur Kunden höhere Flexibilität. Es reduziert auch die Kosten auf der sogenannten "letzten Meile", also dem besonders aufwendigen Transport vom Zustellzentrum zur Haustür.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass gerade der eCommerce-Markt stark umkämpft ist. Fast alle großen Logistikkonzerne ringen um Anteile, was sich allein an der bunten Mischung lilafarbener FedEx-, blauer Hermes- und brauner UPS-Fahrzeuge auf deutschen Straßen ablesen lässt. Besonders der mächtige Rivale Amazon könnte den Bonnern in Zukunft Marktanteile abnehmen. Mit eigenen Zustellern hat der eCommerce-Riese bereits jetzt einen Anteil von 25 Prozent und ist damit laut Bundesnetzagentur die Nummer zwei hinter DHL.
Ob DHL die Marktführerschaft in Zukunft verteidigen kann, ist daher nicht ausgemacht. Eines hingegen steht bereits jetzt schon fest: Der Kostendruck wird auch die Verbraucher treffen. Die Dauerwerbesendung "Einkauf Aktuell" etwa, die mehr als 20 Jahre lang deutsche Papiertonnen füllte, stellte DHL bereits im vergangenen Jahr ein.
Verwendete Quellen:
- DHL Group: Geschäftsbericht 2024
- DHL Group: Deutsche Post und ver.di einigen sich auf neuen Tarifvertrag
- Reuters.com: Trump pauses de minimis repeal as packages pile up at US customs
- Tagesschau.de: Dänische Post stellt Briefzustellung ein